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Coltan & Co: Harter Kampf um Seltene Erden

aktualisiert 09.05.12 13:34 Uhr

In der Demokratischen Republik Kongo gibt es keine wirkliche Demokratie, viel Gewalt - aber auch wertvolle Rohstoffe wie Coltan. Ein Besuch im schwarzen Herzen Afrikas.

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von Andrea Jeska, €uro am Sonntag

Die Landebahn von Walikale ist zugleich die Hauptstraße. Ein verdammt kurzes und kurviges Stück Strecke zwischen beängstigend nahe aneinanderstehenden Urwaldbäumen. Die sind nur so lange schön, bis die Maschine aus der Luft abgesunken ist und mit ihren Tragflächen gefühlte Millimeter an den Ästen vorbeischrammt. Eine falsche Neigung des Flugzeugs und die Passagiere sind tot. Ein wenig zu viel an Geschwindigkeit bei der Landung und die Marktbesucher von Walikale sind tot.

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Walikale ist eine Provinz im Ostkongo mit einer gleichnamigen Stadt und rund einhundert kleinen Dörfern zwischen dichten Wäldern, träge strömenden Flüssen und ausgedehnten Sümpfen. Eine Region, die stets Spitzenplätze einnimmt, wenn es darum geht, Gefahren, Menschenrechtsverletzungen, Chancenlosigkeit, HIV-Infektionen und andere Unmenschlichkeiten zu benennen. Selbst Kongolesen schwören, der liebe Gott selbst würde keinen Fuß nach Walikale setzen.

Kein Handy ohne Coltan
Rund einhundert Minen gibt es in diesem Gebiet, alle stehen unter der Kontrolle von bewaffneten Gruppen, und was die Arbeiter aus den Stollen hauen, aus den Flüssen waschen, nehmen ihnen zum größten Teil die Soldaten wieder ab. Ohne die Rohstoffe, die hier abgebaut werden, würde kein Handy, kein Flachbildschirm, kein Computer funktionieren. Fünf Milliarden Mobiltelefone gibt es inzwischen weltweit, allein im Jahr 2011 wurden 1,6 Milliarden neue Geräte verkauft. Ihr Innenleben wird aus 20 unterschiedlichen Metallen gespeist, darunter Eisen, Kupfer, Zink, Gold, Silber. Und Coltan — das ist die Kurzform für Columbit-Tantalit. Daraus wird Tantal gewonnen, ein Metall mit isolierenden Eigenschaften. Verwendet wird es für leistungsstarke Mikrokondensatoren in Mobiltelefonen. Der Preis für das Mineral stieg im vergangenen Jahr von 38 US-Dollar auf 95 US-Dollar pro Pfund.

15.000 bis 20.000 Menschen leben und arbeiten in Walikale. Sie wohnen in Unterkünften aus Ästen und Planen, rackern unter Tage und riskieren in ungesicherten Stollen ihr Leben. Für Coltan, Kassiterit, Wolfram und Gold. Für die verrückte Hoffnung auf ein wenig Reichtum. Auch der halbwüchsige Félicien kam, um im Bergbau zu arbeiten, nachdem seine Eltern gestorben waren. „Ich hatte gehört, auch Kinder verdienen hier viel Geld.“ Die Enge und die Hitze in den Stollen hielt der Junge nur wenige Tage aus. Jetzt ist er „Geschäftsmann“, sagt er und meint damit den illegalen Handel mit geklautem Gold. „Für mein Glück“, sagt er und es klingt wie ein schmutziges Wort. Das Gold bietet er flüsternd auf offener Straße an, toller Preis, garantierte Reinheit.

Walikale geriet 2008 in die internationalen Schlagzeilen, als Rebellen dort 378 Menschen vergewaltigten, Männer, Frauen, Alte, Kinder — wahllos und in aller Öffentlichkeit. Vergewaltigungen sind im Ostkongo an der Tagesordnung, doch diese geschahen fast unter den Augen der UN-Truppen. Das Verbrechen machte sehr deutlich, dass die marodierenden Gruppen die Macht haben und auch verteidigen.
Coltan gibt es nur in wenigen Gegenden der Welt, neben dem Kongo, der über 50 Prozent der weltweiten Vorkommen besitzt, noch in Australien und in Brasilien. Es könnte ein Segen für die Gegend sein, aber es ist ein Fluch. Nicht allein für die Arbeiter, die es mit primitiven Werkzeugen abbauen oder in Säcken zum Fluss schleppen und waschen, die in den Stollen, in denen es keine Sicherheitsstandards gibt, ihr Leben, ihre Gesundheit riskieren. Viele von ihnen sind noch Kinder, die jüngsten, die in die engen Stollen kriechen müssen, sind gerade mal zwölf Jahre alt.

Erlöse halten den Krieg am Leben
Die Mineralien sind auch ein Fluch für das gesamte Land, denn sie finanzieren die Gewalt, die seit 1998 in der Demokratischen Republik Kongo schätzungsweise fünf Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Zehntausende Frauen werden vergewaltigt, Kinder als Soldaten verschleppt, Dörfer angezündet, Felder verwüstet, die gesamte wirtschaftliche und zivile Infrastruktur des Ostkongos zerstört. Die Ausbeutung der Bodenschätze und die Kontrolle über die Minen sei erst der Grund für den Krieg und halte ihn am Leben, beklagt die amerikanische Menschenrechtsorganisation Enough Project. Sie hat errechnet, dass die verschiedenen bewaffneten Fraktionen im Ostkongo fast 225 Millionen Dollar pro Jahr aus dem Handel mit den Erzen erwirtschaften. In einer Gegend, in der eine AK-47 mit 500 Dollar gehandelt wird, kann man von diesem Geld viele Waffen kaufen.

Die Rohstoffhändler der westlichen Welt mischen kräftig mit bei dem blutigen Geschäft. Einer der im Kongo tätigen Konzerne ist das Schweizer Unternehmen Glencore, das sich gerade mit dem Bergbaukonzern Xstrata vereinigen will. Denn dann kann der Gigant, der dieses Jahr rund 210 Milliarden Dollar Umsatz machen wird, die gesamte Palette des Rohstoffgeschäfts abdecken: von der Förderung über den Transport bis zum Handel.

Glencore besitzt 75 Prozent der Anteile an einem der größten Minenunternehmen des Kongo: Katanga Mining Limited (KLM). Gemeinsam mit der südafrikanischen Bench-Marks-Stiftung klagt die Schweizer Hilfsorganisation „Brot für alle“ Glencore der Menschenrechtsverletzung, Ausbeutung und Steuerhinterziehung an. Laut ihrer Nachforschungen stammen die Schürf- und Abbaurechte von Glencore noch aus der Ära des Diktators Mobutu. Die Minen unterliegen keinen Sicherheitsstandards, Arbeiter sind weder versichert noch adäquat ausgestattet. Die Untersuchung berichtet von Todesopfern und katastrophaler Umweltverschmutzung. Glencores Verträge sollen es dem Konzern zudem erlauben, enorme Gewinne zu machen, ohne dass der kongolesische Staat angemessen profitiert. Auch Kinder habe der Gigant für sich arbeiten lassen. Im gesamten Minengebiet von Katanga hat die Bench-Marks-Stiftung eigenen Angaben zufolge 30.000 minderjährige Träger gezählt.

Industrieländer reagieren
In der internationalen Staatengemeinschaft regt sich Widerstand gegen die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Bereits im Jahr 2007 haben die acht großen Industrieländer auf ihrem Gipfel in Heiligendamm ein Pilotprogramm beschlossen, welches unter anderem die Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards bei der Rohstoffgewinnung zum Ziel hat. Auch Deutschland hat reagiert. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe arbeitet zusammen mit Ruanda an einem Projekt zur Zertifizierung von Handelsketten mineralischer Rohstoffe. Am weitesten sind die USA. Um Ankauf und Verwendung von „Blut-Coltan“ zu verhindern, müssen Mobilfunkfirmen seit Kurzem nachweisen, dass die Rohstoffe in ihren Geräten nicht aus Konfliktgebieten im Kongo und neun benachbarten Ländern stammen.

In Walikale ist von den verschiedenen Projekten und Programmen freilich noch nichts zu spüren. Félicien wird deshalb weiterhin illegal mit geklautem Gold handeln und sein Glück suchen. Finden wird er es wohl eher nicht.

Investor-Info

Coltan
Begehrtes Erz

Der Name Coltan leitet sich von der Mineralgruppe Columbit-Tantalit ab. Es wird geschätzt, dass 80 Prozent der weltweiten Vorkommen in Zentralafrika liegen. Aus Coltan wird vor allem das Metall Tantal (Ta) gewonnen. Dieses ist wegen seiner hohen Temperatur- und Korrosionsbeständigkeit in vielen Industrien begehrt. In der Mikroelektronik wird Tantal für die Produktion von kleinsten Kondensatoren mit hoher elektrischer Kapazität verwendet, welche für Mobiltelefone oder Laptops benötigt werden.

Kongo
Sehr schwach entwickelt

Die Demokratische Republik Kongo (von 1971 bis 1997 Zaïre) ist etwa 6,5-mal so groß wie Deutschland, mit 70 Millionen Einwohnern aber gering bevölkert. Das Land liegt auf Platz 126 des Weltentwicklungsindex. Nach einem Schuldenerlass im ­Januar 2010 kündigte die Regierung an, die Armut zu bekämpfen, die stark vom Öl abhängige Wirtschaft zu diversifizieren und das Investitionsklima zu verbessern. 2011 betrug das Wirtschaftswachstum 5,8 Prozent, wobei das Plus hauptsächlich durch ­höhere Produktionskapazitäten bei der Ölförderung entstand. Die Inflation blieb mit 6,0 Prozent relativ niedrig. Für die nächsten Jahre wird mit einem geringeren Wachstum gerechnet. Anleger, die auf den breiten Aufschwung des afrikanischen Kontinents setzen möchten, fahren mit dem BB African Opportunities (ISIN: LU 043 384 724 0) gut, der auf Unternehmen aus Ägypten, Südafrika und Kenia setzt. 

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