Nemetschek-Chef Heider: Der Nachholbedarf ist enorm
Patrik Heider, der Chef von Nemetschek, Europas Nummer 1 für Architektur- und Bausoftware, über die schwierige Digitalisierung am Bau und die Strategie des Highflyers.
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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Milliardengrab Flughafen Berlin-Brandenburg, Kostenexplosion beim Bau der Elbphilharmonie in Hamburg - in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren viel über mögliche Ursachen für die teuren Bauflops der jüngeren Vergangenheit gerätselt.
Patrik Heider sieht als Chef der Münchner Nemetschek Group die mangelnde Vernetzung aller am Bau Beteiligten als eine wesentliche Ursache für das teure Versagen der Planer bei deutschen Großprojekten an.
Und Heider sollte es wissen. Denn Nemetschek entwickelt die Software, mit der sich Architekten und Bauingenieure vernetzen können, um sich sofort abzustimmen, wenn Gebäude, Brücken oder Tunnel am Computer digital geplant, gebaut und getestet werden. Seit Langem gilt der Sektor als großer Wachstumsmarkt. So ist Nemetschek mit jährlich zweistelligen Zuwächsen und zuletzt knapp 340 Millionen Euro Umsatz nicht nur Europas Nummer 1 für Architektur- und Bausoftware, sondern auch das derzeit am schnellsten wachsende Softwareunternehmen auf dem Kontinent.
Heider hat das Modell der Holding aus vielen spezialisierten Software-Unternehmen auch durch Zukäufe weiterentwickelt. Mit Erfolg: Seit er im März 2014 von außen an die Spitze des Unternehmens geholt wurde, bescherte der Konzern seinen Aktionären mehr als 300 Prozent Wertzuwachs.
€uro am Sonntag: Herr Heider, Nemetschek macht 80 Prozent seines Geschäfts mit Software für die Planung, den Bau und den Betrieb von großen Immobilien. Wie wird heute modern geplant und gebaut?
Patrik Heider: In fünf Dimensionen. Die Architekten übergeben ein dreidimensionales Computermodell der Immobilie an Ingenieure, die im Gebäude die Statik, Elektrik sowie Heizungs- und Sanitäranlagen planen. Darüber hinaus fügen die Ingenieure dem Modell gestalterische Details, Materialien, Brandschutzanforderungen, Isolierungen und die Gebäudestrukturen hinzu.
Und was sind die vierte und die fünfte Dimension in digitalen Projekten?
Das sind die Zeit- und Kostenplanung, die Baufirmen im Projekt hinzufügen. Kollaborationssoftware sorgt dafür, dass alle gleichzeitig am Projekt arbeiten können und über Änderungen unmittelbar informiert werden. Wenn der Bau fertiggestellt ist, erhält der Betreiber des Objekts ein digitales Paket mit allen Details. Bei der Bewirtschaftung entstehen meistens 80 Prozent der Kosten im Lebenszyklus der Immobilie. Deshalb ist dieses Paket sehr wertvoll.
Der für diese Planung notwendige Branchenstandard BIM* garantiert das verlustfreie Übertragen von Daten. Obwohl es BIM schon länger gibt, dominieren in den westlichen Industrieländern immer noch sogenannte 2-D-Projekte, die mit dem BIM-Standard nicht kompatibel sind. Weshalb?
Bei Digitalisierung und Software sind Architektur- und Bauunternehmen im Vergleich zur Autoindustrie, dem Spitzenreiter bei diesen Themen, zehn bis zwölf Jahre hinterher.
Und das, obwohl Nemetschek den Vorreiter des BIM-Standards schon 1997 auf den Markt brachte?
Bisher waren die Regularien nicht vorhanden. Bei Großprojekten wie der Elbphilharmonie in Hamburg oder am Berliner Großflughafen wurde nicht nach BIM-Standard geplant. Eine vorausschauende Kosten- und Zeitplanung ist so gar nicht möglich. Für Änderungen während des Bauprozesses ist ein viel größerer Aufwand nötig. Ohne realistische Zeit- und Kostenplanung laufen Projekte schnell aus dem Ruder. Die Kosten dafür zahlen beim Flughafen die Steuerzahler, bei anderen Gebäuden die privaten Bauherren.
Wo hat sich der Standard bewährt?
Etwa beim Eisenbahntunnel am Schweizer Gotthard-Massiv. Das Projekt blieb im Rahmen der geplanten Kosten und wurde ein halbes Jahr vor dem Zeitplan abgeschlossen.
Der Druck, den Standard bei großen Projekten vorzuschreiben, müsste damit eigentlich sehr hoch sein.
Seit Anfang dieses Jahres gibt es eine EU-Direktive, die BIM als Standard für staatliche Projekte vorschreibt. Gesetzlich bindend soll sie allerdings erst im Jahr 2020 sein.
Welche Stolpersteine für BIM liegen bei Architekten und Ingenieuren?
Zum Beispiel die Abrechnungsvorschriften für Architekten. Sie bieten keinen Anreiz für ein Interesse der Berufsgruppe an der digitalen Vernetzung eines Projekts. Das muss dringend geändert werden. Der Braubranche in Deutschland fehlt oft der Denkansatz, alle am Projekt Beteiligten digital einzubinden. Skandinavien ist viel weiter.
Wie stark wird Nemetschek von dieser Rückständigkeit ausgebremst?
Weiter greifende Vorschriften sind für uns zum Glück nicht das ausschlaggebende Element. Am wichtigsten sind Innovationen, dann folgt die Internationalisierung. Heute machen wir fast 70 Prozent unseres Umsatzes außerhalb Deutschlands und 27 Prozent in den USA. Dort ist noch sehr viel mehr möglich. So ist etwa Allplan, unsere größte Tochter, bisher nur in Europa präsent.
Und abseits vom Planen und dem Bau von Immobilien?
Erst ein Fünftel unseres Geschäfts sind Infrastrukturprojekte wie Tunnel, Straßen oder Brücken. Wir erwarten in diesem Segment in Amerika, Deutschland und Frankreich hohe Investitionen.
Im Dezember hat Nemetschek die erst 2011 gegründete norwegische Firma dRofus übernommen. Die Skandinavier sind ähnlich profitabel und haben ihren Umsatz 2016 um 40 Prozent gesteigert. Warum lässt sich dRofus aufkaufen?
Um global zu wachsen. Dafür sind große finanzielle Ressourcen und ein Kontaktnetz notwendig. Das bekommen die Firmen über unsere Gruppe. Im Gegenzug bekommen wir einen Spezialisten, der weiter unternehmerisch agieren kann. Deswegen setzen wir auf eine Holding als Führungsgesellschaft und auf eine Familie mit aktuell 14 Marken, deren Anzahl beständig erweitert wird.
dRofus vermietet Programme für das Planen und Verwalten von Daten via Web. War der Anbieter sogenannter Miet- oder Cloudsoftware schon früh auf Ihrem Radar?
dRofus und Solibri in Finnland waren Partner für unsere CAD-Marke Graphisoft. Solibri haben wir 2015 übernommen, weil sie Programme zur Authentifizierung von BIM-Projekten entwickeln. Mit ihrer Software werden mögliche Konflikte und Probleme beim Bau schon vor dem ersten Spatenstich analysiert.
Um seine Umsatzentwicklung besser zu planen, hat US-Konkurrent Autodesk sein Sortiment komplett auf Mietsoftware umgestellt. Die Kunden nutzen die internetbasierte Software im Abo. Wann baut auch Nemetschek um?
Wir richten uns nach den Wünschen des Kunden und drängen sie nicht in ein neues Geschäftsmodell. Unsere Software ist cloudfähig, und wir sind auch mit Apps am Markt. Fünf Prozent des Umsatzes sind Mietsoftware. Wir erwarten keine großen Verschiebungen zugunsten des Mietmodells.
Haben Sie Bedenken, dass mit US-Präsident Donald Trump Autodesk bei Ausschreibungen bevorzugt wird?
Nein. Wir haben ja sechs Marken, die in den USA beheimatet sind. Damit sind wir breiter aufgestellt als Wettbewerber und in allen Bereichen der Wertschöpfung präsent. In der Nutzerbasis wachsen wir dort stärker als die Konkurrenz.
Was macht kleine Ziele wie dRofus und Solibri für Nemetschek interessant?
Die Firmen haben innovative Software die sich leicht internationalisieren lässt. Ihr Umsatz sollte bei mindestens acht bis zehn Millionen Euro liegen. Die operative Marge sollte bei 18 bis 20 Prozent sein und das Potenzial haben, das Niveau der Gruppe, rund 26 Prozent, zu erreichen. Sehr wichtig ist auch ein starkes Management, damit sich die Marken ihre Märkte selbst erschließen können.
Wie viel Geld hat Ihre Firmengruppe denn aktuell für weitere Zukäufe zur Verfügung?
Wir wollen bei der Verschuldung das Dreifache des operativen Gewinns nicht überschreiten. So kommen wir aktuell auf insgesamt 200 Millionen Euro.
Im vorigen Jahr bekam der Vorstand einen Strategiechef. Warum?
Es erleichtert den Weg zu einer Strategieholding, um Potenziale und Synergien der Marken besser einzuschätzen.
Wie funktioniert die Kommunikation der Holding mit den einzelnen Marken?
Die Holding gibt vor, in welche Richtung das Portfolio internationalisiert wird. Wenn sich eine Marke etwa für Afrika interessieren würde, würden wir das prüfen, obwohl nach unserer Einschätzung Afrika derzeit für uns kein interessanter Markt ist. Europa, Amerika und Asien reichen für unsere Wachstumspläne aus. Die Holding legt darüber hinaus auch fest, wo und in welchem Umfang die Marken zusammenarbeiten.
Werden einige Marken aufgelöst?
Das sehe ich nicht. Alle Marken sind voneinander gut abgrenzbar.
Was können Aktionäre mittelfristig erwarten?
Wir wollen, ohne Berücksichtigung von Zukäufen, den Umsatz prozentual zweistellig pro Jahr steigern. Im Vorjahr sind wir mit elf bis 13 Prozent gestartet. Jetzt trauen wir uns 13 bis 15 Prozent zu, auch noch in drei bis vier Jahren.
Ein großes Thema ist auch die Profitabilität Ihres Unternehmens. Einige Analysten erwarten von Nemetschek 28 Prozent operative Marge.
Das ist nicht unrealistisch. Im Jahr 2016 betrug die Ebitda-Marge bereits 26,1 Prozent. Wachstum hat jedoch für uns Vorrang, weil dort der größte Mehrwert entsteht. Würden wir sehr hohe Margen anstreben, könnten wir unsere Wachstumsziele schon bald nicht mehr erreichen, weil wir zu wenig investiert hätten.
Wo liegt Ihrer Meinung nach das nachhaltige Niveau?
Zwischen 25 und 26 Prozent, solange das aktuelle Wachstumstempo beim Umsatz anhält. Das ist eine Marge, die nachhaltig erzielbar ist und mit der sich Nemetschek nicht verstecken muss. Angesichts des großen Nachholbedarfs der Industrie bei der Digitalisierung in Europa, Amerika und Japan sind die von uns angepeilten Zuwächse noch sehr lange möglich.
Nemetschek bietet dem Management und seinen Mitarbeitern keine Optionen auf Aktien. Was sind die Gründe?
Wir wollen die Liquidität der Aktie sichern und beständig ausbauen. Durch Aktienoptionsprogramme würde sie eher schrumpfen. Wir erreichen das Ziel, loyale Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, über entsprechende Vergütungsregelungen. Die gleichen Regeln gelten auch für den Vorstand.
VITA:
Patrik Heider
Der 43-jährige Betriebswirt hat an der Fachhochschule in Konstanz studiert. Seine Karriere startete Heider beim Beraterkonzern PWC Consulting, später wechselte er zu IBM Global Services. Vor seinem Einstieg bei Nemetschek war Heider als Finanzchef bei der Hoffmann Holding, einem Schweizer Hersteller professioneller Werkzeuge, für die Akquisitionsstrategie verantwortlich.
Die Aktie:
Bestleistung
Für treue Nemetschek-Aktionäre lässt der Vergleich wenig Wünsche offen. Seit Patrik Heider im März 2014 Chef des Entwicklers von Software für Architekten und Bauingenieure wurde, bescherten die Papier der TecDAX-Firma Anteilseignern rund 330 Prozent Wertzuwachs. Der Index legte in der gleichen Zeit um 60 Prozent zu. Vor Heiders Zeit waren bei Nemetschek Wechsel an der Spitze häufig.
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Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: Nemetschek SE
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15.11.2024 | Nemetschek SE Neutral | Goldman Sachs Group Inc. | |
13.11.2024 | Nemetschek SE Reduce | Baader Bank | |
11.11.2024 | Nemetschek SE Hold | Deutsche Bank AG | |
11.11.2024 | Nemetschek SE Neutral | UBS AG | |
08.11.2024 | Nemetschek SE Verkaufen | DZ BANK |
Datum | Rating | Analyst | |
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08.11.2024 | Nemetschek SE Overweight | Barclays Capital | |
07.10.2024 | Nemetschek SE Overweight | Barclays Capital | |
06.08.2024 | Nemetschek SE Buy | UBS AG | |
31.07.2024 | Nemetschek SE Buy | UBS AG | |
24.07.2024 | Nemetschek SE Buy | UBS AG |
Datum | Rating | Analyst | |
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15.11.2024 | Nemetschek SE Neutral | Goldman Sachs Group Inc. | |
11.11.2024 | Nemetschek SE Hold | Deutsche Bank AG | |
11.11.2024 | Nemetschek SE Neutral | UBS AG | |
07.11.2024 | Nemetschek SE Hold | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
07.11.2024 | Nemetschek SE Hold | Warburg Research |
Datum | Rating | Analyst | |
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13.11.2024 | Nemetschek SE Reduce | Baader Bank | |
08.11.2024 | Nemetschek SE Verkaufen | DZ BANK | |
07.11.2024 | Nemetschek SE Reduce | Baader Bank | |
13.09.2024 | Nemetschek SE Reduce | Baader Bank | |
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