Kopf der Woche

Börsenhändler Helmer: Wöchentlich einen Bombenalarm

23.05.11 06:00 Uhr

Seit 41 Jahren steht Fidel Helmer auf dem Frankfurter Parkett. Er hat Crashs und Chaostage im Börsensaal erlebt. Jetzt bricht für den Präsenzhandel ein neues Zeitalter an.

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von W. Ehrensberger, €uro am Sonntag

Während des großen Börsencrashs 1987 habe er „phänomenale Geschäfte“ gemacht, berichtet Fidel Helmer. Und in den 70er-Jahren erlebt, wie RAF-Aktivisten Molotowcocktails auf das Parkett warfen. Seit 1970 steht Helmer für das Bankhaus Aufhäuser (heute Hauck & Aufhäuser) auf dem Parkett. Auch wenn er es allmählich ruhiger angehen lässt, hat er noch immer sein Büro direkt im Handelssaal gegenüber der Kurstafel.

€uro am Sonntag: Herr Helmer, den Handel auf „Zuruf“ gibt es hier schon lange nicht mehr, die Präsenzbörse ist nur noch eine Kulisse für die Medien. Stört Sie das?
Fidel Helmer:
Für einen Präsenz­börsianer, der bei Bedarf durch den ganzen Saal geschrien hat, ist das schon enttäuschend. Die Händler hier bearbeiten ihre Aufträge geräuschlos am Bildschirm, die könnten auch auf der grünen Wiese sitzen. Das Einzige, was man hört, ist das Klackern der Kursanzeigetafel. Aber ich bin froh, dass es diese Kulisse gibt. Sie liefert den Rahmen für eine Menge Ereignisse, zum Beispiel Neuemissionen. TV-Stationen sind mit ihren Kameras vertreten, das ist Werbung für die Börse. Wäre schade, wenn das alles nur noch im Handelsraum einer Großbank stattfände.

Wie sind Sie zur Börse gekommen?
Ursprünglich sollte ich für Aufhäuser ein Jahr nach Amerika, dann hat mir die Bank aber ange­boten, als zweiter Mann in die neu gegründete Niederlassung nach Frankfurt zu gehen. So kam ich im März 1970 als 23-jähriger blutjunger Münchner hierher. Aber es war für mich hier anfangs nicht einfach.

Kein Traumstart?
Na ja, Frankfurt war damals im Gegensatz zu heute ausgesprochen hässlich. Die Freßgass war eine Baustelle für die U-Bahn, die Oper war eine Ruine, die Hochhäuser standen noch nicht, und am Wochenende war die Stadt wie ausgestorben. Mit Düsseldorf hatte der Börsenplatz Frankfurt außerdem einen heftigen Konkurrenten. Damals war längst noch nicht klar, welcher Markt der größere war. Die West LB war in den Wertpapiermärkten sehr aktiv.

Warum hat Frankfurt das Rennen gemacht?
Aufgrund seiner zentralen Lage, seines Flughafens. In Frankfurt gab es zudem bereits über 450 in- und ausländische Banken, von denen über 100 eine Börsenzulassung hatten. So hat sich schnell geklärt, dass Frankfurt der größte Börsenplatz in Deutschland ist. Ich durfte die kleine Niederlassung bereits nach einem Jahr leiten, sie ist mit dem Finanzplatz mitgewachsen, und davon habe ich profitiert.

Wie lief der Präsenzhandel damals ab?
Die Präsenzbörse ging von mittags halb zwölf bis halb zwei. Vor- und nachbörslich haben wir über Telefone gehandelt, die von der Wand hingen und lange Hörerkabel hatten, sodass wir manchmal kaum durchkamen, das war oft sehr chaotisch. Kundenaufträge, die telefonisch oder per Fernschreiben kamen, wurden auf Orderzettel notiert, Käufe auf weiße Zettel, Verkäufe auf rote.

Wie sind Sie an Informationen gekommen?
Es gab viele Börsenhändler, viel Hilfspersonal, es war laut, und man hatte ständig die Augen und Ohren offen, um aus diesem Chaos das Wichtige herauszufiltern. Zum Beispiel: Was macht der Händler von der Deutschen Bank ständig beim Siemens-Makler? Hat er einen Kauf- oder Verkaufsauftrag? Dieses Verhalten kann ich mir auch nicht mehr abgewöhnen. Wenn ich mit meiner Frau heute im Restaurant zum Essen gehe und mal wieder mit den Ohren am Nachbartisch bin, weil da gerade eine interessante Diskussion läuft, höre ich von ihr den Spruch: „Könntest du dich vielleicht mal bitte auf mich konzentrieren!“


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Hatten Sie damals keine Informationsdienste?
In den 70er-Jahren gab es keine Börseninformationen über Dienste wie Reuters oder Bloomberg. Wir mussten etliche Telefonate führen, erkundigten uns bei Brokern nach dem Dollar und riefen dann die amtlichen Makler an: Was ist deine Indikation für Siemens, für AEG? Oder wie geht’s den Autowerten, BMW, MAN? Da hat man viele Informationen erst mal nur im Hinterkopf gespeichert, die man aktuell noch gar nicht verwerten konnte, die man aber später abrufen konnte. So sollte Kommunikation an der Börse eigentlich sein. Heute dagegen wird man mit Fakten und Analystenstudien zugestopft. Das intensive persönliche Gespräch, die echte Kommunikation bleibt auf der Strecke.

Gab es mal brenzlige Situationen?
In den 70er-Jahren während der Baader-Meinhof-Terrorwelle hatten wir nahezu wöchentlich einen Bombenalarm. Alle mussten dann raus auf den Vorplatz. Die Händler hatten ohnehin schon einen dicken Hals, weil sie von ihrem Geschäft abgehalten wurden. Eines Tages wurden dann auch noch Molotowcocktails von der Besuchergalerie auf das Parkett geworfen. Die Börsianer wurden ziemlich aggressiv und wollten die RAF-Aktivisten auf der Galerie verprügeln. Die eintreffende Polizei konnte sie gerade noch davon ab­halten. Daraufhin wurden die Kontrollen drastisch verschärft und die Galerie mit Panzerglas gesichert.

Was war Ihr einschneidendstes Erlebnis?
Der Crash 1987. Das war nicht so wie das Platzen der Blase des Neuen Markts, das sich abzeichnete, auch nicht wie die Finanzkrise, die sich durch den Fall von Lehman ankündigte. Der Crash von 1987 kam wie der Blitz aus heiterem Himmel. Von Freitag auf Samstag brach der Dow-Jones-Index um 500 Punkte ein, das war bei einem Stand von 2.500 Punkten dramatisch. Wir haben Hilfspersonal organisiert – alles, was wir greifen konnten, haben wir zur Börse mitgenommen.

Wie haben Sie die Auftragsflut bewältigt?
Wir haben die Orderzettel waschkörbeweise abgearbeitet, völlig ohne Computerunterstützung. Wir mussten die Aufträge nach Börsenschluss noch abgleichen, da gab es noch so viele Differenzen. Wir haben damals teilweise im Büro übernachtet, elf Uhr war Standard, um Kundenaufträge abzuwickeln. Pizzadienste hatten Hochkonjunktur.

Ein Bombengeschäft auch für Sie?
Geschäftsmäßig war es phänomenal. So viel Umsatz wie damals an einem Tag hatten wir sonst das ganze Jahr nicht. Das war schon ­unheimlich. Man hatte auch Angst. Je größer die Aufträge, desto größer konnten auch die Fehler sein, die man machte. Wir waren froh über ­jeden Tag ohne größere Blessuren. Aber es hat sich schnell wieder gelegt, und die Börse hat die alten Kursstände schnell wieder erreicht. Diese Situation war auch der Auslöser, dass die Computerisierung der Börse massiv in Angriff genommen wurde.

Könnte ein solcher Crash wie 1987 wieder passieren?
Ein Crash kann jederzeit passieren. Die Frage ist, ob die Börse plötzlich auftretende hohe Handelsvolumina handeln kann. Das war 1987 ohne Computerunterstützung sehr schwierig. Alles musste manuell gemacht werden, die Leute waren maßlos überfordert. Heute würde die Börse in jeder Situation jedes Volumen handeln, auch bei Ereignissen wie der Lehman-Pleite. Da wurde der Handel auch problemlos abgewickelt. Das hat sich deutlich verbessert.

Wie haben Sie die Terroranschläge des 11. September 2001 erlebt?
Ich war im Handelsraum in der Bank. Ein Freund rief an: „Schalt mal den Fernseher ein.“ Dann sah ich die Bilder von den qualmenden Türmen. Schnell war klar, dass es zu gravierenden negativen Folgen für die Märkte kommt. Wir hatten auch Telefonbekanntschaften in den betroffenen Gebäuden. Als wir hörten, dass die getötet worden waren, hat uns das schon sehr mitgenommen.

Wie haben Ihre Kunden reagiert?
Es kamen massiv Verkaufsaufträge, vor allem über die Derivate­börse Eurex. Über die Eurex können institutionelle Anleger einfach schneller reagieren als über den Kassamarkt.

Zum 23. Mai wird der Parketthandel reformiert. Was ändert sich für die Händler?
Die Händler müssen die Kurse für Werte vor allem aus der zweiten oder dritten Reihe stellen und im Zweifel selbst als Käufer oder Verkäufer auftreten. Das geht schon in Richtung reine Spekulation. Welches Risiko ein Händler dabei eingeht, bleibt ihm natürlich selbst überlassen.

Mit welchen Folgen rechnen Sie?
Es gibt hier noch etwa 50 bis 60 Händler, also künftig „Spezialisten“. Manche sind optimistisch und erwarten Erfolge. Für die meisten wird jedoch eine schwierige Zeit anbrechen. Am Ende könnten auch die Spezialisten aussterben.

Was wird denn dann mit der Börsenkulisse geschehen?
Wenn keiner mehr da ist, könnte man hier vielleicht ein paar Studenten reinsetzen, um die Kulisse zu erhalten.

Parketthandel
Künftig auf Xetra
Die Frankfurter Wertpapierbörse läuft ab 23. Mai komplett über das Handelssystem Xetra. Der bisherige Präsenzhandel über das Skontrosystem ist am Freitag eingestellt worden. Die Skontrohändler heißen künftig Xetra-Spezialisten. Für Anleger ändert sich an den Abläufen kaum etwas: Sie wählen weiterhin Frankfurt als Börsenplatz, ihr Auftrag landet im großen Handelssaal der Börse Frankfurt. Laut Deutscher Börse sollen die Kunden allerdings über bessere Preise und verbesserte Liquidität auch bei marktengen Titeln von der Umstellung profitieren. Für die Xetra-Spezialisten hat die Umstellung dagegen voraussichtlich sinkende Margen und möglicherweise einen Konzentrationsprozess zur Folge.

Zur Person:

Fidel Helmer
Börse im Blut

Der 1947 geborene ­Mün­chner wollte ursprünglich Kunsterzieher werden, startete dann aber zum 1. September 1965 eine Lehre als Bankkaufmann beim Bankhaus Aufhäuser in München. Weil ihn die Börse faszinierte, absolvierte er zusätzlich eine Ausbildung zum Wertpapierhändler. 1970 wechselte er in die neu eröffnete Aufhäuser-­Filiale nach Frankfurt, deren Leitung er rasch übernahm. Seit 1990 führt er den Wert­papierhandel an beiden Standorten Frankfurt und München. Im Zuge der Fusion mit Hauck wurde er 1997 Leiter des Wertpapierhandels von Hauck & Aufhäuser.

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