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Karriere statt Klatsch: Der schwere Weg des jungen Autokönigs Elkann

11.08.18 17:50 Uhr

Karriere statt Klatsch: Der schwere Weg des jungen Autokönigs Elkann | finanzen.net

John Elkann: Der Erbe des mächtigen italienischen Agnelli-Clans steht nach dem Tod von Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne ­erheblich unter Druck. Denn der Umbau des Konzerns muss weitergehen.

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von Micaela Taroni, €uro am Sonntag

Sein Cousin Andrea Agnelli begeistert Italiens Fußballfans mit dem millionenschweren Transfer von Weltstar Cristiano Ronaldo zu Juventus Turin. Sein Bruder Lapo Elkann ist mit seinen Brillen- und Designkreationen zu einem Fixstern im Modeolymp aufgerückt. Doch in der italienischen Unternehmerdynastie Agnelli ist der eher schüchtern wirkende John Elkann der wahre Drahtzieher hinter den Kulissen. Er ist Vorstandschef der Autogruppe Fiat Chrysler und einer der mächtigsten Unternehmer der Welt, aber er bleibt eher im Hintergrund und verwaltet das Vermögen des Agnelli-Clans, ohne allzu viel im Rampenlicht zu stehen.



Trotz seines noch jungen Alters hat Elkann bereits viele Höhen und Tiefen durchgemacht. Eine dramatische Phase erlebt der 42-Jährige in diesen Tagen. Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne ist am 25. Juli infolge von Komplikationen nach einem chirurgischen Eingriff in Zürich gestorben.

Elkann musste kurz vor Marchionnes Tod einen Nachfolger für den Weltkonzern sowie für die Töchter Ferrari und CNH International suchen. Dabei entschloss er sich für den Briten Mike Manley, der bei Fiat Chrysler bisher für die Marke Jeep verantwortlich war und sie wieder auf Erfolgskurs gebracht hat.

Aktienkurs bricht ein

Der Beschluss blieb nicht ohne Folgen. Marchionnes "rechte Hand", Europa-Chef Alfredo Altavilla, der den Konzernchef nach dessen Erkrankung zu beerben hoffte, aber von Manley unerwartet ausgebremst wurde, reichte seinen Rücktritt ein und verlässt das Unternehmen. Die Aktien des FCA-Imperiums in Mailand und an der Wall Street brachen ein - ein klares Signal, dass die Anleger wegen des abrupten Chefwechsels beim siebtgrößten Autobauer der Welt verunsichert sind.

Elkann hält im Sturm das Ruder fest im Griff. Ohne seine Zustimmung geht bei den Agnellis nichts. An der Seite Marchionnes hat er in den vergangenen 14 Jahren Fiat von einem Unternehmen am Rande des Bankrotts zu einem Weltkonzern umgewandelt. Als Vorstandschef der börsennotierten Investmentgesellschaft Exor leitet John Elkann eine verzweigte Familienholding, in der die Beteiligungen der rund 100 Agnelli-Erben gebündelt sind.



Neben einem 30-Prozent-Anteil an Fiat Chrysler gehören auch die Mehrheit des Fußballklubs Juventus Turin sowie Beteiligungen am Immobilienunternehmen Cushman & Wakefield, an Finanzinstituten oder Touristikunternehmen zum Imperium der Familie Agnelli, die wegen ihrer Macht und den schweren Schicksalsschlägen oft mit den Kennedys verglichen wird.

Karriere statt Klatsch

Klatschgeschichten und Skandale, wie sie der jüngere Bruder Lapo mit Kokain und Transsexuellen verursacht hat, hört man von John Elkann keine. Ruhig, vernünftig und zurückhaltend tritt der Top­Unternehmer mit den jungenhaften Gesichtszügen auf. Im Gegensatz zu seinen Geschwistern hat der Sohn der Fiat-Erbin Margherita Agnelli und des französischen Schriftstellers Alain Elkann früh reifen müssen. Seit seinem 21. Lebensjahr sitzt John Elkann im Fiat-Aufsichtsrat. Schon als 27-Jähriger musste "Jaki" , so sein Spitzname, die Geschicke des Familienkonzerns übernehmen, eigentlich viel früher als geplant.

Nur 16 Monate nach dem Tod des sagenumwobenen Industriekapitäns Gianni Agnelli starb 2003 auch dessen Bruder, Fiat-Präsident Umberto Agnelli. Damit lastete auf John Elkann die heikle Aufgabe, Fiat aus der gravierendsten Krise in der Geschichte des Konzerns zu holen. Der stark verschuldete Autobauer erlebte damals gerade die schwierigste Phase seiner Geschichte. Zwei Millionen Euro pro Tag verlor der Konzern, der an den Rand des Abgrunds geraten war. Elkann stand vor einem Scherbenhaufen.

Bis dahin hatte der 1976 in New York geborene Elkann noch als Vizepräsident an der Seite seines Onkels Umberto gearbeitet. Nach dessen Tod rückte er zum neuen Präsidenten der Gruppe auf. Ursprünglich war nicht er, sondern sein älterer Vetter Giovannino Agnelli, Umbertos Sohn, vom Clan dazu bestimmt worden, die Verantwortung für die Gruppe zu übernehmen.

Doch Giovannino starb 1997 im Alter von 33 Jahren an Krebs. Daher musste der junge John Elkann, Lieblingsenkel des Firmenpatriarchen Gianni Agnelli, eine Ausbildung zum Industriekapitän beginnen. Elkann, der mehrere Jahre in Paris gelebt hat und vier Sprachen fließend beherrscht, studierte bis zum Jahr 2000 am Polytechnikum in Turin Wirtschaftsingenieurwesen und begann danach seine Karriere bei General Electric in der Abteilung Beteiligungscontrolling.

Während sein um zwei Jahre jüngerer Bruder Lapo wegen seiner Ex­trovertiertheit und seinem Hang zu Partys in der High Society zum Liebling der Klatschzeitungen wurde, war der junge John nur selten an der Seite seines prominenten Onkels bei Fußballspielen des Turiner Fußballklubs Juventus zu sehen. "John ist zwar noch jung, aber er hat bereits Talent und moralische Haltung bewiesen", pflegte Gianni Agnelli über den Enkel zu sagen. Wie es für die jungen Mitglieder der Familie Agnelli üblich ist, jobbte Elkann in jungen Jahren während der Sommermonate inkognito in Fiat-Fabriken, wo man ihn wie einen einfachen Arbeiter behandelte.

Mit Fiat auf Rekordkurs

Der schüchterne John Elkann, der mit der Adeligen Lavinia Borromeo verheiratet ist und mit ihr zwei Söhne hat, konnte mit der Unterstützung eines soliden Managements rechnen. Die strategischen Beschlüsse bei Fiat Chrysler ergriff bisher Sergio Marchionne. Der Manager im schwarzen Wollpullover war derjenige, der 2014 Fiats Fusion mit dem US-Partner Chrysler unter Dach und Fach brachte und das Turiner Unternehmen Fiat zu einem Weltkonzern mit Zukunftsvisionen umwandelte.

Mit hartem Sparkurs und neuen Automodellen gab das Duo Elkann- Marchionne dem Bankrottkandidaten Fiat seinen Stolz als italienische Traditionsfirma wieder zurück. Dabei scheute sich Elkann nicht vor unpopulären Beschlüssen, um Fiat zu sanieren, mit den Gewerkschaften auf Konfrontationskurs zu gehen, interne Bürokratie abzubauen und die Entwicklungszeiten für neue Modelle drastisch zu reduzieren. Er richtete den fast 120 Jahre alten Konzern neu aus und führte ihn zurück in die schwarzen Zahlen. Vor allem die Kooperation mit dem US-Autobauer Chrysler, den Fiat 2014 komplett schluckte, erwies sich als der erfolgreichste Drahtseilakt in Elkanns Karriere.

Unter der Regie Marchionnes wurde Fiat Chrysler Automobiles (FCA) gegründet. Im vergangenen Jahr feierte der Konzern einen Rekordgewinn. Der bereinigte Betriebsgewinn kletterte um 16 Prozent auf etwas mehr als sieben Milliarden Euro. Für 2018 rechnet das Management mit einem Jahresumsatz von rund 125 Milliarden Euro und plant bis 2022 Investitionen in Höhe von 45 Milliarden Euro. Gerechnet wird mit einem jährlichen Umsatzwachstum von sieben Prozent. Die Umsätze der Marken Fiat, Alfa Romeo, Maserati, Chrysler, Dodge, Jeep und anderen sollen auf 65 bis 80 Prozent steigen. Bis 2022 sollen die FCA-Werke die volle produktive Kapazität erreichen. Das Unternehmen ist seit Ende Juni schuldenfrei.

Unter Elkanns Aufsicht wurde der Luxusautobauer Ferrari aus FCA ausgegliedert und Anfang 2016 an die Börse gebracht. Noch bis Jahresende will Elkann Fiats Komponententochter Magneti Marelli mittels einer Börsennotierung abspalten. Durch den Schritt soll der Elektronikspezialist mehr Flexibilität bekommen.

400 Millionen Euro für Ronaldo

Nicht nur im Autogeschäft mischt Elkann aktiv mit. 2015 hat seine Holding Exor ihren Anteil an dem namhaften Wirtschaftsmagazin "The Economist" von 4,7 Prozent auf 43,3 Prozent aufgestockt und ist somit zu dessen stärkstem Aktionär aufgerückt. 6,19 Milliarden Euro zahlte Exor, um 2015 den Rückversicherer PartnerRe zu schlucken. Zum Familienimperium zählt auch der erfolgreiche Fußballklub Juventus Turin, die wahre Leidenschaft des Agnelli-Clans.

Hier regiert Elkanns Cousin Andrea Agnelli, der den 2006 in die zweite Liga abgestiegenen Klub wieder zu einem der stärksten Fußballvereine Europas gemacht hat. Der an der Mailänder Börse notierte Verein hat im Mai seinen siebten Meistertitel in Folge erobert.

Während andere prestigereiche italienische Fußballvereine unter Schuldenbergen stöhnen, glänzt Juve mit seiner finanziellen Stabilität. Insgesamt 400 Millionen Euro lässt sich der von Elkanns Exor kontrollierte Fußballklub Cristiano Ro­naldo kosten, der teuerste Fußballertransfer aller Zeiten. Damit sichert sich der Verein vier Jahre lang die Dienste des stärksten Kickers der Welt. Der Coup mit "CR7" dürfte sich durchaus rentieren. Mit goldenen Sponsorenverträgen, Massen von Zuschauern in den Stadien und mehr Besuchern im Juve-Museum in Turin wird fest gerechnet. Außerdem erwartet sich Juve zusätzliche Einnahmen, sollte es tatsächlich dank Ronaldos Tore zum Champions-League-Titel reichen.

Die Juve-Aktie an der Mailänder Börse legte dank der Euphorie wegen des Ronaldo-Wechsels in wenigen Tagen um 30 Prozent zu, was einer zusätzlichen Kapitalisierung von 212 Millionen Euro entspricht.

John Elkann ist in seinem Familienimperium fest im Sattel, doch große Herausforderungen stehen ihm bevor. So ist fraglich, ob der neue CEO Mike Manley, der erste Nichtitaliener an der Spitze des Turiner Konzerns, der passende Ersatz für den Strategen Marchionne sein wird. "Marchionne war ein einmaliges Talent. Wir haben großes Glück gehabt, in den letzten 14 Jahren mit ihm zusammenzuarbeiten", so Elkann in einem Brief an die Belegschaft.

Fiat-Partner gesucht

Wie es nun bei Fiat Chrysler weitergeht, ist noch offen, doch Analysten sind grundsätzlich optimistisch. Elkann und Marchionne haben in den vergangenen Jahren die Weichen für solides Wachstum auf dem schwierigen globalen Automarkt gestellt. Nachfolger Manley wird sich vor allem um die Umsetzung des Entwicklungsplans bis 2022 kümmern müssen, der erst im Juni vorgestellt wurde.

Demnach will FCA immer mehr auf elektrische Autos setzen. Der Autobauer plant Investitionen in Höhe von neun Milliarden Euro, um seine Modelle auch in der elektrischen Version anzubieten. Bis Ende 2021 will der Autobauer keine Dieselautos mehr herstellen.

Manley wird Insidern zufolge auch nach einem industriellen Partner suchen müssen, um FCAs Position auf dem globalen Automarkt zu festigen und der Konkurrenz großer Rivalen standzuhalten. Wegen Manleys Erfahrungen in Asien gilt eine industrielle Kooperation mit der südkoreanischen Gruppe Hyundai als wahrscheinlich. Damit könnte sich FCA die asiatischen Märkte verstärkt erschließen.

Weniger optimistisch sind die italienischen Gewerkschaften. Sie befürchten, dass unter der Führung Manleys die Produktion zunehmend von Italien in die USA verlegt werden könnte. Das sind ihrer Ansicht nach keine guten Aussichten für einen Weltkonzern, der in Turin feste Wurzeln hat.

Kurzvita

Der Agnelli-Spross
John Elkann wurde 1976 als Sohn von Margherita Agnelli, Tochter des legendären Fiat-­Patriarchen Giovanni Agnelli, und des französischen Schriftstellers Alain Elkann in New York geboren. Der promovierte Wirtschaftsingenieur wurde 1997 in den Aufsichtsrat des ­Fiat-Konzerns einberufen.

Nach dem Tod seines Onkels ­Umberto rückte er 2004 zum Vizepräsidenten auf. 2008 übernahm er die Führung der ­Finanzholding Exor, die mit ­einem 30-Prozent-Anteil Fiat Chrysler kontrolliert. 2010 wurde Elkann Präsident des ­Fiat-Verwaltungsrats. Mit ­Sergio Marchionne brachte er 2014 die Fusion mit Chrysler unter Dach und Fach. Nach Marchionnes Tod übernahm ­Elkann den Posten des Ferrari-­Präsidenten.

Die Fiat-Aktie
2017 feierte Fiat Chrysler Automobiles (FCA) einen Rekordbetriebsgewinn von über sieben Milliarden Euro. FCA ist schuldenfrei. Gerechnet wird bis 2022 mit einem jährlichen Umsatzwachstum von sieben Prozent. Marken wie Jeep, Alfa Romeo oder Maserati sollen überproportional wachsen. Bis 2022 sollen die FCA-Werke die volle produktive Kapazität erreichen. Der überraschende Tod von Sergio Marchionne hat Börsianer verunsichert, die Aktie ­geriet unter Druck. Abwarten.



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Bildquellen: Fiat Chrysler Automobiles

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