Der Kapitalfluss ändert viel

Rückversicherer: Schadenfälle der besonderen Art

15.01.14 19:00 Uhr

Trotz hoher Schäden durch Naturkatastrophen in Europa sinken die Prämien für den Versicherungsschutz. Denn neue Wettbewerber drängen in den Markt. Wer weiterhin oben schwimmt.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Die Autobahn bei Deggendorf war einfach weg. Bis auf den Grünstreifen in der Mitte. Fischerdorf, ein Teil der niederbayerischen Stadt, wurde nach Deichbrüchen von Donau und Isar komplett unter Wasser gesetzt. Auch Georg Scheßls Hotelgaststätte ging buchstäblich unter. Inzwischen wird sein Georgenhof renoviert. Das Wohnhaus aber konnte Scheßl nicht retten. Gesamtschaden: drei Millionen Euro. Wenn es schlecht läuft, bleiben 400.000 Euro Schulden. Dennoch will sich der Gastronom nicht beschweren. Jammern bringe ihn nicht weiter, sagte er der Lokalpresse.

Für Betroffene wie Scheßl ist jetzt Hilfe in Sicht. Am Jahresanfang hat die EU die Auszahlung des von der Bundesregierung aufgelegten Flutfonds über acht Milliarden Euro freigegeben. Ende Januar soll das erste Geld fließen - allein 1,5 Milliarden Euro für beschädigte Infrastruktur wie Straßen oder Stromleitungen.

Die Versicherungsbranche hat das große Wasser vom vergangenen Sommer in Deutschland 1,8 Milliarden Euro gekostet, meldete der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft soeben. Deutlich schwerer jedoch als die Flutschäden wiegen in den Bilanzen der Versicherungskonzerne die Schäden durch die Hagelstürme von Sommer bis Frühherbst: Fast die Hälfte der sieben Milliarden Euro Gesamtversicherungsschäden für das abgelaufene Jahr in Deutschland gingen auf eisige Schauer zurück. Denn bei Hagel sind über 90 Prozent des Gesamtschadens versichert - bei der Flut im Juni war es nur ein Drittel.

2013 war besonders teuer
Mit fast zehn Milliarden Euro Versicherungsschaden durch Naturkatastrophen war das vergangene Jahr für Versicherer in Europa besonders teuer - bis zuletzt: Die versicherten Schäden, die die Orkane Xaver und Dirk im Dezember verursachten, werden auf 800 Millionen Euro geschätzt. Den gesamten volkswirtschaftlichen Schaden einschließlich der nicht versicherten Zerstörungen beziffert US-Versicherungsmakler Aon Benfield auf mindestens 1,65 Milliarden Euro.

Zu Jahresbeginn steht traditionell die Hälfte der Rückversicherungsverträge zur Verlängerung an. Teure Schäden, hohe Prämien im kommenden Jahr - so lautete jahrelang das Kalkül in der Branche. Nach den hohen Zahlungen der Versicherer hatten die Rückversicherer, also die Versicherer von Gesellschaften wie der Allianz, deshalb auf eine Trendwende bei der Entwicklung der Prämien gehofft. Assekuranzen wie der globale Marktführer Munich Re, die Nummer 2 Swiss Re oder die Nummer 3 Hannover Rück nehmen Erstversicherern einen erheblichen Teil ihrer Verpflichtungen ab. In der Branche sind Rückversicherer so etwas wie Großhändler von Risiken.

Abermals scheint es den Rückversicherern jedoch nicht zu gelingen, höhere Prämien mit den Kunden auszuhandeln. Im Gegenteil - womöglich werden Rückversicherungen nochmals billiger. "Die Rückversicherer wollen mehr Geschäft machen, als die Erstversicherer nachfragen. Das spricht für niedrigere Prämien", sagt Ulrich Wallin, Chef der Hannover Rück. Munich Re und Swiss Re werden sich erst im Frühjahr zu ihren Erwartungen äußern.

Neue kapitalstarke Spieler
Verstärkt wird der Preisdruck dadurch, dass neue Anbieter aus dem weltgrößten Versicherungsmarkt, den USA, nach Europa drängen. Frisch im Spiel sind kapitalstarke Pensionsfonds und andere institutionelle Anleger, die Versicherungen für große Einzelrisiken anbieten. Das geschieht in der Regel über ­Spezialkonstruktionen wie verbriefte Rückversicherungen oder Kata­strophenanleihen (Cat Bonds), die zu den sogenannten Insurance Linked Securities (ILS) zählen (siehe Glossar).

Das Prinzip dieser Anleihen ist einfach: Kommt es bis zum Ende der Laufzeit zu einer Naturkatastrophe, behält der Versicherer das Geld der Investoren und kann damit den Schaden regeln. Tritt die Katastrophe nicht ein, erhalten die Anleger neben den jährlichen Risikozinsen auch ihre Einlage zurück.

Der schnell wachsende Markt hat im vergangenen Jahr mit 36 Neu­emissionen und ausstehenden Anleihen im Gesamtwert von 20,5 Milliarden Dollar neue Rekorde erreicht. Dieser neue Kapitalstrom verändert die Regeln im traditionellen Geschäft - Rückversicherer haben jetzt eine größere Konkurrenz. Zu den Emittenten der Cat Bonds gehören beispielsweise auch Erstversicherer wie Allianz oder AXA.

Auch Rückversicherer selbst wagen sich in den Markt. Im Dezember platzierte Munich Re über die US-Tochter American Modern einen Cat Bond im Volumen von 75 Millionen Dollar zur Absicherung gegen Hurrikanschäden.
Kein Einzelfall: Zwei Drittel dieser Anleihen sichern Risiken durch Hurrikane in den USA ab - ein Klumpenrisiko. Würde ein Supertaifun wie Haiyan, der vor zwei Monaten die Philippinen verwüstete, auf Regionen wie Florida mit einer hohen Versicherungsdichte treffen, drohten nach Schätzungen von Experten der ILS-Handelsplattform Artemis 200  Milliarden Dollar Versicherungsschäden - mit verheerender Auswirkung für die Assekuranzen.

Weiterhin solide Kapitalrenditen
Den anhaltenden Preisdruck bei den Prämien stecken die großen Rückversicherer bislang dennoch gut weg. Global aufgestellte Konzerne konnten sinkende Prämien mit geringeren Schadensaufwendungen dämpfen und erreichten dadurch günstigere Schaden-Kosten-Quoten (siehe Glossar). Zudem verfügen große Gesellschaften wie Munich Re über hohe Kapitalreserven. Sie können es sich leisten, auf unrentables Geschäft zu verzichten. Da­neben suchen sie am Kapitalmarkt erfolgreich Anlagemöglichkeiten, etwa im Bereich Infrastruktur.

Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite der Branche, ein Maß für die Profitabilität, lag nach den ersten neun Monaten 2013 trotz des negativen Prämientrends bei soliden 11,4 Prozent. Zur Einordnung: Marktführer Munich Re schloss 2011 - dem bisherigen Rekordjahr für Katastrophen mit weltweit über 85 Milliarden Euro an versicherten Schäden - mit drei Prozent Kapitalrendite ab.

2013 war für die Branche also nicht schlecht. Gastronom Scheßl aus Fischerdorf aber hat erst seit ein paar Tagen wieder warmes Wasser. Er wird das Jahr nicht vergessen.

Glossar

Schaden-Kosten-Quote
Die Schaden-Kosten-Quote ist das Verhältnis von Schadenaufwand zu Prämieneinnahmen einer Versicherung. Eine Zahl kleiner als eins oder unter 100 Prozent zeigt, dass die Prämieneinnahmen höher sind als der Aufwand. Damit ist eine Versicherung für die Gesellschaft profitabel.

ILS
Insurance Linked Securities (ILS) sind verzinsliche Wertpapiere für Zahlungsansprüche gegenüber ­einer Zweckgesellschaft, die ihre Mittel ausschließlich zum Erwerb von Versicherungsrisiken verwendet. 90 Prozent davon sind Kata­strophenanleihen, kurz Cat Bonds. Die Anleihen sichern große Einzelrisiken ab. Die Wertentwicklung ist wenig mit der von Aktien oder Anleihen korreliert.

Investor-Info

Versicherungsschäden
In Europa besonders hoch

Weltweit haben sich die Zahlungen der Versicherer 2013 nahezu halbiert: knapp 33 Milliarden Euro im Vergleich zu 60 Milliarden im Vorjahr. Europa war mit den weltweit teuersten Katastrophen und mehr als sieben Milliarden Euro Schaden stark betroffen.










Munich Re
Große Aktienrückkäufe

Der Branchenprimus ist nicht gezwungen, zugunsten von Wachstum wenig profitables Geschäft zu zeichnen. Im Herbst wurde ein Aktienrückkauf im Gesamtwert von einer Milliarde Euro gestartet. Nach Abschluss des Programms zur Hauptversammlung am 30. April dürfte ein zweites in gleicher Größenordnung folgen. Attraktiv.

Hannover Rück
Hohe Kapitalrendite

Trotz der hohen Schäden für Versicherer in Europa sind von den 625 Millionen Euro, die Hannover Rück für 2013 reserviert hatte, noch 75 Millionen übrig. Mit 13,4 Prozent sollte die Eigenkapitalrendite für das Jahr höher liegen als bei Munich Re (11,5 Prozent) und Swiss Re (11,9 Prozent). Aussichtsreich.

Swiss Re
Sonderdividende möglich

Im Vergleich zu Munich Re und Hannover Rück mit leichten Gewinnzuwächsen erwarten Analysten bei Swiss Re für 2014 ein Fünftel weniger Gewinn.
Anfang November wurde jedoch eine Sonderdividende in Aussicht gestellt. Die Berenberg Bank erwartet zusätzliche 2,67 Euro pro Aktie. Halten.

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