Kopf der Woche

Wieder dieser Schneider ...

16.09.13 03:00 Uhr

Jürgen Schneider: Er kam vom Bau, lebte seine Visionen auf Kosten der Banken aus und ging dafür ins Gefängnis. Nun soll er wieder Mist gebaut haben – und muss vor Gericht.

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von Michael H. Schulz, Euro am Sonntag

Er kann es nicht lassen. Der Ex-Baulöwe und Großbetrüger Utz Jürgen Friedrich Schneider war wieder auf Beutezug. Genau! Der Schneider. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat Beweise, um einen der größten Betrüger der Nachkriegsgeschichte erneut wegen gewerbsmäßigen Betrugs in sechs Fällen vor den Kadi zu bringen. In drei weiteren Fällen verliefen sich die Ermittlungen.

Anders als in den 90er-Jahren, als Schneider wegen Betrugs, Kreditbetrugs und Urkundenfälschung angeklagt und verurteilt wurde, hat der inzwischen 79-Jährige 2008 und 2009 nicht Banken über den Tisch gezogen. Diesmal soll der Schuldenkönig von einst Geschäftemachern, die nach Angaben der Ermittler „tendenziell ihr Geld im zwielichtigen Bereich“ erwirtschaften, Darlehen angeboten haben. Beispielsweise geht es um einen Kaufmann aus Baden-Württemberg, der einen Investor für seinen Spielbankbetrieb suchte. Der Tatort für Schneiders krumme Geschäfte war das Steigenberger Grandhotel Petersberg in Königswinter. Auch bekannt als Gästehaus der Bundesregierung. Nur einen Steinwurf entfernt von Bad Honneff, dem Wohnort seiner Tochter.

Schneider soll dem Unternehmer ein Darlehen in Millionenhöhe gegen eine Gewinnbeteiligung seiner Frau in Höhe von 30 Prozent zugesichert haben, das er aus dem von ihm verwalteten Familienvermögen bereitstellen wolle. Das Geld hätte er aber laut Staatsanwaltschaft gar nicht gehabt. Bevor er dieses sogenannte partiarische Darlehen auskehre, sollten die Unternehmer vorab einen Vertrauensvorschuss auf das Konto von Schneiders Ehefrau bei der Volksbank Bonn Rhein Sieg überweisen. Schneider bekam das Geld und verlangte mehr. Am Ende winkte er ab, das Geschäft sei aussichtslos oder gar kriminell. In drei Fällen soll er so insgesamt 103.000 Euro ergaunert haben.

Schneiders krumme Comeback-tour ist jedoch eine billige Masche im Vergleich zu dem gewieften Baubetrug der 80er- und 90er-Jahre. Jener Köpenickiade, bei der er sich Kredite für seine Immobilien-Obsession erschlichen hat. So wie sich der Schuster Wilhelm Voigt in Uniform als Hauptmann von Köpenick den Gehorsam der Soldaten erschlich, um die Stadtkasse zu plündern, ergaunerte Schneider sich mit frisierten Anträgen und Vermögensaufstellungen Kredite. Als er pleite war, schuldete er 55 Banken 5,4 Milliarden Mark (siehe unten).

Die Mitschuld der Banken
Sein restauriertes Schlösschen mit Atombunker, die Villa Andreae in Kronberg im Taunus, nutzte er, um Bankern zu zeigen, was man aus historischen Gemäuern machen kann. Und die warfen ihm „mit kaum vorstellbarer Fahrlässigkeit und Pflichtvergessenheit“ das Geld anderer Leute hinterher, indem sie „Warnhinweise von der Größe eines Scheunentors“ ignorierten, urteilte der Vorsitzende Richter der Wirtschaftsstrafkammer am Frankfurter Landgericht, Heinrich Gehrke, im Schneider-Prozess 1997. Damit trügen die Geldhäuser eine Mitschuld.

Doch die Banken saßen nicht auf der Anklagebank. Fünf Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers, faulen Krediten in Billionenhöhe und den Trickserien Griechenlands gilt Schneider als kleiner Fisch. Manch einer meint sogar, die Auswüchse der Banken in der Finanzkrise hätte es nicht gegeben, wenn die Staatsanwaltschaft die Banker mitangeklagt hätte. „55 Banken auf der Anklagebank, das wäre ein Riesentheater geworden. Das wäre schädlich für das Land gewesen“, sagte Schneider. „Too big to fail“ — zu groß zum Scheitern, das gilt auch hier.

Schneiders frühe Geschichte liest sich wie ein deutsches Märchen: Praktisch aus dem Nichts stieg der Sohn eines Bauunternehmers, gelernte Maurer und Bauingenieur in den 80ern zum größten und schillerndsten privaten Immobilieninvestor und Kreditnehmer Deutschlands auf. Er kaufte historische Innenstadtimmobilien in Bestlage und sanierte diese auf Pump.

Ein Gründerzeitbau im mondänen Baden-Baden, der Heimatstadt seiner Ehefrau Claudia, war sein erster Streich als Baulöwe. Ein unabhängiger Kreditvermittler verhalf Schneider zum ersten überdimensionierten Darlehen. Denn die teilweise noch heute vorgeschriebene Kredithöhe von bis zu 60 Prozent der Kaufsumme reichte nicht, um Schneiders Sanierungspläne für das „Goldene Kreuz“, so der Name der Immobilie, zu verwirklichen. Um mehr Geld von der Bank zu bekommen, fingierte Schneider eine höhere Mietfläche und frisierte den Beleihungswert.

Den Trick mit den gefälschten Flächen- und Mieteinnahmeangaben wiederholte er in abgewandelter Form bei der Mädlerpassage samt Auerbachs Keller und Barthels Hof in Leipzig sowie dem Bernheimer Palais am Lenbachplatz in München. Bei Letzterem fingierten er und sein Bauzeichner Karl Heinrich Küpferle gleich zwei Geschosse mehr, als die Immobilie überhaupt hatte.

Besonders dreist trickste Schneider, als es darum ging, die Frankfurter Zeilgalerie zu renovieren. Die vermietbare Gesamtfläche gab er im Kreditantrag mit 22.513 Quadratmetern an. Tatsächlich gab es nur eine Verkaufsfläche von 9.000 Quadratmetern, wie auf dem Baustellenschild zu sehen war. Den Mietsatz multiplizierte er natürlich mit den von ihm erfundenen 22.513 Quadratmetern. So konnte er das Objekt gegenüber der Deutschen Bank schönrechnen. Ein Vorstandsmitglied stimmte dem Antrag ohne Besichtigung und ohne Gutachten zu.

Lieblingsopfer Deutsche Bank
Sein größtes Prestigeobjekt war jedoch der Fürstenhof in Frankfurt. Für den neobarocken Bau sammelte er 1986 rund 215 Millionen Mark ein. „Ich bin hinter das System der Banken gestiegen und stellte die Spielregeln auf den Kopf“, schreibt Schneider in seiner Autobiografie „Bekenntnisse eines Baulöwen“. „Die eine Hand wusste nicht, was die andere tat“, kommentierte er seinen Coup beim Fürstenhof. Im Bieterrennen war auch die Deutsche Bank. Letztlich bot Schneider mehr für den Prachtbau. Dieselbe Bank, die selbst nicht zu teuer einsteigen wollte, warf ihm dann den Kredit für Kauf und Sanierung hinterher.

Seine Vorliebe für alte Bauten war eine Wette auf steigende Preise. „Falsch war, dass ich zu viel gewollt habe. Dass ich mich total verspekuliert habe“, bekannte er gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen“ 2009. Klingt altersweise. Dabei machte er damals offenbar wieder krumme Dinger, wie die Staatsanwaltschaft nun ermittelt hat.

1992 stürzten die Preise für Gewerbeimmobilien in den Keller. Die Objekte ließen sich nicht verkaufen. Schneider war pleite. „Leipzig war mein Waterloo“, bekannte der Investor, der rund zehn Prozent des historischen Immobilienbestands der Stadt saniert hat. Noch heute können sich Leipzig-Besucher ein Bild von Schneiders Projekten machen. Acht Euro kostet die zweistündige Führung „Jürgen Schneider und seine Immobilien in Leipzig“. Eine Führung durch die Betriebe seiner jüngsten Opfer würde zumindest Glücksspielfreunde teuer zu stehen kommen. Denn der Fall Schneider lehrt: Nicht nur in Spielhallen, sondern auch im echten Leben gewinnt immer die Bank. 

Kreditbetrug
Der Schuldenkönig

Es war die größte Pleite der Nachkriegsgeschichte. Als das Bauimperium von Jürgen Schneider 1994 zusammenbrach, stand er mit 5,4 Milliarden Mark Schulden bei Banken in der Kreide. Davon allein mit 1,5 Milliarden Mark bei der Deutschen Bank beziehungsweise deren Tochter, Deutsche Centralboden. Hunderte Deutsche Handwerker blieben zunächst auf ihren Forderungen von insgesamt 50 Millionen Mark sitzen. „Peanuts“ seien das, befand Hilmar Kopper, Ex-Vorstandschef der Deutschen Bank damals. Die Deutsche Bank zahlte die Handwerkerkosten. Viele befürchteten einen Immo­biliencrash. Tatsächlich knauserten Banken mit Krediten. 1994 fiel auch die Entscheidung für Frankfurt als Sitz der Europäischen Zentralbank.

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