Geldanlage-Report Armin Brack

Siemens: Sind die goldenen Zeiten schon vorbei?

17.02.12 09:33 Uhr

Siemens: Sind die goldenen Zeiten schon vorbei? | finanzen.net

War das ein Holperstart ins neue Geschäftsjahr für das deutsche Industrieflaggschiff:

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Im ersten Quartal 2011/2012 sank der Auftragseingang im Vergleich zum Vorjahresquartal um fünf Prozent auf 19,8 Milliarden Euro. Der Umsatz kletterte zwar leicht um rund zwei Prozent auf 17,9 Milliarden Euro, aber die Gewinnentwicklung bereitet Sorgen: Das Ergebnis der vier Kerngeschäftsfelder Industrie, Energie, Gesundheit sowie Infrastruktur und Städte ging mit minus 23 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro deutlicher zurück als von Analysten erwartet.

Aus den fortgeführten Aktivitäten fiel der Gewinn sogar um 27 Prozent von 1,85 Milliarden Euro auf 1,36 Milliarden Euro. Unter dem Strich steht ein Überschuss von 1,64 Euro je Siemens-Aktie nach zuvor 1,97 Euro.

Was ist von den Zahlen zu halten? Ganz klar: Es wird ein schwieriges Jahr für Siemens, das konjunkturelle Umfeld sorgt für Gegenwind. Vor allem der Bereich erneuerbare Energien macht Probleme. Verluste von 48 Millionen Euro aufgrund gestiegener Personalkosten und einem harten Preiskampf mussten verbucht werden. Der neue Sektor Infrastructure & Cities wurde zudem durch Verzögerungen bei der Zulassung des Zuges Velaro D belastet.

Siemens bekräftigt den Jahresausblick

Dennoch: Der Konzern bekräftigte seinen Jahresausblick, strebt weiterhin ein Umsatzplus zwischen drei und fünf Prozent und einen Auftragseingang über den Erlösen an. Der Gewinn aus fortgeführtem Geschäft soll sechs Milliarden Euro erreichen und der Jahresumsatz um drei bis fünf Prozent wachsen. Ist das zu ambitioniert?

Ich denke nicht. Die Ziele, die Siemens sich selbst gesetzt hat, scheinen noch erreichbar zu sein. Auch wenn im Hinblick auf die Auftragslage unschöne Erinnerungen an die Vergangenheit geweckt worden sind. Positiv: An den Kosten (F&E, Vertrieb) kann noch geschraubt werden, die sind zweifelsfrei zu hoch. Und: Im Vergleich zur Peer Group ist das Siemens-Papier niedrig bewertet.

Tatsache ist: Nicht nur die Geschäfte von Siemens gehen schlechter, auch die Konkurrenz leidet. Das zeigt das Beispiel Philips. Im vierten Quartal des abgelaufenen Geschäftsjahres hat der niederländische Konzern den Umsatz zwar leicht auf 6,7 Milliarden Euro gesteigert. Unter dem Strich steht allerdings ein Verlust von 160 Millionen Euro. Im Vorjahr hatte Philips noch 465 Millionen verdient.

Vergleicht man beide Unternehmen, steht Siemens wesentlich besser da. Die Auftragslage von Philips ist noch komplizierter als die von Siemens. Philips leidet viel massiver als der deutsche Konzern daran, dass Mittelstand und Industriekunden sich in der akuten Schuldenkrise zunehmend zurückzuhaltend scheinen. Finanzierungsengpässe und Unsicherheiten über die weitere Entwicklung hemmen die Nachfrage.

„Man muss sehen: Die goldenen Zeiten sind vorbei, in denen man immer mit zweistelligen Wachstumsraten rechnen konnte“, meinte Siemens-Vorstandschef Peter Löscher.

„Der Markt wird kurzfristig hart umkämpft bleiben.“ Wer will Löscher da widersprechen? Zweistellige Wachstumsraten erwartet aber auch keiner mehr von Siemens. Wichtig ist, dass es trotz der makroökonomischen Unsicherheiten keine weiteren Einbrüche beim Auftragseingang gibt.

Die Entwicklung in Europa, USA und in China sollten Anleger dabei besonders im Blick haben. Löscher geht von einer „milden Rezession“ für Europa aus – übersetzt heißt das: Das Schlimmste haben wir überstanden. Die USA sollten stabil bleiben, die Entwicklungsländer weiter positiv überraschen.

Obwohl der Umsatz im ersten Quartal in China um vier Prozent sank, stieg er in den Schwellenländern insgesamt um acht Prozent und stand damit bereits für ein Drittel des gesamten Konzernumsatzes.

MEIN FAZIT:

- Siemens hat die Anleger enttäuscht, das sollte jedoch kein Dauerzustand werden. Dafür ist der Konzern international zu solide aufgestellt. Nach einer schwierigen Gewinn- und Umsatz-Entwicklung im laufenden Quartal erwarte ich in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres eine leichte Erholung.

- Gründe: Die Nachfrage in China dürfte in den nächsten Quartalen wieder anziehen. Damit rechnet nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch die meisten führenden Analysten. Hinzu kommt: Für den Sorge bereitenden Bereich der regenerativen Energien bahnen sich Lösungen an.

- Siemens ist Marktführer bei Windkraftanlagen auf hoher See. Die Anbindung der Windparks an das Festland verzögerte sich zuletzt. Das wiederum kostete Geld. Siemens schrieb deswegen 203 Millionen Euro ab. Inzwischen hat es hoffnungsvoll stimmende politische Gespräche wegen der regulatorischen Hürden gegeben.

- Auf Basis des EV/EBITDA-Verhältnisses wird das Papier mit einem etwa 25-prozentigen Abschlag gegenüber der Peer Group gehandelt. Das erscheint mir ungerechtfertigt zu sein. Ein vorsichtiges Heranpirschen der Aktie an den Widerstand bei 80 Euro sollte nicht lange auf sich warten lassen. Erst recht dann nicht, wenn der Stimmungswandel an den Börsen weiter anhält.

Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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