Branchenrotation - Durch Branchenkenntnis Überrenditen erzielen
An den Aktienmärkten werden Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen gehandelt. Manche Branchen scheinen in bestimmten wirtschaftlichen Phasen besser zu laufen als andere. Ein Einblick in die Welt der Branchenrotation, mit der Anleger sogar Überrenditen erwirtschaften könnten.
Nach einer alten Marktlogik sollte der Transportsektor eigentlich besonders gut zu Beginn eines Wirtschaftsaufschwungs laufen. Wenn die allgemeine Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnt und die Nachfrage nach Gütern wieder auf breiter Front steigt, dann müssen diese Güter auch zu den Konsumenten oder Produzenten transportiert werden. Demnach sollten beispielsweise die Umsätze und Gewinne der Containerschiffs- oder auch Speditionsbranche tendenziell am Beginn eines Wirtschaftsaufschwungs steigen, was sich dann positiv in den Aktienpreisen der Transportunternehmen widerspiegeln sollte.
An einem anderen Punkt des Wirtschaftszyklus - am Übergang zur Rezession - müssten eigentlich defensive Branchen besser laufen. Da Rezessionen häufig mit herben Rückschlägen an den Aktienmärkten einhergehen und eine Reihe von Zyklikern Dividendenkürzungen oder gar Dividendenstreichungen vornehmen, sollten sich die Anleger vermehrt auf die defensiven Branchen stürzen - so die Theorie.
Zu den typischen Vertretern der defensiven Branche zählen etwa der Nahrungsmittelsektor sowie andere Produzenten des täglichen Bedarfs, wie etwa Hersteller von Hygieneartikeln. Im Gegensatz zu vielen langlebigen und eher kapitalintensiven Konsumprodukten, wie beispielsweise Fernseher, Autos etc., bei denen die Nachfrage für gewöhnlich während einer Rezession fällt, weil die Konsumenten die teuren Anschaffungen eher in Zeiten des Aufschwungs verschieben - sollten die Produkte des täglichen Bedarfs auch in einer wirtschaftlichen Schwächephase weiterhin nachgefragt bleiben. Im defensiven Konsumbereich dürften die Umsätze und Gewinne trotz einer Rezession daher eher wenig einbrechen. Trotz Rezession wird weiterhin gegessen und getrunken, geraucht, geduscht oder sich die Zähne geputzt.
Die Frage stellt sich also, ob diese Marktlogiken und Zusammenhänge auch wirklich nachzuweisen sind und ob mithilfe der Kenntnis um die Branchenrotation Überrenditen erzielbar sind.
Branchenrotation
Wenn es am allgemeinen Aktienmarkt beispielsweise mit den Preisnotierungen bergauf geht, dann muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass auch die Aktienpreise aller am Markt handelbaren Unternehmen mit nach oben gezogen werden. Ziemlich häufig ließ sich daher in der Historie beobachten, dass bestimmte Titel mehr zulegen als andere oder mehr als der Gesamtmarkt, einige Aktienpapiere die Performance des Gesamtmarktes eins zu eins mitmachen oder schlechter als der Gesamtmarkt oder andere Aktien laufen. Dadurch ist es im ungünstigsten Fall sogar möglich, dass ein Anleger während einer Hausse am Gesamtmarkt einen Depotverlust einfahren könnte - genau dann, wenn er auf die falschen Papiere oder Branchen setzte.
Ähnliches lässt sich für Baissephasen am Gesamtmarkt beobachten. Auch hier gibt es Papiere oder ganze Branchen, die sich gegen den allgemeinen Markttrend stellen und somit ist es trotz vermehrt anhaltend fallender Kurse im Idealfall sogar möglich, das Depotvermögen während einer Baisse des breiten Aktienmarktes zu steigern.
Ein Hilfsmittel dafür, um eher auf die Favoriten zu setzen anstatt auf die Nieten, ist das Konzept der Branchenrotation. Dieses Konzept wurde u.a. von Sam Stovall in dem Klassikerwerk "Standard & Poor's Sector Investing: How to Buy The Right Stock in The Right Industry at The Right Time" im Jahr 1996 näher beleuchtet. Eine spätere und vielbeachtete wissenschaftliche Untersuchung mit dem Titel "Sector Rotation over Business Cycles" von Jeffrey Stangl, Ben Jacobsen und Nuttawat Visaltanachoti zeigt ebenfalls, dass in den unterschiedlichen wirtschaftlichen Phasen die an den großen US-Börsen gehandelten Aktien bestimmter Branchen besonders gut performt haben.
Überrenditen möglich
Nach den Untersuchungen von Stangl, Jacobsen und Visaltanachoti (2009) für den Zeitraum von 1948-2007 hätte eine ganz bestimmte Strategie zu einer annualisierten Outperformance von ca. 7 Prozent führen können. Hierfür musste während eines frühen Wirtschaftsaufschwungs einfach auf den breiten Aktienmarkt gesetzt werden. In der Phase des mittleren Wirtschaftsaufschwungs wären die Branchen "Candy & Soda" sowie Pharma die Favoriten für das Depot gewesen. Im späten Aufschwung hätte auf den Minensektor und auf Zigarettenproduzenten gesetzt werden müssen. In der frühen Rezession hätte in die Branchen "Shipping Containers", Nahrungsmittel, Versorger und Unterhaltungsindustrie investiert werden müssen und in der späten Rezession hätten Papiere aus den Bereichen "Personal Services", Nahrungsmittel und Tabak im Depot liegen müssen.
Damit weicht die spezielle Branchenrotationsstrategie von Stangl, Jacobsen und Visaltanachoti (2009) in einigen Punkten von den üblichen Marktlogiken bzw. angenommenen Zusammenhängen über eine kluge Rotationstrategie ab. Scheinbar entwickelten sich in der frühen Phase des Wirtschaftsaufschwungs nicht etwa nur Transportwerte besonders gut, sondern eine Investition im Gesamtmarkt wäre das Nonplusultra gewesen. Interessant ist unter anderem auch, dass im Anfangsstadium einer Rezession nicht etwa nur defensive Titel - wie Nahrungsmittelindustrie oder Versorger - eher das Rennen machten, sondern stattdessen auch "Shipping Containers" und die Unterhaltungsindustrie tendenziell zu den favorisierten Branchen zählten.
Fazit
Mithilfe einer Branchenrotationsstrategie könnte also eine stattliche Outperformance erzielt werden. Das Konzept der Branchenrotation für Aktienanleger mit einem langfristigen Fokus konnte sich auf Basis einer historischen Rückrechnung als sehr rentabel erweisen. Ob dies auch in Zukunft ein Garant für eine Outperformance ist, bleibt jedoch letztlich abzuwarten.
Redaktion finanzen.net
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