Interview Exklusiv

Gold-Experte: Für 2012 setze ich kein oberes Limit

16.03.12 03:00 Uhr

Die Analysten Thorsten Proettel und Folker Hellmeyer sagen weiterhin steigende Edelmetallpreise voraus. Die aktuellen Korrekturen seien Angebote an langfristig orientierte Investoren, Bestände aufzubauen.

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142,7 PKT -0,2 PKT -0,15%

10.366,8 PKT -18,8 PKT -0,18%

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7.696,5 PKT -13,2 PKT -0,17%

4.263,2 PKT 12,3 PKT 0,29%

von Benjamin Summa

Beide Rohstoffexperten haben ein Inflationsszenario. Proettel rät, auch Silber wieder verstärkt in den Fokus zu nehmen, da das Edelmetall derzeit vom Boom in der Solarzellenproduktion profitiere, zudem weichten immer mehr Investoren und Juweliere angesichts des hohen Goldpreises auf Silber aus.

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Gold hat zuletzt wieder deutlich nachgegeben. Hat eine so starke Volatilität Ihrer Meinung nach negative Auswirkungen auf die Langlebigkeit des Aufwärtstrends?
Folker Hellmeyer, Chefanalyst Bremer Landesbank: Es gibt für kurzfristig orientierte Marktteilnehmer negative Marktauswirkungen. Die Langlebigkeit des Trends ist damit aber nicht gefährdet. Seit Beginn des positiven Trends 2001 begleiten uns immer wieder Rücksetzer, die nichts mit natürlichen Marktkräften zu tun haben. Alle Korrekturen waren bisher Angebote an langfristig orientierte Investoren im Edelmetallsektor, Bestände aufzubauen oder zu vergrößern. An diesem Bild hat sich nach meiner Einschätzung nichts geändert.
Thorsten Proettel, Rohstoffexperte der LBBW: Volatilität gab es auch in den vergangenen Jahren, beispielsweise Anfang 2006, in der Krisenphase 2008 und in der zweiten Jahreshälfte 2009. Die Konsolidierungsphasen verunsichern zwar stets einen Teil der Privatanleger. Diese fallen dann als Käufer aus oder verkaufen ihre Bestände sogar. Insbesondere für mehrjährige Aufwärtstrends sind die Rückgänge allerdings sehr positiv, denn sie mahnen zur Vorsicht und helfen, eine deutliche Überhitzung zu vermeiden. Bei Gold verläuft der langjährige charttechnische Aufwärtstrend derzeit übrigens im Bereich von etwa 1.100 US-Dollar. Er war durch die jüngsten Preiskapriolen nicht wirklich in Gefahr.

Die Notenbanken verfolgen eine Politik des billigen Geldes. Das spräche für inflationäre Tendenzen. Andererseits warnen Experten davor, dass harte Sparprogramme zu einer Talfahrt der Wirtschaft führen könnten - ohne Inflation. Haben Sie derzeit ein klares Inflations- oder Deflationsszenario?
Hellmeyer: Ja, ich schätze das Potential der globalen Wirtschaft deutlich positiver ein als meine Kollegen. Das von der Eurozone ausgehende politische Risiko hat die Weltwirtschaft belastet und zu einer Untersättigung in der globalen Zyklik geführt. Mit dem jetzt vorgenommenen Schuldenschnitt Griechenlands und den Beschlüssen zu ESM und Fiskalpakt durch die Politik der Eurozone und des IWF ist dieses Thema im Verlauf des Jahres voraussichtlich weniger ausgeprägt. Entsprechend dynamischer wird die Wirtschaft laufen. Raum für Deflation sehe ich nicht ansatzweise. Das Inflationsbild wird dagegen ausgeprägter sein.
Proettel: Angesichts der Rezession in einigen Randstaaten der Eurozone sowie der Sparbemühungen überwiegen zumindest dort die Deflationsgefahren. Anders sieht es in Kerneuropa und dem Rest der Welt aus. In Deutschland dürfte die Geldentwertung 2012 wieder einmal leicht über der Zielrate der EZB liegen. Ich rechne mit 2,2 Prozent gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex. Natürlich kann die ganz persönliche Rate je nach Warenkorb variieren. Vermutlich werden die Preise in den Bereichen Verkehr und Gastronomie abermals überproportional steigen. Im weltweiten Durchschnitt dürfte die Inflationsrate 2012 bei gut 4 Prozent liegen. Die Notenbankpolitik ist in puncto Inflationsrate allerdings derzeit kaum schädlich, denn das viele Geld bleibt im Bankensystem hängen. In den USA ist das Wachstum der (inoffiziellen) Geldmenge M3 mit unter 5 Prozent sogar so gering, dass es selbst die Bundesbank zu ihren besten Zeiten als vereinbar mit der Geldwertstabilität angesehen hätte. Schwierig könnte allerdings werden, die Liquidität wieder einzusammeln, bevor sie doch noch Schaden anrichtet.

Welche Auswirkungen würde Ihr Szenario für die Wirtschaft, die Aktien- und Rohstoffmärkte haben?
Hellmeyer: Realwerte werden reüssieren. Der Ansatz der „Financial Repression“ zwingt zur Fokussierung der Anleger in Richtung der Realwerte. Die voraussichtlich besser als erwartet ausfallende Konjunkturlage wird die reale Nachfrage nach Rohstoffen anheizen. Auf diese Konstellation ist weder die Realwirtschaft noch die Finanzwirtschaft positioniert. Die Edelmetalle liefen mit der Erholung ab Sommer 2009 bis Frühjahr 2011 sehr gut. Ein identisches Bild erwarte ich ausgehend von der aktuellen Basis, die mit dem Frühjahr 2009 vergleichbar ist.
Proettel: Eine Inflationsrate von aktuell mehr als 2 Prozent in Deutschland bei einem Leitzins von nur 1 Prozent bedeutet einen Vermögensverlust für alle Sparer. Die Aktienmärkte profitieren hiervon, denn Sachwerte sind gesucht. Die Entwicklung seit Jahresanfang spricht Bände. Auch Rohstoffe dürften sich im Jahresverlauf um 10 bis 15 Prozent verteuern. Hierfür spricht jedoch weniger die Geldentwertung, sondern die trotz wirtschaftlicher Abkühlung immer noch robuste Nachfrage in den Schwellenländer sowie Probleme auf der Angebotsseite. Zu nennen ist beispielsweise die Angebotslücke bei Kupfer, die sich in den kommenden Monaten durch Streiks vergrößern könnte.

Welche Prognose wagen Sie derzeit für die Entwicklung des Goldpreises?
Hellmeyer: Ich sehe dieses Jahr mindestens 2000 USD pro Unze. Aller Voraussicht nach ist diese Prognose als hanseatisch zu klassifizieren. Ein oberes Limit setze ich nicht.
Proettel: Der Goldpreis hat in den vergangenen Jahren bereits eine ordentliche Rallye absolviert. Ich rechne erst einmal mit einer Verschnaufpause, denn insbesondere in Indien und China macht sich die leichte Verringerung des Wirtschaftswachstums in kleineren Goldkäufen bemerkbar. Interessierte Anleger sollten deshalb ihr Kapital aufteilen und insbesondere Phasen mit schwächeren Notierungen zum gestaffelten Einstieg nutzen. Ich bin zudem der Meinung, dass der Blick auch auf Silber fallen sollte. Das Metall profitiert von Sonderfaktoren wie dem Boom der Solarzellenproduktion. Außerdem weichen immer mehr Investoren und Juweliere angesichts des hohen Goldpreises auf Silber aus.

Wie würden Sie derzeit Ihr Depot strukturieren, wenn Sie ein Anleger mit einer durchschnittlichen Risikoneigung wären?
Hellmeyer: Ich würde eine Liquidität von 15 Prozent vorhalten, um Opportunitäten an Finanzmärkten zu nutzen. 20 Prozent des Anlagevolumens wäre in physischen Edelmetallen investiert. 5 Prozent des Volumens wäre in Edelmetallminen allokiert. 40 Prozent wäre meine Allokation in „Blue Chips“ der Eurozone, die eng mit der globalen Wirtschaft vernetzt sind, unter anderem Chemie, Maschinen- und Anlagebau, Automobilwirtschaft als auch Konsum. Die restlichen 20 Prozent wären in Anleihen aus Schwellenländern und Unternehmen in einem Laufzeitband von bis zu drei Jahren investiert.
Proettel: 5 Prozent Gold, 5 Prozent Silber, 20 Prozent sonstige Rohstoffe, am besten als Fonds mit rolloptimierter Strategie, 40 Prozent Aktien, 30 Prozent kurzlaufende Unternehmensanleihen beziehungsweise Cash. Keine Staatsanleihen.

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