Prof. Otte-Kolumne Max Otte

Euro-Gipfel: zaghafte Ansätze, viel Kosmetik

31.10.11 14:14 Uhr

Euro-Gipfel: zaghafte Ansätze, viel Kosmetik | finanzen.net

Es ist geschafft! So könnte man nach dem Euro-Gipfel versucht sein, aufzuatmen.

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Aber leider verbergen sich hinter den zunächst einmal positiven Ansätzen wieder etliche faule Kompromisse.

1) Die Banken sollen mehr Eigenkapital aufbauen, und dafür auf Dividenden und Boni verzichten. Das klingt gut, und wird das System tatsächlich stärken. Allerdings werden nicht alle Banken Griechenlands Schuldenschnitt verkraften – vor allem die griechischen Banken nicht. Solche Banken gehören abgewickelt oder in den Besitz desjenigen, der sie stützt. Davon sind wir aber weit entfernt.

2) Der 50-prozentige Schuldenschnitt ist eine Mogelpackung. Es ist eben kein Schuldenschnitt, sondern ein freiwilliges Umtauschangebot. Nur die 200 Milliarden der über 350 Milliarden Euro an griechischen Staatsanleihen, die sich in den Händen „privater Gläubiger“ befinden, sollen um 50 Prozent reduziert werden. Zudem muss und soll dies freiwillig geschehen. Sie werden in 100 Milliarden neue Schulden umgetauscht, die dann vom ESFS mit 30 Milliarden Euro besichert werden.

Nicht einbezogen sind die griechischen Anleihen, die bei der EZB liegen (und irgendwann wertberichtigt werden müssen) sowie die vielen Milliarden an Kontokorrentkrediten, die die EZB Griechenland bereitgestellt hat.

Am stärksten betroffen von diesem Schuldenschnitt sind griechische Banken, die die meisten Staatspapiere halten. Ich sehe aber nicht, dass sich Griechenland verpflichtet hat, seinen Banksektor radikal zu reformieren oder zu verkleinern.

3) Der Rettungsfonds soll auf eine Billion Euro gehebelt werden (das ist übrigens der Titel eines interessanten Buches, das der Science-Fiction-Autor Andreas Eschbach vor einigen Jahren schrieb, und das ich durchaus empfehlen kann). Augenwischerei ist, dass Deutschlands Risiko nicht steigt: Zwar soll unsere Haftungssumme auf 211 Milliarden Euro beschränkt bleiben (was aufgrund der über 400 Milliarden zusätzlicher Kontokorrentkredite der EZB an die Krisenländer schon jetzt Makulatur ist), aber diese 211 Milliarden sind dann auch weg. Wenn der Fonds Staatsanleihen insgesamt versichern würde, würde er vielleicht jeweils 20, 30 oder 40 Prozent verlieren. Jetzt wird nur der riskante Teil versichert, also ist dann die Versicherungssumme weg.

All dies läuft darauf hinaus, die Banken nicht angemessen am mit verursachten Schaden zu beteiligen. Euro-Dissident Klaus-Peter Willsch (CDU) schreibt in seinem aktuellen Hauptstadtbrief:

Mit der Schuldenbremse haben wir die legalen Verschuldungsmöglichkeiten in Deutschland begrenzt – auf europäischer Ebene machen wir mit dieser Rettungsschirm-Politik genau das Gegenteil: Wir erhöhen die legalen Verschuldungsmöglichkeiten.

Die Insolvenz von Griechenland wird unausweichlich kommen. Sie wird derzeit nicht abgewendet, sondern verschleppt. Die Troika hat kürzlich einen mehr als ernüchternden Bericht über die Schuldentragfähigkeit des Landes geliefert.

Die anstehende Tranche wurde dennoch ausgezahlt. Es sollte jedem ein Warnsignal sein, dass der IWF künftig nicht mehr an vermeintlichen Rettungsaktionen beteiligt werden muss, sondern nur noch kann. Der IWF bereitet sich auf das Verlassen des sinkenden Schiffes vor.

Und die Euro-Gruppe steuert weiter volle Kraft in Richtung Eisberg. Deshalb kann ich diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen.

Erschütternd, was Willsch über den IWF schreibt: Hier wird eine andere deutsche Position über Bord geworfen. Ich hatte im Frühjahr 2010, als Wolfgang Schäuble sich sehr gegen eine Einbeziehung des IWF wehrte, dafür plädiert. Der IWF bringt etwas Objektivität ins Spiel und verringert Deutschlands Erpressbarkeit. Nun ist es langsam soweit: Wir haben nicht nur währungspolitisch kapituliert, wir sind auch auf dem Weg, finanzpolitische Kolonie zu werden.

Meine Prognose, dass sich die Politik weiter so durchwursteln wird, hat sich bestätigt. Neben zaghaften Ansätzen zu sinnvollen Maßnahmen wird weiter kräftig an der Schuldenspirale gedreht.

Die Märkte allerdings freut diese weitere Aufblähung der Liquidität, denn sie kann eigentlich mittelfristig nur in die Inflation führen. Für Sachvermögen wie Aktien kann das nur positiv sein.

Der DAX machte mit einem Plus von über fünf Prozent geradezu einen Luftsprung. Commerzbank (WKN: 803200): + 16,49 Prozent, Deutsche Bank (WKN: 514000): + 15,35 Prozent. Auch die von uns empfohlene Allianz (WKN: 840400): 7,63 Prozent, RWE (WKN: 703712): + 7,03 Prozent, E.ON (WKN: ENAG99): + 5,99 Prozent, Münchner Rück (WKN: 843002): + 4,76 Prozent. Erstaunlich, dass auch Berkshire Hathaway (WKN: A0YJQ2) um mehr als sieben Prozent in die Höhe schoss.

Es zeigt sich wieder einmal, dass Sie „drin“ sein müssen, um in den Genuss der Renditen des Marktes zu kommen. „Einstiegssignale“ halte ich größtenteils für Humbug. Wenn es billig ist: kaufen. Halten – auch wenn die Aktien noch billiger werden und es schwerfällt. Und dann zurücklehnen und irgendwann die Renditen kassieren. Einen anderen Weg kenne ich nicht.

Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Geschäftsführender Gesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Ziel des Instituts ist die Aktienanalyse und die Entwicklung von Aktienstrategien für Privatanleger.Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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