Interview

Jim Rogers: Rohstoffe sind ein Bullenmarkt

27.09.11 11:24 Uhr

Wenn Rohstoffexperte Jim Rogers Stellung bezieht, dann richtig: Amerika prophezeit er ein verlorenes Jahrzehnt, den Preisen für Edelmetalle und Agrargüter einen steilen Anstieg.

Werte in diesem Artikel
Rohstoffe

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von Andreas Hohenadl, €uro am Sonntag

Nicht nur Rohstoffguru, Buchautor und zweimaliger Weltumrunder, sondern auch ein Kavalier der alten Schule: Jim Rogers hält Hof im Hotel Sacher in Salzburg. Und dem Ort angemessen verabschiedet er zwei Journalistinnen der österreichischen Presse mit Handkuss. So viel Zeit muss sein. Auch wenn der Terminplan an diesem Tag dicht gedrängt ist und ihn noch viele Journalisten und Finanzexperten sprechen wollen.

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Vor zwei Tagen war Rogers in ­Zürich, den Tag davor in Frankfurt. Und überall Präsentationen, Gespräche, Interviews. Ein wenig sind dem 68-­Jährigen die Strapazen anzumerken. Doch wer glaubt, dass seine Ausführungen über Rohstoffe und den Zustand der Weltwirtschaft deshalb ­weniger pointiert ausfallen würden, täuscht sich.

€uro am Sonntag: Herr Rogers, vor einigen Wochen sagten Sie in einem Interview: „Wir sind wieder zurück in den 70ern, und das war eine schlechte Zeit für Aktien.“ Erwarten Sie tatsächlich eine Dekade mit mieser Börsenperformance?
Jim Rogers:
Wir sind schon mittendrin. Ich selbst setze auf Währungen und Rohstoffe und habe Short-Positio­nen bei Aktien aus Europa, den USA und den Schwellenländern. In den 70er-Jahren hat man ein Vermögen mit Rohstoffen gemacht und Geld mit Aktien verloren. Meiner Ansicht nach befinden wir uns heute in derselben Situation.

Und das könnte ein Jahrzehnt andauern?
Ja, wenn die Fehler, die derzeit gemacht werden, andauern. In ­Japan haben sie in den 90er-Jahren Fehler gemacht, und sie hatten ein verlorenes Jahrzehnt. Sie haben mit diesen Fehler weitergemacht und hat­ten zwei verlorene Jahrzehnte. Der japanische Aktienmarkt notiert heute 80 Prozent niedriger als Anfang der 90er. Und ich fürchte, Amerika wird dieselben Probleme bekommen und ein oder zwei verlorene Jahrzehnte haben. Darüber bin ich nicht glücklich, aber es wird wohl passieren.


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Nun, Sie leben ja zum Glück in Singapur.
Zugegeben, unter diesen Umständen ist es besser, in Asien zu leben als in Amerika. Allerdings wird die ganze Welt leiden, wenn die USA und Europa – die größten Volkswirtschaften der Welt – eine verlorene Dekade durchmachen.

Aber die Notenbanken tun doch alles, um die Wirtschaft anzukurbeln. Jüngst hat die Fed eine Aktion angekündigt, um die langfristigen Zinsen zu senken.
Die Fed macht seit 15 Jahren alles falsch, was sie falsch machen kann. Ich weiß nicht, warum sie glaubt, dass das jetzt funktioniert. Die Anleihenkaufprogramme, alles, was sie getan hat, hat nichts genützt und die Situation nur verschlimmert. Kaufen Sie ja keine Aktien!

Vielleicht besser Gold? Sie prophezeien ja schon lange einen Preis von über 2.000 Dollar. Derzeit sind wir bei 1.800 Dollar. Sehen wir bald die 2.000er-Marke?
Ob es noch in diesem Jahr so weit sein wird, weiß ich nicht. Ich bin nicht so gut im Market-Timing.

Aber Sie setzen auch auf Edelmetalle?
Ja, ich besitze Gold und Silber. Und ich hoffe, dass die Preise wieder etwas sinken, damit ich mehr davon kaufen kann. Es wäre schön, wenn der Goldpreis 200, 300 oder 400 Dollar zurückgehen würde. Dann würde ich nachkaufen. Denn beide Edelmetalle werden noch sehr, sehr viel teurer werden.

Gold und Silber ausgenommen, geht es seit einiger Zeit mit den Rohstoffen bergab. Sorgen Sie sich oder kaufen Sie?
Ich sorge mich nicht, da sich derzeit meine Short-Positionen auf Aktien gut entwickeln. Und sicher werde ich mehr Agrarrohstoffe kaufen, wenn die Preise weiter nachgeben. Es gibt solche Phasen. Schauen Sie sich an, was 2008 passiert ist. Damals sind Rohstoffe eingebrochen. Aber nur kurz. Die Notierungen sind für fünf Monate zurückgegangen. Aktien dagegen haben von Oktober 2007 bis März 2009 verloren.

Würden Sie gegebenenfalls auch Rohstoffe shorten?
Rohstoffe sind ein Bullenmarkt, da gehe ich nirgends short.

In Anbetracht der Wachstumssorgen hält sich der Ölpreis auf relativ hohem Niveau. Was ist Ihre Erklärung?
Nun, die uns bekannten Ölvorräte schwinden. Und solange keine neuen riesigen Vorkommen entdeckt werden, wird die Überraschung anhalten, auf welch hohem Niveau der Ölpreis verharren kann. Sicher kann er auch noch mal deutlich einbrechen, wenn beispielsweise Italien pleitegeht. Aber dann bricht alles ein.

Als großer Freund von Agrarrohstoffen empfehlen Sie jungen Leuten immer wieder, in die Landwirtschaft zu gehen. Was sollten sie am besten anbauen?
Alles, was Sie anbauen, wird in den kommenden ein, zwei Jahrzehnten enorm im Preis steigen. Es gibt ernst zu nehmende Knappheiten in allen Kulturen, die in den vergangenen zehn Jahren mehr Rohstoffe konsumiert als produziert haben. Und die Landwirtschaft hat ein Nachwuchsproblem. Ich kenne keinen, mit dem ich in die Schule gegangen bin, der Farmer geworden ist. Kurz­um: Ich sehe, dass wir eine ernsthafte Rohstoffknappheit bekommen werden. Es sei denn, die Rohstoffpreise steigen und ziehen mehr Arbeit und Kapital in die Landwirtschaft.

Sie sind also optimistisch, was die Preisentwicklung bei sämtlichen Agrargütern betrifft?
Ja. Meine größte Position sind Agrarrohstoffe.

Aber für den Privatanleger sind diese Märkte nicht gerade einfach zu verstehen.
Natürlich sollten Sie nicht in etwas investieren, was Sie nicht verstehen. Aber seien wir ehrlich: Wer versteht schon Siemens oder IBM? ­Diese Unternehmen mit ihren Tausenden Angestellten, ihren Fabriken, Zulieferern und Mitbewerbern ... Dagegen ist Baumwolle ziemlich simpel. Das Einzige, was Sie über diesen Rohstoff wissen müssen, wenn Sie damit Geld verdienen wollen, ist, ob es davon zu viel oder zu wenig gibt.

Erwarten Sie einen heftigen Anstieg der Inflation?
Wir haben bereits eine spürbare Inflation. Das merken Sie, wenn Sie in den USA in den Supermarkt gehen. Doch die amerikanische Regierung sagt, dass es keine gibt.

Weshalb sollte sie das tun?
Sehen Sie, viele Staatsausgaben wie zum Beispiel Pensionszahlungen sind an die Entwicklung der Inflation geknüpft. Wenn die Regierung zugeben würden, dass die Teuerungsrate steigt, würden sich ihre Kosten erhöhen.

zur Person:

Jim Rogers (68),
US-Großinvestor
Rogers wurde 1942 in Demopolis, Alabama, geboren. Er studierte in Oxford und Yale Geschichte, Philo­sophie und Wirtschaft. 1973 ­gründete er mit George Soros den Quantum-Hedgefonds, der innerhalb von zehn Jahren über 4.000 Prozent Rendite erzielte. Anschließend umrundete er zweimal die Welt. 1998 gründete der Groß­investor seinen eigenen Rohstoffindex (Rogers International Commodity Index, RICI). 2008 ver­kaufte er sein Wohneigentum in New York und zog nach Singapur.

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