Euro am Sonntag-Exklusiv

Lamborghini-Chefdesigner Borkert: Wir sind "fast and furious"

12.11.18 07:00 Uhr

Lamborghini-Chefdesigner Borkert: Wir sind "fast and furious" | finanzen.net

Mit dem Design des ersten Geländewagens ist Mitja Borkert ganz bei Lamborghini angekommen. Der 44-Jährige über das Image der italienischen Sportwagen-Ikone und die Ära des Wow-Effekts.

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von Michael Hannwacker, Euro am Sonntag

Mitja Borkert, seit gut zwei Jahren Chefdesigner der italienischen Macho-Marke Lamborghini, empfängt im "Centro Stile" des Werks in Sant’Agata Bolognese, einer unauffälligen Kleinstadt zwischen Modena und Bologna. "Wir sind hier im Hochsicherheits­bereich", klärt er den Besucher über das zweistöckige Loft in der verglasten Galerie des Designzentrums der Marke auf. "Dies ist der Ort, wo wir Lamborghini designen für die nächste Generation."



Als Inspirationsquellen hat Borkert an diesem Morgen Geschichte und Zukunft der Marke in seinem Büro versammelt. Zum Beispiel das erste Modell von Ferruccio Lamborghini, "für mich ein Elon Musk der 60er", oder eine frühe Version des Countach von 1973, den "wir uns nachgebaut haben, weil ich diese DNA inhalieren muss, wenn ich morgens hier reinkomme". Beiden antwortet gewissermaßen Borkerts aufsehen­erregende Elektroautostudie Terzo Millennio, die das vor 55 Jahren vom Gründer for­mulierte und von Borkert zitierte Firmencredo bestätigt: Lamborghini müsse immer ein Traumwagen bleiben.

Das soll auch für den Urus gelten, das Meisterstück des Deutschen für Lamborghini. 204.000 Euro kostet der erste SUV aus der Supercars-Fabrik. Und er ist ein fulminanter Erfolg: Schon in diesem Frühjahr war die Jahresproduktion von 3.500 Stück ausverkauft. Inzwischen sieht man ihn auch bereits auf deutschen Straßen.


€uro am Sonntag: Wichtigste Frage zuerst: Warum sind Lamborghinis so verflucht teuer?
Mitja Borkert:
Wir sind nur eine Familie von 1.600 hoch motivierten Mitarbeitern. Und natürlich kann eine so kleine Marke nur eine kleine Anzahl Autos bauen. Wir haben verschiedene Level, auf denen wir Kunden bedienen, vom Huracán über den Urus und Aventador bis zu limitierten Editionen und - damit beginnen wir gerade - Einzelstücken. Mit unserem "Ad Personam"-Programm bieten wir sogar eine taylor-­made-Betreuung an, bei der ein Kunde sein Fahrzeug nach seinen Wünschen ganz individuell gestalten kann.

Welchen Teil am Erfolg hat das Design?
Dafür wird man keine Formel finden, das versucht die Branche seit Jahrzehnten vergeblich. Aber wenn ein Kunde für eine Einzelanfertigung hierherkommt und weiß, dieses talentierte Designerteam, das arbeitet nur für mich und denkt sich nur für mich eine neue Challenge aus, hat das natürlich einen besonderen Nimbus. Das ist in meinen Augen wie Haute Couture in Paris.


Wer sind denn diese Kunden?
Jedenfalls keine gesetzten Senioren. Bei unseren Wettbewerbern sind die Kunden im Durchschnitt 55, bei uns kann man gut 15 Jahre abziehen. Und speziell in Asien sind sie richtig jung, zum Teil unter 30. Das ist ein echtes Geschenk für Lamborghini. Wir haben auf Instagram fast 15 Millionen Follower, deutlich mehr als die Konkurrenz. Aus meiner Sicht ist das zu einem nicht unbedeutenden Teil zurückzuführen auf den kreativen Output meines Teams …

… das wie groß ist?
Derzeit nur 20 Leute plus etliche Externe. Wir sind ein relativ kleines Team. Aber wir sind "fast and furious".

Was genau macht das Erscheinungsbild bei Lamborghini aus?
Es gibt wohl nur ganz wenige Autos oder Marken, die sich bereits über die Silhouette verraten: Lamborghini, Porsche 911 und Volkswagen Käfer. Und Lamborghini hat hier vielleicht den größten Wiedererkennungswert. Das ist die Magie unserer Marke. Diese Linie müssen wir halten, ansonsten gilt: Expect the unexpected.

So unerwartet wie ein SUV?
Lamborghini steht seit jeher für unterschiedlichste Konzepte, das viersitzige Mittelmotor-Coupé Urraco von 1973 etwa oder den LM002 von 1986, ein sehr eigenständiger Geländewagen. Das sind Skulpturen von extremen Proportionen, aber so begehrenswert, dass man sich als Fahrer dem auch ein Stück weit unterordnet. Diesen Grundsatz haben wir auch beim Urus angewendet, ohne auf Alltagstauglichkeit zu verzichten.

War das ein Wunsch der Konzern­leitung: ein Auto, das Lamborghini sagt, aber im Fond Platz für Kinder hat?
Nein, jeder Konzernteil ist ja für sich selbst verantwortlich. Und die Geschichte zeigt, dass Lamborghini mehr kann als Supersportwagen. Wir haben bewiesen, dass die Marke, die noch vor wenigen Jahren nur einige Hundert Fahrzeuge im Jahr abgesetzt hat, heute von einem Modell 3.500 Autos verkaufen kann. Natürlich wollten wir unsere Palette erweitern, aber immer getreu unserer DNA. Der Urus verkörpert sie in allen Eigenschaften: die Proportionen, das coole Design, der überlegene Motor. Andererseits bietet er ausreichend Raum für vier bis fünf Personen, mindestens 616 Liter Kofferraum, also ein alltagsfähiges Auto. Aber, getreu nach Ferruccio Lamborghini, immer noch ein Traumwagen.

Warum sind Sie überhaupt von ­Zuffenhausen nach Sant’Agata Bolo­gnese gewechselt?
Lamborghini war für mich schon während der Zeit bei Porsche etwas ganz ­Besonderes, ich habe verfolgt, was Luc Donckerwolke (belgischer Automobil­designer, Anm. d. Red.) hier gemacht hat. Bei jeder Messe war Lamborghini einer der ersten Anlaufpunkte, weil ich immer wissen wollte, wie die neuen Modelle aussehen. Und dann wurde ich gefragt, ob ich zu Lamborghini gehen wolle. Am nächsten Tag gab es nur noch Parmaschinken, Parmigiano und Lambrusco.

Mal ehrlich: Hat der Dachkonzern Volkswagen vielleicht auch deshalb ­einen Deutschen als Chefdesigner beim italienischen Exoten eingesetzt, um die Marke ein bisschen zu zügeln?
Definitiv nein. Design ist ein Teamsport. Und dies immer sehr international. Bei uns arbeitet ein - natürlich - südländisch geprägtes Team, meine Jungs kommen aus Italien, Argentinien, Portugal, Kroatien, Serbien, Bulgarien und Polen. Wenn ich hier als supersteifer Deutscher aufträte, würde es nicht funktionieren. Ich bin hier nicht als Mitja unterwegs, der sein eigenes Ding machen, sondern als Designer, der die schönsten Lamborghinis aller Zeiten realisieren will. Und wir haben jetzt mit dem Urus oder dem Terzo Millennio gezeigt, dass die Ära des Wow-Effekts nicht vorüber ist.

Trotzdem: Wie passt denn so etwas Extravagantes wie die Supersport­wagen aus Sant’Agata in die Strategie des Dachkonzerns?
Ich weiß, dass Herbert Diess (VW-Vorstandschef, Anm. d. Red.) ein Riesen-­Lamborghini-Fan ist, und außerdem, dass jede Marke im Konzern ihren eigenen Charakter bewahren soll. Ich denke nie an eine Formensprache bei VW, weil das eben nichts zu tun hat mit dem, was Bentley macht oder Lamborghini. Jede Marke muss wissen, wofür sie steht.

Und da sagt niemand, mach doch mal die Haube höher, dann gehen da mehr Koffer rein?
Nein, unsere Autos müssen immer - ob beim CEO, unseren Kunden oder Fans - den Wow-Effekt erzeugen.

Sie dürfen also Visionen haben?
Sonst brauchte ich nicht zur Arbeit zu kommen. Das ist ja Teil unserer DNA. Nehmen Sie den Terzo Millennio. Wir wissen nicht, ob Elektroautomobilität in zehn Jahren überhaupt ein Thema ist. Aber heute ist es das große Thema. Und mir war es wichtig, dass Lamborghini hier Zeichen setzt. Das ist wie damals mit dem Miura. Ferruccio Lamborghini hatte ein Chassis mit quer eingebautem Zwölfzylinder und fragte dann: Wo sind die Designer, die mir dieses Auto schön machen? Beim Terzo Millennio haben wir den Spieß umgedreht: Das Design ist da und bohrt in der Wunde Architekturveränderung in der Elektroautomobilität. Und jetzt suche ich die Ingenieure, die dieses Auto Realität werden lassen. Die Maschinen existieren bereits. Alles, was man für dieses Auto braucht, existiert.

Zum Beispiel?
Heute wandern die Batterien immer unter den Fahrer. Das aber wäre der Tod des Supersportwagens, den ja auch die niedrige Sitzposition ausmacht. Also schieben wir Batterien nach vorn in die Nase und nach hinten, wo heute der Zwölfzylinder säße. Das ist für mich ein Statement. Was auch cool ist: Die Hülle ist aus einem neuartigen Carbon, das wir hier in Sant’Agata Bolognese entwickelt haben. Man kann Nanotubes einfügen, Anoden, Kathoden, das heißt, die Außenhaut fungiert als Energiespeicher. Außerdem zeigt sie Schäden an, ist aber self-healing: Wenn es irgendwo reißt, finden sich die Strukturen wieder zusammen. Im Bereich neue Materialien und Energiespeicher haben wir mit zwei Laboratorien des MIT in Boston kooperiert. Deshalb haben wir dieses Modell nicht auf einer klassischen Automesse präsentiert, sondern nach Boston transportiert, die Pressekonferenz in einem "Klassenzimmer" gehalten und es dann draußen auf dem Campus gezeigt. Und das Feedback war unglaublich.

Wird der Terzo Millennio noch das Lamborghini-Geräusch machen? Ein anderes. Und das Fahrerlebnis wird dank vier Elektromotoren außergewöhnlich sein. Wenn Sie mal Tesla gefahren sind und wissen, wie der beschleunigt, und das mal vier nehmen, dann können Sie es in etwa erahnen.

Wie lange braucht Lamborghini von der ersten Idee bis zur Serienreife?
Beim Urus, ein Fahrzeug, das sozusagen aus dem Stand gleich gegen die Besten seiner Klasse bestehen muss, hat es gut fünf Jahre gedauert. Das ist ein ungewöhnlich langer Zeitraum, der aber auch von Entscheidungsprozessen unterbrochen war. In der Regel dürfen in unserem Segment nicht mehr als drei Jahre vergehen. Beim Terzo Millennio war es sogar nur ein Jahr vom ersten ­Gedankenfunken bis zum heutigen Entwicklungsstand. Das ist der Speed heutzutage im Design. Als ich bei Porsche ­anfing, haben wir noch drei Monate an einem Kotflügel gearbeitet. Das muss ich heute viel schneller hinbiegen.

Wie definieren Sie die Unterschiede zu Ferrari, Ihrem wohl wichtigsten Lokalkonkurrenten?
Ferruccio Lamborghini hat damals bewusst entschieden, dass er nicht in den Rennsport will. Weil er der Überzeugung war, dass Ferrari damals alles für die Formel 1 ausgab und dafür die Qualität bei den Serienautos vernachlässigt hat. Dagegen steht Lamborghini für Vision, für Innovation, für Performance - Themen, die wir bis heute pushen. Das macht Lamborghini-Design für mich äußerst wertvoll. Weil die Form zwar ex­trem ist, aber auch so zeitlos. Es ist fast schon Weltkulturerbe. Ich kann jedenfalls nicht sehen, warum die Lamborghini-Silhouette in 100 Jahren nicht noch existent sein sollte.

Voraussetzung ist, dass sich Kunden auch dann noch mit dem Image von Lamborghini identifizieren. Was ist das eigentlich?
Gerade hier in der Emilia Romagna ist Lamborghini ein Teil der Kultur, auch weil das Unternehmen, die Menschen, die dafür arbeiten, bodenständig sind, enthusiastisch, talentiert. In dieser Region finden sich die besten Ingenieure, die gleichzeitig das schönste Engineering anstreben. Klar: Wenn man einen Lamborghini fährt, ist man immer im Mittelpunkt, weil die Leute Fotos machen wollen, auch auf der Autobahn. Aber die Kunden kaufen dieses Auto nicht deshalb. Sie kaufen es für sich. Es geht ihnen nicht darum, zu zeigen: "Schaut mal, ich hab’s geschafft", sondern weil es zu ihrer Welt gehört. Das Haus oder die Villa eines Lamborghini-­Besitzers ist genauso durchdesignt wie sein Auto, er verfügt über das Neueste an moderner Technik. Das sind junge, nette, innovative Leute, modebewusst: Ich weiß, dass wir Deutsche Lamborghini gern in eine Schublade stecken. Aber genau daran will ich auch arbeiten: an der Wahrnehmung.

Vita
"Fast and furious"
1974 als Sohn eines Lehrers im brandenburgischen Herzberg geboren, träumte Mitja Borkert schon in seiner Jugend davon, Autos zu gestalten. Er war 15, und es war Wendezeit, als er seinen ersten Porsche sah. Später studierte er Transportation Design an der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim und ging 1999 zu Porsche. Dort stieg er zum Director of ­Exterior Design auf und gestaltete Modelle wie den Panamera Sport Turismo, den Cayenne und den Macan mit. Seit April 2016 firmiert der ­Ostdeutsche als Head of Design bei ­Lamborghini. Borkert ist verheiratet und hat einen vierjährigen Sohn.







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