Euro am Sonntag-Titel

Gold gewinnt! Weshalb der Preis weiter steigt

07.08.16 21:50 Uhr

Gold gewinnt! Weshalb der Preis weiter steigt | finanzen.net

Das Edelmetall hat eine fulminante Rally hingelegt. Die setzt sich nach weiter fort - denn die Unsicherheitsfaktoren für Wirtschaft und Börse bleiben vielfältig.

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Rohstoffe

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von Oliver Ristau, Euro am Sonntag

Schlangen an den Schaltern. Das kann erfahrene Edelmetallhändler wie jene bei Degussa Goldhandel in Frankfurt nicht mehr überraschen. Doch was die Investoren an den ersten Tagen nach dem Votum der Briten zum Ausstieg aus der EU taten, war auch für Wolfgang ­Wrzesniok-Roßbach ein Novum.

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"Es gab Kunden, die vor der Abstimmung Gold bestellt haben und es nach der Wahl abholen wollten", berichtet der Chef von Degussa ­Goldhandel. "Als sie vor dem Schalter standen und sahen, dass der Preis post-Brexit um 14 Prozent gestiegen war, haben sie die Barren und Münzen direkt wieder verkauft, ohne sie in Empfang zu nehmen." Den schnellen Gewinn zu kassieren, das sei schon sehr ungewöhnlich für klassische Käufer von Goldmünzen und Barren, die ihre Stücke üblicherweise lange hielten, sagt Wrzesniok-­Roßbach, der auf drei Jahrzehnte im Geschäft zurückblickt.

Brexit sorgt für Kursexplosion

Aber auch der Preisanstieg in den Tagen nach dem Brexit war außergewöhnlich. "Wir haben uns die Historie angeschaut und keinen Zeitraum gefunden, in dem der Goldpreis so schnell so stark stieg", erzählt der Händler. Das Niveau wurde von vielen Kunden als so attraktiv erachtet, dass sie die Schalter auch stürmten, um ihren Goldschmuck loszuschlagen. Der Umsatz im Juli könnte wegen der vielen Verkäufe der höchste in der Firmengeschichte von Degussa Goldhandel werden. Üblicherweise werde sechsmal so viel Gold gekauft als verkauft - zuletzt habe sich die Relation mehr als halbiert. Eine Reihe von Kauf­interessenten bleibt an der Seitenlinie, wartet auf wieder fallende Preise.

Nicht nur bei deutschen Händlern oder vor den Goldshops und Banken in London, wo sich in den Tagen nach dem Anti-EU-Votum lange Schlangen bildeten, ging es in den vergangenen Monaten hoch her. Seit Jahresanfang steht das Edelmetall im Fokus der Investoren weltweit. Nach drei mageren Jahren von 2013 bis 2015, in denen es für den Goldpreis abwärtsging, hat sich die Stimmung 2016 spürbar gedreht.

Ein Plus von rund 26 Prozent steht seit Jahresbeginn zu Buche. Kaum eine andere Anlage kann da mithalten - mit Ausnahme der Aktien von Goldminenbetreibern, deren Kurse sich teilweise vervielfacht haben. Selbst unter den in diesem Jahr bisher auf breiter Front gut laufenden Rohstoffen sticht Gold heraus; lediglich Silber hat sich noch besser entwickelt.

Schmuckkäufer warten ab

Es ist dabei weniger die physische Nachfrage, die den Goldrausch befeuert. "Gold ist per se nicht knapp", erläutert Rohstoffexperte Eugen Weinberg von der Commerzbank. Anders als beispielsweise beim Rohöl wirken sich die Produktions- und Nachfragedaten nur bedingt auf den Preis aus.

So haben Inder und Chinesen in den Vorjahren bei 1.000 bis 1.200 Dollar je Feinunze Goldschmuck en masse gekauft, was den Preisverfall dämpfte. Ihre Nachfrage hat sich in den vergangenen Monaten abgekühlt. "Für diese Käufer ist Gold derzeit zu teuer", sagt Weinberg. Ähnlich wie mancher Kunde deutscher Goldmünzenanbieter warten Inder und Chinesen erst einmal ab.

Investoren suchen Schutz

Die Preise beeinflusst all das jedoch nur wenig. Auch drohende Streiks in südafrikanischen Goldminen lassen die Notierungen kalt. "Es gibt genug Gold auf der Welt, das ist kein entscheidender Punkt", stellt Weinberg fest. Der Preis ist vor allem deshalb angestiegen, weil Anleger Gold wieder vermehrt als sicheren Hafen ansteuern.

Gerade die großen Investmenthäuser und Geschäftsbanken, die an der Rohstoffbörse in New York Termingeschäfte auf Multi-Milliarden-Niveau eingehen, haben sich im Gold breitgemacht. "In der Woche nach dem Brexit erreichten die Netto-Long-Positionen einen historischen Höchstwert", sagt Rohstoffanalyst Thorsten Proettel von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Das bedeutet, dass per saldo noch nie so viele Profi-Spekulanten auf steigende Goldpreise gesetzt haben.

Von Ende Dezember 2015 bis Mitte Juli 2016 erwarben sie 220.000 solcher Kontrakte - das entspricht auf dem Papier einem Volumen von 684 Tonnen Gold. Zugleich reduzierten andere Marktteilnehmer ihre Wetten auf fallen­de Preise. Gegeneinander aufgerechnet blieb eine Netto-­Long-Position von 259.000 Kontrakten übrig. Der Gegenwert dieser Wetten: über 30 Milliarden Euro - zehn Prozent mehr als zum Höhepunkt der Eurokrise im Jahr 2011, in deren Zuge der Goldpreis über die Marke von 1.800 Dollar gestiegen war.

Zuflüsse wie seit Lehman nicht mehr

Börsengehandelte Indexprodukte wie die Exchange Traded Commodities (ETCs), mit denen nicht nur Profis, sondern auch deutsche Privat­anleger einfach und schnell auf einen steigenden Goldpreis setzen können, haben sich im bisherigen Jahresverlauf mit 540 Tonnen Gold eingedeckt. Bei derlei Produkten ist es üblich, sie mit dem Kauf von physischem Gold zu besichern.

540 Tonnen entsprechen einem Börsenwert von knapp 20 Milliarden Euro - nach Angaben des World Gold Council wurde seit der Pleite der US-Invest­mentbank Lehman Brothers weltweit nicht mehr so viel Gold für Anlagezwecke erworben. Eine solch massive Wette auf einen steigenden Goldpreis birgt jedoch auch Risiken. Sollten die Investoren - ähnlich wie die beschriebenen Privat­anleger bei Degussa Goldhandel - ihre Gewinne mitnehmen wollen, könnte es mit dem Kurs schnell wieder abwärtsgehen. Allerdings haben sich die Argumente, die in den letzten Monaten für den Kauf von Gold gesprochen haben, nicht in Luft aufgelöst - im Gegenteil.

Krisen, Nullzins und Geldflut

Die politischen und ökonomischen Unsicherheiten sind global gravierend. Anfang des Jahres trieb viele Anleger die wirtschaftliche Schwäche Chinas ins Gold - aus Furcht vor einer globalen Rezession. Dazu gesellten sich die aufkeimenden Sorgen vor einem möglichen Brexit, die sich im Juni bestätigen sollten. Nicht enden wollende Terrorgefahr und Krisen wie gerade erst der gescheiterte Militärputsch in der Türkei und seine Folgen lassen auf der politischen Bühne keine Entspannung einkehren.

Derlei Ereignisse sind für Gold aber nicht der allein entscheidende Faktor. Wichtig für den Kurs des Edelmetalls ist vor allem auch, wie sich die Politik der Notenbanken und der US-Dollar entwickeln. "Nahmen viele Anleger zum Jahreswechsel noch an, dass die Geldpolitik zumindest in den USA gestrafft würde, ist jetzt sogar mit einer noch weiteren Lockerung in Europa und Japan zu rechnen", nennt Weinberg den maßgeblichen Grund der Flucht ins Gold.

Und weil die Chefin der US-Notenbank Fed, Janet Yellen, partout nicht weiter an der Zinsschraube drehen will, hat der Dollar im ersten halben Jahr nicht wie von vielen erwartet weiter aufgewertet - sondern gegenüber mancher Rohstoffwährung sogar nachgegeben. Das macht Gold in anderen Währungen billiger - ein Grund zu kaufen.

Angesichts von Negativrenditen, die Investments in sichere Staatsanleihen zum Zuschussgeschäft machen, ist das Edelmetall eines der wenigen als sicher geltenden Investments, die noch Renditepotenzial bergen. Zugleich dient Gold vielen Anlegern als Kapitalschutz in einer Welt, in der Zinsniveaus und Geldfluten immer irrationalere Züge annehmen. Sollte das aufgeblähte Geldvolumen irgendwann zur schon lange erwarteten Inflation führen, ist Gold eine der besten Versicherungen dagegen.

Unmittelbar scheinen jedoch weder eine steigende Inflation noch eine Eskalation der Krisenherde bevorzustehen. Und weil der Goldpreis schon gut zugelegt hat, zugleich der Dollar gegenüber Währungen wie dem Euro zuletzt stärker wurde und auch noch Sommerpause ist, rechnen viele Analysten jetzt erst mal mit einer Korrektur bei Gold.

Kurzfristige Korrektur möglich

Auf 1.250 Dollar könnte der Preis für eine Feinunze durchaus fallen, meint LBBW-Experte Proettel. "Doch wir haben den Boden im letzten Jahr gesehen", ist er überzeugt. Rückschläge auf 1.100 Dollar hält er wie viele andere Experten für unwahrscheinlich. Nach dieser kurzen Phase werde der Goldpreis dann wieder steigen. Die DBS Bank aus Singapur - eines der größten Investmenthäuser Südostasiens - empfiehlt, jede Korrekturphase zu Käufen zu nutzen.
Entscheidendes Argument dafür ist die Unsicherheit, wer im November US-Präsident wird. Die Sorge, dass der Nachfolger von Barack Obama doch ­Donald Trump heißt, könnte im Herbst viele Anleger wieder ins Gold treiben - die Erinnerung an den lange auch nicht für möglich gehaltenen Brexit im Hinterkopf. Und die Fed wird noch eine ganze Weile abwarten, bis sie den Leitzins in den USA weiter vorsichtig anhebt. Nur deutliche Zinserhöhungen aber würden Gold gegenüber Top-Staatsanleihen wieder etwas unattraktiver machen. Vor diesem Hintergrund prognostiziert die Bank of America bis Mitte 2017 einen Goldpreis von 1.500 Dollar.

Globale Risiken bleiben groß

Weitere potenzielle Pulverfässer gibt es gerade in Europa reichlich. So könnte eine neue Bankenkrise vor der Tür stehen. Noch scheinen viele anzunehmen, dass der massive Anstieg fauler Kredite vor allem in den Büchern italienischer Geldhäuser von EZB und EU wie einst im Fall Griechenlands schon irgendwie aufgefangen wird. Das ist jedoch alles andere als sicher. Kaum auszudenken wäre zudem, welche Folgen ein Wahlsieg von Rechtsaußen Marine Le Pen bei den französischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Frühjahr hätte. Die Folgen für die EU und den Euro wären wohl unabsehbar.

Brexit, Trump, Le Pen und ein wegen der Negativzinsen wankendes Bankensystem - ein solches Szenario ist mittelfristig nicht mehr ganz unrealistisch. Der Run auf Goldhändler könnte dann einmal mehr jede bisherige Erfahrung in den Schatten stellen.

Investor-Info

Die richtige Anlageform
Kursgewinn oder Krisenfall

Wer sein Geld in Gold anlegen will, sollte sich klar sein, warum er das macht. Anleger, die vom steigenden Goldpreis profitieren wollen, können eine Reihe von Wertpapieren nutzen. Viele Anlagestrategen halten einen Goldanteil von fünf bis zehn Prozent für sinnvoll. Gerade in großen Krisen wie nach der Lehman-Pleite hat sich Gold in der Vergangenheit als Versicherung fürs Depot bewährt - der Edelmetallpreis ist stark gestiegen, die Aktienkurse sackten ab. Einige Wertpapier­anbieter bieten an, Gold auf Wunsch zu liefern; ob das in einer Systemkrise klappt, ist ungewiss. Wer Angst vor einem ­ Kollaps des Finanzsystems hat, kommt ­deshalb am Kauf von physischem Gold in Form von Barren oder Münzen kaum vorbei.

Die besten Goldhändler
Münzen und Barren kaufen

Wo Anleger am besten Barren und Münzen erwerben, zeigt der regelmäßige Edelmetallhändlertest von €uro am Sonntag (zuletzt in Ausgabe 44/2015). In der Tabelle die besten Anbieter, die mit "sehr gut" bewertet wurden.

Rang Unternehmen Telefon
1 Degussa Goldhandel 08 00/188 22 88
2 Anlagegold24 053 71/589 00
3 Heubach Edelmetalle 09 11/475 24 00
4 Pro Aurum 089/444 58 40
5 Auragentum 081 22/94 54 60

Untersucht wurden Konditionen, Sicherheit, Produktpalette und Service. Quelle: DKI, Anbieter

Das Wichtigste zum Fiskus
Steuern auf physisches Gold

Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Goldbarren sowie Goldmünzen sind nach ­einem Jahr Mindesthaltedauer steuerfrei. Verkaufen Anleger jedoch vor Ablauf dieser Frist, fällt auf die Verkaufsgewinne die individuelle Einkommensteuer an. Im Gegenzug gilt auch: Innerhalb der einjährigen Spekulations­frist realisierte Verluste aus ihren Geschäften mit physischem Gold können Anleger mit ­anderen ­erzielten Gewinnen aus Geschäften mit Münzen und Barren verrechnen.

Bei historischen Sammlermünzen fiel bis Ende 2013 grundsätzlich Mehrwertsteuer an. Das Bundesfinanzministerium veröffentlichte dann jedoch eine Liste, die als Anlagegold ­anzusehende Goldmünzen ab dem Jahr 2014 von der Mehrwertsteuer befreit. Seitdem können erstmals auch die Goldmarkstücke aus der deutschen Kaiserzeit abgabenfrei ­gekauft und verkauft werden.

Xetra Gold
Einfacher Zugang

Mit dem Papier der Deutschen Börse können Anleger einfach von steigenden Goldpreisen profitieren. Der Exchange traded Commodity (ETC) verbrieft den Liefer­anspruch auf ein Gramm physisches Gold. Die Kosten sind niedrig, das Emittentenrisiko durch eine Pleite der Deutsche Börse Commodities GmbH ist gering. Für Euro-Anleger besteht wie bei ­anderen Goldinvestments aber ein Wechselkursrisiko, da der Goldpreis in Dollar notiert und das Papier nicht währungsgesichert ist.

ETFS PRECIOUS METALS
Auf Gold plus Silber setzen

Dieses Produkt von ETF Securities verbrieft anders als Xetra Gold keine physische Aus­lieferung von Edelmetall, sondern bildet den Index Bloomberg Precious Metals ab. Diesem liegen Terminkontrakte auf Edelmetalle zugrunde, die die Preiserwartungen des Markts widerspiegeln. Im Index hat Gold gut 70 und Silber knapp 30 Prozent Gewicht. Der Silberpreis ist seit Jahresanfang noch stärker gestiegen als der Goldpreis. Anleger können Korrekturen der Kurse zum Einstieg nutzen.

Das wichtigste zum Fiskus
Steuern auf Papiergold

Wer mit physischem Gold hinterlegte ETCs verkauft, kann Kursgewinne nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei kassieren - so wie auch beim Kauf von Barren und Münzen. Das hat der Bundesfinanzhof für Xetra-Gold entschieden. Offen ist, ob dies auf andere ETCs übertragbar ist. Das scheint bei Gold Bullion Securities (ISIN: DE 000 A0L P78 1) möglich, da Emittent ETFS hier auch einen Lieferanspruch bietet. Keinen Lieferanspruch gibt es beim ETFS Physical Gold (DE 000 A0N 62G 0); Kursgewinne dürften hier deshalb stets abgeltungsteuerpflichtig sein. Ebenso verhält es sich bei Goldminenaktien: Bei Einzelaktien und Aktien­fonds fallen 25 Prozent Abgeltungsteuer auf Erträge an, unabhängig von der Haltedauer. Realisierte Kursverluste können mit entsprechenden Gewinnen verrechnet werden.

Bildquellen: elen_studio / Shutterstock.com, ded pixto / Shutterstock.com

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