Steuern auf Spin-offs: Kniffliges für Fährtenleser
Spalten Konzerne Teile ab und bringen sie an die Börse – wie zuletzt bei Osram –, wird es steuerlich kompliziert. Die Fußstapfen-Theorie soll die Materie vereinfachen, doch in der Praxis hakt es gewaltig.
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von M. Schreiber und B. Watermann, Euro am Sonntag
Da sage mal einer, Spin-offs lohnen sich nicht. In den zweieinhalb Monaten, in denen Osram als eigenständiges Unternehmen an der Börse notiert ist, stieg der Aktienkurs der ehemaligen Siemens-Tochter um 50 Prozent.
Doch noch immer herrscht bei vielen Anlegern Unsicherheit, wie der Spin-off — so der Fachausdruck für Unternehmensabspaltungen — steuerlich zu behandeln ist. Das liegt vor allem daran, dass sich die steuerrechtlichen Regelungen durch das sogenannte Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz geändert haben. Das Gesetz mit dem Bandwurmnamen wurde erst Ende Juni, also kurz vor dem Osram-Deal, im Bundesgesetzblatt verkündet und regelt unter anderem einige Passagen im Einkommensteuergesetz neu. Gerade für Anleger, die Aktien von Abspaltungen halten, gibt es neue Regeln.
Besonders verwirrend: Nicht alle Banken und Sparkassen haben die neuen Regeln für Spin-offs schon im Fall Osram berücksichtigt. €uro am Sonntag klärt daher die steuerlichen Fragen zur Osram-Abspaltung und wie der Fiskus ausländische Spin-offs nun behandelt.
Osram-Spin-off in neuem Licht
Laut dem gemeinsamen Spaltungsbericht von Siemens und Osram treten die bei der Spaltung im Verhältnis zehn zu eins an die Siemens-Aktionäre ausgegebenen Osram-Aktien anteilig an die Stelle der Siemens-Aktien. Demnach führt die Abspaltung nicht dazu, dass die Anleger mit ihren Siemens-Aktien Gewinne oder Verluste realisieren, sondern die Abspaltung erfolgt steuerneutral. Die Anschaffungskosten für die Siemens- und die Osram-Papiere sind folglich gemäß dem Spaltungsverhältnis von zehn zu eins neu auf die alten und neuen Papiere aufzuteilen. Das Verfahren wird auch als Fußstapfen-Theorie bezeichnet. Näheres dazu steht im Einkommensteuergesetz, Paragraf 20, Absatz 4 a, Satz 7 sowie in Randziffer 101 eines Schreibens des Bundesfinanzministeriums (Az. IV C 1 — S 2252/10/10013, Dokument 2011/09 48 384).
Das bedeutet im Klartext, dass es für jeden Aktionär, der durch den Spin-off Osram-Aktien erhalten hat, einen anderen Einstandspreis gibt. Ein Beispiel: Ein Anleger hat 2012 zehn Siemens-Aktien zu einem Kurs von je 66 Euro gekauft, Gesamtwert also 660 Euro, und auf diese zehn Aktien eine Osram-Aktie erhalten. Von dieser Osram-Aktie wird nun ein Elftel der Anschaffungskosten von 660 Euro abgespalten, also 60 Euro. Wenn der Anleger diese Osram-Position heute verkauft, würde er beim aktuellen Kursniveau einen Verlust realisieren. Umgekehrt fiele beim Verkauf seiner Siemens-Aktien der Kursgewinn höher aus. Schließlich haben sich deren Anschaffungskosten entsprechend um ein Elftel verringert.
Kompliziert wird es jedoch, wenn ein Aktionär seine Siemens-Anteile in mehreren Tranchen erworben hat. In diesem Fall müsste für die Siemens-Aktien ein durchschnittlicher Anschaffungskurs ermittelt worden sein, der dann mithilfe des Spaltungsverhältnisses von zehn zu eins neu aufgeteilt wurde.
Beim Verkauf von Aktien derselben Gesellschaft in mehreren Tranchen gilt übrigens das sogenannte „Fifo-Verfahren“ („first in, first out“). Das heißt: Liegen die Aktien im selben Depot, gelten jene Papiere als Erstes verkauft, die als Erstes angeschafft wurden.
Vorteil für Altaktionäre
Die Fußstapfen-Theorie sorgt auch dafür, dass die Osram-Papiere wie die Siemens-Aktien behandelt werden. Siemens-Aktionäre, die ihre Papiere vor 2009 gekauft haben, können auch die Osram-Aktien steuerfrei veräußern. Denn für die Spin-off-Aktien gilt ebenfalls noch die bis Ende 2008 gültige einjährige Spekulationsfrist.
Und was galt bislang?
Bei älteren Spin-offs deutscher Unternehmen hat der Fiskus als Anschaffungskosten für die Aktien des abgespaltenen Unternehmensteils null Euro Anschaffungskosten angesetzt. Damit verzichtete der Fiskus aber nur vorläufig darauf, Steuern zu kassieren. Denn bei der Finanzverwaltung gilt oft: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Verkaufte der Anleger die Aktien später, zog seine Bank vom kompletten Verkaufserlös 25 Prozent Abgeltungsteuer plus Solidaritätszuschlag und etwaige Kirchensteuer ab. Denn die neu eingebuchten Aktien brachten schließlich keine eigenen Anschaffungskosten mit, die den Steuerabzug verringern konnten.
Schwierigkeiten bei Ausländern
Der Bundesfinanzhof stufte die neu zugeteilten Aktien ausländischer Spin-offs bislang als steuerpflichtige Sachdividende ein (Az. I R 117/08). Kapitalanleger mussten den Ertrag wie eine normale Dividende versteuern — oft fiel zusätzlich noch ausländische Quellensteuer an. Damit soll nun Schluss sein, denn mit dem neuen Recht sollen in- und ausländische Spin-offs gleich behandelt werden. Nun gilt auch für die ins Depot gebuchten Aktien ausländischer Spin-offs die Fußstapfen-Theorie. Sie soll erstmals auf Abspaltungen angewendet werden, die nach dem 31. Dezember 2012 zur Eintragung in das maßgebliche Register angemeldet wurden.
Da das neue Gesetz rückwirkend angewendet wird, gehen für betroffene Anleger und die Depotbank genau damit die Schwierigkeiten los: Sie müssen in Erfahrung bringen, zu welchem Termin die Anmeldung zum Handelsregister erfolgt ist. Pech haben beispielsweise deutsche Aktionäre des US-Pharmakonzerns Abbott Labs. Der Spin-off der Tochter Abbvie wurde noch Ende 2012 ins amerikanische Register eingetragen. Damit sind deutsche Aktionäre haarscharf an der gesetzlichen Neuregelung vorbeigeschrammt.
Anleger, deren Spin-offs seit 2013 eingetragen wurden, können sich zumindest theoretisch freuen. In der Praxis hakt es allerdings noch. Denn bisher fehlen klare Handlungsanweisungen, und die aktuell gültigen Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) enthalten zum Teil widersprüchliche Aussagen. Daher sehen sich die Banken und der Datendienstleister WM-Datenservice, der die Wertpapiere für die Banken steuerlich entschlüsselt, derzeit nicht in der Lage, ausländische Kapitalmaßnahmen in der kurzen Zeit von der Ankündigung bis zur Umsetzung eines Spin-off richtig einschätzen zu können.
Also verhandelt die Finanzbranche mit dem Bundesfinanzministerium über praktikable Faustregeln. Die Umsetzung der gesetzlichen Änderung müsse „noch mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmt werden“, räumt ein BMF-Sprecher ein. Ohne griffige Abgrenzungskriterien sind „unsere Institute nicht in der Lage, zwischen einer künftig steuerneutral nach Fußstapfen-Theorie zu behandelnden Abspaltung und einer weiterhin als Kapitalertrag abzuwickelnden Sachausschüttung zu unterscheiden“, heißt es in einem Schreiben des Bankenverbands an das BMF.
Das bedeutet, dass die Geldhäuser erst mal auf Nummer sicher gehen und Kapitalertragsteuer abziehen. Der Grund ist simpel: Der Fiskus prüft regelmäßig, ob die Banken Abgeltungsteuer in korrekter Höhe einbehalten — bei Fehlern muss das Institut dafür finanziell geradestehen.
Mehrarbeit für Anleger
Für Anleger bedeutet das Ärger und zusätzliche Arbeit: Sie müssen die eigentlich vom Gesetzgeber gewollte steuerliche Gleichbehandlung individuell über ihre Steuererklärung durchsetzen. „Das Gesetz liefe dann de facto ins Leere“, befürchtet Wolfgang Skorpel, Steuerexperte des Bundesverbands deutscher Banken. So wird erst die Zukunft zeigen, ob die steuerliche Gleichbehandlung von Auslands-Spin-offs für deutsche Privatanleger nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis klappt.
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