Interview

Max Otte: Gold ist ja nicht ganz verkehrt

aktualisiert 20.06.11 13:56 Uhr

Staaten vor der Pleite, Euro in der Krise, Banken am Pranger – Professor Max Otte nimmt im Interview mit Euro am Sonntag Stellung zu den drängenden Fragen der Zeit.

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von Martin Blümel, €uro am Sonntag

Sein bekanntestes Buch wurde erstmals 2006 veröffentlicht und heißt „Der Crash kommt“. Weil der Crash zwei Jahre später tatsächlich kam, ist der BWL-Professor, Autor und Fondsmanager Max Otte inzwischen gern gesehener und gelesener Experte zu Themen rund um die Finanzmärkte. Im Gespräch mit €uro am Sonntag geht er auf die Geldsorgen der Deutschen ein.

€uro am Sonntag: Gehen Sie eigentlich gern in Talkshows?
Max Otte:
Im Prinzip schon. Bei Anne Will war ich neulich.

Ist es nicht erstaunlich, wie viele Nicht-Fachleute sich in solchen Runden zu wichtigen Themen äußern dürfen?
Bei „Anne Will“ war zum Thema Eurokrise der Dramatiker Rolf Hochhuth dabei. Er hat die Runde belebt, sagen wir es mal so. Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Prob­lem ist, dass die wirklichen Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Finanzpolitik dort so selten sind. Sie werden kaum einen Topbanker bei Illner, Will oder Plasberg sehen. Deren Politik ist: Wir gehen dort nicht hin, wir machen weiter wie bisher, wir setzen unseren Willen ohnehin durch.


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Und warum gehen Sie dorthin?
Professor Hans-Werner Sinn ist einmal gefragt worden, ob er Einfluss auf die Bundesregierung habe. Er hat Nein gesagt, und ich glaube ihm das. Wenn er Einfluss hat, dann nur indirekt über das Meinungsbild der Öffentlichkeit. Darum geht er in Talkshows, und darum gehe ich da gelegentlich auch hin.

Bisweilen wird in diesen Runden ja auch der Kollaps gepredigt, was gerade bei der älteren Generation für Unruhe sorgt. Meine Frau Mama etwa würde wegen ­dieser Hysterie am liebsten alles Ersparte in Gold investieren.
Gold ist ja nicht ganz verkehrt. Von Weltuntergangsszenarien halte ich aber nichts. Brasilien hatte in den 90er-Jahren 1.000 Prozent Inflation und Schulden ohne Ende. Das haben sie in den Griff bekommen, und das Land ist mittlerweile eine Erfolgs­geschichte. Damit will ich nicht sagen, dass wir in Deutschland die beste ­aller Welten haben. Es wird noch mal einen Knall geben, aber nicht, wie einige befürchten, marodierende Horden, die durch Münchens Innenstadt ziehen. Trotzdem sollte man sich angesichts der hohen Verschuldung der Staaten gegen Krisen und Geldentwertung wappnen.

Gold kaufen?
Wenn Ihre Frau Mama einen seriösen Anbieter zur Hand hat, und wenn für sie Aktien nicht infrage kommen, dann spricht wenig dagegen, einen guten Teil des Ersparten in Gold anzulegen, gerade wenn man das Geld kurzfristig nicht benötigt. Gold ist nicht überbewertet, die Förderkosten liegen bei 1.000 Euro pro Unze. Das Risiko, real Geld zu verlieren, ist dadurch eher gering. Sollte es aber wirklich an den Märkten chaotisch werden, geht der Preis vermutlich weiter nach oben. So verkehrt ist Gold also nicht, Ihre Mutter könnte mit ihrem Geld Schlimmeres tun.

Sie sprechen von Geldentwertung. Pessimisten benutzen gar den Begriff Hyperinflation. Kann es so weit kommen?
Ich habe gerade das Buch „Das Ende des Geldes – Hyperinflation und ihre Folgen für die Menschen am Beispiel der Weimarer Republik“ von Adam Fergusson in Deutschland he­rausgegeben. Das dort beschriebene Szenario muss sich nicht unbedingt wiederholen. In einer Hyperinflation bräche die Wirtschaft zusammen. Dagegen spricht, dass Europa trotz aller Probleme besser dasteht als etwa Japan oder die USA, zumindest was die monetäre Seite angeht. Aber ob Hyperinflation oder „nur“ Zustände wie in den 70er-Jahren – dass eine Geldentwertung kommt, ist aus meiner Sicht absolut ausgemacht. Das heißt, mit Pfandbriefen, Lebensversicherungen oder Bargeld wird man real viel Geld verlieren.

Was ist mit der anderen großen Angst, der Furcht vor einer Währungsreform?
Solange es in Deutschland große Sparvermögen gibt und solange es die Industrien gibt, die wir haben, solange wird der Euro durch uns als Bürgen letztlich gestützt. Ich denke darum, dass wir die Gemeinschaftswährung noch länger haben werden, als einige denken. Mir wäre es anders lieber, aber das ist unrealistisch. Man wird ja nicht einmal die Randstaaten entlassen können. Solange die politische Klasse in Europa dahintersteht, bleibt der Euro zulasten der Bürger bestehen.

Warum aber dann die ganze Europanik?
Letztlich geht es doch gar nicht um die Währung selbst, es ist ja ­tatsächlich eine erneute Bankenrettung, die wir da sehen. Der Begriff Eurorettung ist eine geschickte Fehlbezeichnung.

Sind wir auf dem Weg in die Transferunion?
Wir sind schon mittendrin. Griechenland kann es allein nicht mehr schaffen, auch nicht durch die großen Sparanstrengungen. Damit hätten sie besser früher angefangen, statt jetzt, in der Krise, auf die Vollbremse zu treten. Und im Fall Irland ist es doch so: Die Banken verzocken sich, erpressen den Staat, der erpresst Europa, Irland wird rekapitalisiert, Europa erpresst Deutschland und wird von uns rekapitalisiert. Gleichzeitig aber weigert sich Irland, die Unternehmensteuern zu erhöhen und die Regulierung zu verbessern. Dabei könnte sich Irland selbst retten, die haben ein höheres Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Deutschland. Aber deren parasitäres Verhalten wird von Europa gestützt. Die Hand, die füttert, wird als Erstes gefressen, fällt mir dazu ein.

Das System lässt es anscheinend zu.
Ja. Die französische Spitzen­diplomatie hat ja schon bei den ­Vertragsverhandlungen zur Euroeinführung ganz andere Ziele gehabt als Deutschland. Frankreich hat die Klausel durchgesetzt, dass die Europäische Zentralbank direkt keine Staatsanleihen kaufen darf. Nicht direkt heißt für den Juristen indirekt. Das war Strategie. Und bei uns hat das keiner gemerkt oder man wollte es nicht merken. Und jetzt, zehn Jahre später, geht die Strategie für Frankreich auf.

Was sind die Konsequenzen?
Letztlich geht es darum, welcher Stil künftig die Wirtschafspolitik im Euroraum prägt. Ist es Deutschlands Wirtschaftskultur oder die der Weichwährungsländer? Die Tendenz geht zu Letzterem. Jedenfalls wird es bei Griechenland ohne einen Haircut nicht gehen, was signifikante Stützungspakete durch die EU erfordern wird, und der Bankenrettungsfonds wird wohl auch die eine oder andere Bank stützen müssen. Dass die Banken dann aber erneut keine Kosten tragen und erneut keine Verantwortung für ihre Geschäftspolitik übernehmen müssen – das geht doch nicht!

Über den Schuldenberg kommen wir dann zur Inflation? Oder doch zur Deflation?
Da bin ich mir nicht sicher. Wir leben in einer binären Welt. Wir haben inflationäre Geldmengen, Lebensmittel- und Rohstoffpreise, Blasen in verschiedensten Anlageklassen. Deflationär dagegen die Lohn­zurückhaltung, Kreditausfälle, die sinkende Geldumlaufgeschwindigkeit. Vielleicht kommt auch beides hintereinander, das ist seriös kaum zu sagen. Auf jeden Fall wird so oder so Geldvermögen vernichtet.

Was heißt das dann für den Anlagemix?
Ich glaube, dass beide Szenarien für Staatsanleihen schlecht sind. Bei Deflation gibt es Ausfälle bei Staatspapieren, weil Steuerbasis und Wirtschaftsleistung sinken. Und bei Inflation machen Anleihen und Barvermögen ohnehin keinen Sinn. Besser fährt man mit Aktien mit ­stabilem Geschäftsmodell und Preissetzungsmacht. So oder so ist auch Gold eine gute Anlage, das ist dann eine Frage der Gewichtung.

Schlussfrage: Sie haben beim Internethändler Amazon ein Buch von Sahra Wagenknecht recht wohlwollend rezensiert. Wie ist es dazu gekommen?
Frau Wagenknecht ist nicht mehr die Stalinistin, für die sie viele halten. Man merkt, dass sie für ihr neues Buch Ludwig Erhard und Wilhelm Röpke gelesen hat. Sie schreibt, dass das Vermögen der Superreichen in den vergangenen 20 Jahren ungefähr so stark gewachsen ist wie die Staatsschulden. Das ist spannend. John Kenneth Galbraith hat ja fest­gestellt: je ungleicher die Einkommens­verteilung, desto spekulativer die Wirtschaft. Eine etwas nivelliertere Einkommensverteilung ist letztlich gesünder. Wenn man sieht, was Leistungsträger der Gesellschaft, ob Assistenzärzte, Krankenschwestern oder Lehrer, im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ver­dienen, die sich dank Lobbymacht oder Gesetzgebung ganz andere Stücke vom Kuchen abschneiden, muss man sich schon fragen, ob Staat und Leistungsprinzip noch funktionieren. Die Partei, die das Leistungsprinzip am meisten im Mund führt, vertritt es jedenfalls am ­wenigsten.

zur Person:

Max Otte
(K)ein Prophet

Max Otte, Jahrgang 1964, ist Professor für BWL an der Fachhochschule Worms, Leiter des von ihm gegründeten Instituts für Vermögensentwicklung (IFVE) in Köln sowie unabhängiger Fondsmanager. Bekannt wurde Otte vor allem 2008 nach dem Beginn der Finanzkrise, die er in seinem zwei Jahre davor publizierten Buch „Der Crash kommt“ angekündigt hatte. Seither gilt er als ein „Crash-Prophet“ – was ihm aber gar nicht recht ist. Otte setzt sich unter anderem für eine massive Regulierung der Finanzmärkte ein.

Investor-Info

Gold
Im Aufwärtstrend

„Es kann kein Fehler sein, etwas Cash und Gold zu halten“, sagt Max Otte. „Gold ist nicht überbewertet, die Förderkosten liegen bei 1.000 Euro pro Unze. Das Risiko, real Geld zu verlieren, ist dadurch eher gering. Sollte es aber wirklich chaotisch werden an den Märkten, geht der Preis vermutlich weiter nach oben.“ Der Aufwärtstrend ist in der Tat intakt – die härteste Barriere der vergangenen fünf Jahre, die 1.000-Dollar-Marke, wurde im Herbst 2009 nachhaltig durchbrochen. Und die meisten Rohstoffexperten sehen Gold weiter im Aufwind. Commerzbank-Experte Eugen Weinberg rechnet mit einem leichten Anstieg auf 1.600 Dollar bis Ende des Jahres. Die Deutsche Bank geht von 2.000 Dollar aus.

Aktien
Max Ottes Favoriten

Zu den Aktien, die Otte derzeit schätzt, gehört Nestlé –für ihn das beste Schwellenländer-Investment überhaupt, da das Unternehmen in vielen dieser Länder schon seit über 100 Jahren präsent ist und seine Produkte dort nun auch erschwinglich werden. Otte: „Mit einem KGV von 16 und einer Dividendenrendite von 3,6 Prozent nicht zu teuer.“ Ein weiterer Otte-Favorit ist Barrick Gold. „Die Goldaktien hinken der Entwicklung des Goldpreises deutlich hinterher und haben Nachholbedarf“, sagt er. Der größte Goldförderer der Welt sei auch eine gute Absicherung gegen kommende Krisen. Besonders günstig findet Otte Salzgitter. Die Aktie notiert unter Buchwert, und das Unternehmen hat 1,5 Milliarden Euro Liquidität in der Bilanz stehen. Jedoch: „Salzgitter ist ein ausgesprochener Zykliker. Die Kurse können also auch mal Achterbahn fahren.“ Wegen des stetigen Wachstums und hoher Liquidität in der Bilanz gefällt ihm Rhön-Klinikum. „In einem harten Gesundheitsmarkt werden vor allem die größten und effizientesten Anbieter profitieren, und dazu gehört Rhön.“ Letzter Tipp ist KWS Saat – der Saatgutproduzent ist mit einem KGV von 16 nicht mehr billig, „aber eben auch nicht teuer“. Eine gute Aktie, um am Agrarboom zu partizipieren.

Fonds
PI Global Value Fonds

Max Ottes Fonds wird nach dem Value-Ansatz gemanagt: Investiert wird in unterbewertete Unternehmen guter Qualität. In der Regel sind das Bluechips. Mittlerweile hat Otte eine „deutliche“ Japan-Position aufgebaut und auch Investments in den europäischen Randstaaten getätigt. Vielleicht etwas zu früh, da beide Positionen zunächst gefallen sind, während sich DAX und MDAX besser gehalten haben. „Aber das ist ja das normale Geschäft der Value-Investoren“, erklärt Otte. „Wenn man in die Schwäche hineinkauft, geht es meistens erst mal noch weiter runter.“ Otte hält zudem zwölf Prozent Cash mit der Hoffnung auf Schnäppchen im Herbst.

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