Interview Exklusiv

Edelmetall-Experte Stöferle: "Gold ist am Ende der Reparaturphase"

11.03.14 03:00 Uhr

Der österreichische Gold-Experte Ronald Stöferle hat ein Gold-Kursziel von 1480 Dollar bis Mitte 2014. Er sieht die Emerging Markets als treibende Faktoren auf der Nachfrageseite.

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von Benjamin Summa

Nach heftigen Korrekturen im Vorjahr - Gold hatte 28 Prozent an Wert verloren - ist der Goldpreis in diesem Jahr bereits um zehn Prozent gestiegen, der beste Jahresstart seit 1983. Hat der Goldmarkt Ihrer Meinung nach die Talsohle durchschritten oder ist darin nur ein kurzes Aufbäumen vor dem nächsten Kursrutsch zu setzen?
Ronald Stöferle: In meinem letzten "In Gold we Trust"-Report im Juni 2013 hatte ich geschrieben, dass im Zuge des Preiskollapses massiver technischer Schaden angerichtet wurde und es Zeit bedarf, diesen Schaden zu reparieren. Ich denke, dass wir nun am Ende dieser Reparaturphase sind. Die Tatsache, dass ich mit meinem Kursziel von 1.480 US-Dollar bis Juni 2014 gemäß Bloomberg der optimistischste Goldanalyst bin, stimmt mich - aus Contrarian-Sicht - jedenfalls sehr zuversichtlich.

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Welche Hauptgründe führen Sie für die derzeitigen Kursgewinne des gelben Metalls an?
In den Medien wird meistens die Ukraine-Krise als Begründung herangezogen. Dies ist aber eine etwas zu oberflächliche Erklärung, nachdem der Goldpreis schon deutlich früher Stärke gezeigt hatte.

Viele Analysten attestieren Gold bekanntlich inflationssichernde Eigenschaften. Dies ist jedoch nur teilweise korrekt. Gold korreliert nicht mit der Inflationsrate, sondern mit der Änderung der Inflationsrate. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren intensiv an einem Inflationsindikator gearbeitet, der uns die Inflationstendenz zeitnah und akkurat anzeigt. Wir wissen, dass diverse Warenkörbe stark subjektiv sind, statistisch schöngerechnet werden und zudem mehrere Monate hinterherhinken. Deshalb fokussieren wir uns mit unserem proprietären "Incrementum Inflations- Signal" auf marktbasierte Daten.

Seit wenigen Wochen sehen wir nun erstmals wieder steigende Inflationsraten, insbesondere die Rohstoffe und die Edelmetalle signalisieren uns steigende Inflation. Dies ist besonders spannend, weil Notenbanken und Politiker weiterhin das Deflationsgespenst sehen. Dies könnte eine explosive Konstellation sein, sofern die Notenbanken - allen voran die EZB - bald deutlich inflationäre Maßnahmen einführen sollten.

Vor allem institutionelle Investoren, die aktuellen Trends nachjagen müssen, hatten sich nach herben Verlusten im Frühjahr 2013 aus dem Goldmarkt verabschiedet. Werden diese wichtigen Großanleger wieder zurückkommen?

Gold-Experte Ronald Stöferle
Institutionelle müssen in der Regel "past performance" kaufen, d. h., sie können aufgrund ihrer Größe und vor allem wegen der bürokratischen Entscheidungsfindung - Stichwort "career risk" - schwer antizyklisch agieren und springen generell auf aktuelle Trends auf. Insofern denke ich, dass diese Marktteilnehmer wieder aktiv werden und Positionen aufbauen werden, wenn der Goldpreis wieder bei 1.500 oder 1.600 Dollar steht. Jedenfalls sieht man bei den ETFs, dass sich der dramatische Abverkauf des vergangenen Jahres nun klar reduziert hat, 2014 sehen wir vermutlich wieder ein steigendes Volumen.

Dies ist aber nur ein Teil der Geschichte. Viel wichtiger ist meiner Meinung nach die Tatsache, dass Investoren, die auf physischen Besitz von Gold Wert legen, massiv Gold akkumuliert haben. Diese Investoren sind in erster Linie sogenannte High Net Worth Individuals und Family Offices, die wesentlich längerfristig orientiert sind und keinem großen Performancedruck ausgesetzt sind.

Zudem hat sich natürlich auch die Migration von physischem Gold von West nach Ost fortgesetzt. Allein China hat im Vorjahr mehr als 2.000 Tonnen Gold importiert. Deshalb denke ich, dass im Zuge der Korrektur enorm viel Gold von schwachen in starke Hände gewechselt hat.

Welche Rolle spielt die Politik der amerikanischen Notenbank Fed künftig für den Goldpreis? Das Edelmetall ist im vergangenen Jahr auch deshalb so stark gefallen, weil die Fed ankündigte, ihre Anleihekäufe zurückzufahren.
Interessanterweise endete die Schwäche des Goldpreises just, als das "Tapering", also die sukzessive Verringerung des Quantitative-Easing-Programmes, begann. Ich denke, dass der Goldpreis das Tapering im Laufe des vergangenen Jahres bereits diskontiert hat. Ich habe mehrmals gesagt, dass die Fed im Laufe des heurigen Jahres wieder deutlich expansiver werden wird.

Die wirtschaftliche Entwicklung ist mittlerweile extrem abhängig von permanenter Kreditmengenausweitung. Werden die Geld- und Kreditmengen nicht schnell genug inflationiert, so stellen sich sofort schmerzvolle Entzugssymptome ein. Ohne massive Interventionen seitens der Notenbanken würden auch heute die deflationären Kräfte überwiegen. Mittels extrem expansiver Notenbankpolitik wurde - und wird weiterhin - den deflationären Tendenzen entgegengewirkt. Dies ist meiner Meinung nach ein gefährlicher Tanz auf Messers Schneide.

Die Wechselwirkung zwischen Zentralbankinflation und Kreditdeflation kann mit dem gegenseitigen Druck zweier tektonischer Platten verglichen werden. Unter einer scheinbar stabilen Oberfläche baut sich sukzessive Druck auf, der sich in weiterer Folge in Form von Vulkanausbrüchen oder Erdbeben entlädt. Diese Eruptionen sind die unvermeidliche Folge von Prozessen, welche weit unterhalb der Erdoberfläche ablaufen. Wir haben diese Situation in unserem letzten Chartbook zum Thema "monetäre Tektonik" ausführlich beschrieben.

Ich erwarte, dass die Fed bei einer schwächer werdenden Konjunktur die Geldhähne weiter aufdrehen wird. Langfristig ist dies natürlich eine verheerende Politik. Wir wissen, dass Notenbanken keinen Wohlstand, sondern lediglich vorübergehende Booms und Scheinwohlstand auslösen können. Ludwig von Mises hat dies bereits im Jahre 1922 erklärt: "Durch Kunstgriffe der Bank- und Währungspolitik kann man nur vorübergehende Scheinbesserung erzielen, die dann zu umso schwererer Katastrophe führen muss. Denn der Schaden, der durch Anwendung solcher Mittel dem Volkswohlstand zugefügt wird, ist umso größer, je länger es gelungen ist, die Scheinblüte durch Schaffung zusätzlicher Kredite vorzutäuschen."

Der World Gold Council hat kürzlich gemeldet, dass China 2013 mehr Gold gekauft hat als jedes andere Land der Welt. Wer wird in Zukunft entscheidender sein für die Entwicklung des Goldpreises: die westlichen Großspekulanten oder die Milliarden Privatanleger und Notenbanken Asiens?
Sowohl als auch. Häufig wird einzig und allein der "Fear Trade" als Grund für den Goldbullenmarkt genannt, also die Krisenangst der Anleger. Wir sollten aber nicht vergessen, dass die Emerging Markets, und hier insbesondere China und Indien, die treibenden Faktoren auf der Nachfrageseite sind. Schon seit jeher wandert Gold aus Regionen ab, in denen der Wohlstand stagniert, und es fließt dorthin, wo die Wirtschaft prosperiert und das Sparvolumen steigt. Während Europa 1980 noch für 70 Prozent der Goldnachfrage verantwortlich war, sind es mittlerweile nur noch knapp 20 Prozent.

Auch Goldminen-Aktien gerieten im Sog des Goldpreisverfalls deutlich unter Druck. Deuten Sie die leichte Erholung der vergangenen Wochen bereits als Trendwende bei den Minen?
Goldminen-Aktien waren im vergangenen Jahr mit mehr als 50 Prozent im Minus. Um die Dimensionen zu veranschaulichen: Der Barrons Gold Mining Index, der älteste verfügbare Goldindex, notierte im Vorjahr auf dem niedrigsten Stand, in Relation zu Gold, seit mehr als 70 Jahren!

Ich denke, dass die verstärkte Kostentransparenz definitiv ein positiver Faktor für den Sektor ist. Praktisch alle Majors publizieren nun die All-In Sustaining Cash Costs, welche neben den Cash-Kosten (operative Kosten des Abbaus, Anm. d. Red.) auch Steuern, Kapitaleinsatz für die Erhaltung und Entwicklung der Mine, Explorationskosten, Kapitalkosten und administrative Kosten inkludieren. Dies ist ein wichtiger Schritt. Viel wichtiger ist aber die Tatsache, dass die Branche im Moment neue Prioritäten setzt: Rentabilität, stabiler Cashflow je Unze und vor allem Kapitaldisziplin werden mittlerweile gegenüber maximaler Goldproduktion präferiert.

Der Silberpreis scheint sein Tief ebenfalls hinter sich gelassen zu haben. Wird Silber Ihrer Meinung nach von einer verbesserten Weltkonjunktur in diesem Jahr profitieren? Das Edelmetall wird, anders als Gold, beispielsweise in der Elektro- und Autoindustrie sowie in der Medizintechnik nachgefragt.
Ich kann bezüglich der Weltkonjunktur keine Prognosen abgeben. Ich glaube aber, dass das Gold/Silber-Ratio hier wertvolle Informationen liefert. Ein fallendes Verhältnis (d. h. Outperformance von Silber gegenüber Gold) zeigt häufig steigende Inflationsraten sowie eine anziehende Konjunktur an. Dies erkennt man im Moment, auch wenn das Momentum der Bewegung noch nicht ganz überzeugend ist. Kurzfristig hat sich die Tendenz abgeschwächt und Gold wieder relativ zugelegt, dies hat jedoch auch mit der Ukraine-Krise zu tun. Es scheint aber, als wäre die übergeordnete relative Stärke von Gold langsam zu Ende, d. h., Silber könnte Gold nun wieder outperformen. Dies würde einhergehen mit steigenden Inflationsraten und eventuell auch einem höher als erwarteten Wirtschaftswachstum.

Sie haben vor Kurzem einen Fonds lanciert, der die Österreichische Schule der Nationalökonomie als Grundlage seiner Investmentphilosophie hat. Werden hier auch Gold und Silber eine Rolle spielen?
Natürlich. Die bereits angesprochene Gratwanderung zwischen Inflation und Deflation wird für Zentralbanken zukünftig immer schwieriger zu kontrollieren sein. Wir sind davon überzeugt, dass sich Investoren aufgrund der "monetären Tektonik" auf verstärkte Eruptionen in Form von inflationären, aber auch deflationären Phasen vorbereiten sollten. Gemäß unseres "Incrementum Inflations-Signales" gehen wir Positionen für steigende, neutrale oder fallende Inflationstendenzen ein. Die größte Inflationssensitivität haben Edelmetalle, Rohstoffe und Energietitel. Hier liegen unsere Kernkompetenz und ein Großteil unseres Investmentuniversums. Aber auch die Auswirkungen des Taperings und natürlich die japanische Schuldenblase sind wichtige Themen in unserem "Austrian Economics Golden Opportunities Fund".

Kurzvita des Edelmetall-Experten

Ronald-Peter Stöferle schreibt seit 2007 die international viel beachteten "In Gold we Trust"-Reports, die u. a. schon auf Bloomberg TV und CNBC, aber auch im Wallstreet Journal oder dem Economist zitiert wurden. Zudem war er vier Jahre lang innerhalb der österreichischen Erste Group für die Analyse von Öl und Gas verantwortlich. Seit 2013 ist Stöferle Partner und Mitglied der Geschäftsführung der Incrementum AG mit Sitz in Liechtenstein.

Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist Unternehmenssprecher der pro aurum KG, München

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