Tesla-Aktie im Rekordmodus: "Model 3" erhöht Druck auf BMW, VW und Daimler
Tesla will mit seinem neuesten Elektrofahrzeug "Model 3" den Massenmarkt erobern - und den Druck auf die etablierten Autobauer erhöhen. Die Vorfreude der Anleger ist riesig, die Tesla-Aktie befindet sich im Rekordmodus. Doch wie gut ist Tesla wirklich? Und welche Lösungen haben die klassischen Autobauer Daimler, BMW und Co.?
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Die Tesla-Aktie ist derzeit einer der größten Highflyer an der Börse. Seit Anfang 2016 stieg das Papier des US-amerikanischen Elektroautobauers über 60 Prozent nach oben, im laufenden Jahr verbuchte das Tesla-Papier sogar ein Kursplus von annähernd 75 Prozent. Erst in der vergangenen Woche eroberte die Tesla-Aktie an der US-Technologiebörse NASDAQ ein Allzeithoch bei 384,12 US-Dollar.
Tesla ist an der Börse nun mehr als 65 Milliarden Dollar wert und überholt damit den deutschen Traditionsautobauer BMW, die US-Autobauer GM und Ford hatte Tesla bereits zuvor überflügelt. Laut Adam Jonas, Analyst bei Morgan Stanley, könne Tesla bei einem besonders bullishen Szenario seinen Börsenwert auf Apple-Niveau erhöhen. Was macht Tesla so erfolgreich? Ist Tesla seinen Wettbewerbern im Bereich der Elektromobilität tatsächlich voraus? Haben BMW, VW, Daimler und all die anderen klassischen Fahrzeugbauer die Zukunft verschlafen, bevor sie begonnen hat?
Clevere Batterietechnologie, innovative Software und ein Visionär
Teslas Erfolg baut auf drei Säulen auf: Die Batterietechnologie ist einfach und gleichzeitig innovativ, die Software in den Fahrzeugen ist mutig und zukunftsweisend, der Entwicklergeist im Unternehmen ist beispiellos und wird von Teslas charismatischem Chef Elon Musk mustergültig vorgelebt.
Musk entwickelt futuristische Ideen, denkt visionär und geht außergewöhnliche Wege konsequent zu Ende - trotz unterschiedlichster Widerstände. Und, das ist vermutlich noch viel wichtiger für den langfristigen Erfolg, der Tesla-Chef besitzt die besondere Gabe, Aktionäre, Kunden und vor allem große Investoren von seinen Vorstellungen zu überzeugen. Musk ist ein Marketinggenie, ihm liegt im Blut, Menschen zu begeistern.
Teslas Gigafactory - Eintrittskarte in den Massenmarkt für den E-Autobauer
Musk überzeugt Geldgeber und Unternehmen von seinen Plänen und schafft so immer wieder fruchtbare Kooperationen, zum Beispiel mit Panasonic. Gemeinsam mit dem japanischen Elektronikkonzern baut Tesla in der Wüste von Nevada eine riesige Batteriefabrik, die Gigafactory. In der Mega-Batteriefabrik sollen 2020 mehr Lithium-Ionen-Akkus produziert werden als in allen heutigen Fabriken zusammen.
Lithium-Ionen-Akkus sind der "Treibstoff" aller Tesla-Fahrzeuge - und der zweite Erfolgsfaktor des Unternehmens. Für Egbert Figgemeier, Professor für Elektrische Antriebe an der RWTH Aachen, hat die Batterie im Elektrofahrzeug den gleichen Stellenwert wie der Verbrennungsmotor in einem herkömmlichen Fahrzeug. "Ein Elektroauto wird um die Batterie herum gebaut. (...) Der Elektromotor, egal ob als Achsmotor oder Zentralmotor, spielt bei der Größe keine nennenswerte Rolle mehr. Das entscheidende Element bei der Konstruktion ist die Batterie."
Tesla hat es geschafft, dem "entscheidenden Element" einen besonderen Stellenwert einzuräumen, seine Fahrzeuge passt der US-Autobauer an die Batterietechnologie an. Mit umfunktionierten Laptop-Batterien, die Technik ist einfach und vergleichsweise günstig, ist Tesla ein großer Coup gelungen: Tesla-Fahrer kamen mit einer Ladung von in Reihe geschalteten Akkus bereits 500 Kilometer weit. Zum Vergleich: Das erste in Serie gefertigte Elektrofahrzeug von BMW, der "i3", schafft es mit neuesten Lithium-Ionen-Zellen und trotz einer höheren Speicherdichte "nur" etwa 300 Kilometer weit.
Teslas Software ist das Herzstück des US-Autobauers
Die dritte Säule von Teslas Erfolg ist die fortschrittliche und vor allem mutige Software. Vermutlich ist der US-Autobauer in diesem Bereich seiner Konkurrenz am weitesten voraus. Börsenbriefherausgeber Alfred Maydorn bezeichnete vor Kurzem im Online-Fernsehsender "Der Aktionär TV" die Software als das "Herzstück" von Tesla.
Vor allem beim teilautonomen Fahren setzte Tesla bereits in der Vergangenheit Maßstäbe. Mit "Autopilot", so heißt die Software, die in Teslas "Model S" halbautonomes Fahren ermöglicht, können Fahrer die Hände - zumindest einige Sekunden - vom Lenkrad nehmen und das Auto die Kontrolle übernehmen lassen.
Diese Technik, bei dem Autos zum Beispiel in verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen den Abstand zum Vordermann halten und "wie von Geister Hand" in der Spur bleiben, beherrschen zwar unter anderem auch der "XC90" von Volvo, Audis "A4" und der BMW 7er - Testberichte über die neue E-Klasse von Daimler und ihrem "Drivepilot" lassen vermuten, dass die Schwaben sogar auf gleicher Höhe mit Tesla sind -, aber Tesla kann dank der liberaleren Gesetze in den USA mit der neuen Technik sehr viel offensiver umgehen als die traditionellen Autobauer.
Tesla suggerierte dem Kunden in der Vergangenheit jedoch auch, dass der eigentlich teilautonome "Autopilot" das Fahrzeug völlig autonom steuern könne. Teslas Werbebotschaften vermittelten, der (menschliche) Fahrer müsse überhaupt nicht mehr eingreifen und das Fahrzeug fahre, lenke, bremse und stoppe völlig automatisch, während der Fahrer zum Beispiel schlafe oder einen Film schaue. Nach einem tödlichen Unfall im vergangenen Jahr, waren deshalb das Unternehmen und Musks Marketingmaschinerie stark in die Kritik geraten - Teslas Stärke könnte durch ähnliche Vorfälle schnell zur größten Schwäche werden, der "Mut zu nicht perfekten Systemen" ist eben riskant. Bei einem genauen Blick auf Tesla wird dann auch schnell klar, es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Auch Tesla hat Schwächen
Tesla ist nicht fehlerfrei. Unter anderem hat die "einfache" Batterietechnologie, so innovativ und günstig sie auch sein mag, auch eine große Schwäche: Die Lebensdauer. Sven Bauer, CEO von Europas größtem Batteriehersteller BMZ, sieht darin eine der größten Herausforderungen für Tesla. Gegenüber dem ADAC-Blog "adacemobility" sagte er bereits im Oktober 2013: "Tesla wird ein Problem bekommen, weil der Kunde nach fünf, sechs Jahren kaum bereit sein wird, mal eben 20.000 Euro für einen neuen Akku auszugeben."
Laut Tesla-Chef Musk ist die Gigafactory Voraussetzung für den erfolgreichen Schritt in den Massenmarkt. Der Krieg um die Kundschaft wird beim Elektroauto über die Batterie gewonnen, darin scheinen sich alle Experten einig zu sein: Wer die langlebigsten und die billigstem Akkus hat, der wird ziemlich sicher auch den größten Erfolg haben. "Eine eigene Zellfertigung ist für einen Autobauer sehr wichtig, da die Zellchemie das Fahrzeug stark beeinflusst - ähnlich wie heute der Motor", sagt auch Professor Figgemeier mit Blick auf Teslas Gigafactory.
Traditionelle Autobauer investieren Milliarden in Elektromobilität
Teslas Konkurrenz hat die Zeichen der Zeit erkannt und zieht nach: VW will in Sachen Elektromobilität kräftig investieren. Der deutsche Autobauer prüft die Massenfertigung von Batteriezellen und plant eine riesige Akku-Fabrik. Mit einem Investment in Höhe von mehreren Milliarden Euro will VW die Spitze des Marktes für Elektromobilität erobern.
BMW hat bei seinem Elektroautogeschäft längst Fahrt aufgenommen und bringt bereits eine Batterie mit eigens abgestimmten Zellen zum Einsatz. BMZ-Chef Sven Bauer sagt den BMW-Batterien 20 Jahre Lebenszeit voraus. Diese Qualität gehe aktuell noch zu Lasten der Reichweite, doch auch hier hole BMW auf.
Daimler gab im Mai bekannt, eine halbe Milliarde Euro in eine neue Batteriefabrik in Sachsen investieren zu wollen. "Die Batteriefabrik in Kamenz ist ein wichtiger Bestandteil in der Umsetzung unserer Elektro-Offensive", so Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Grundsteinlegung. Bis 2025 sollen 15 bis 25 Prozent aller Autos im Konzern elektrisch fahren. Der Stuttgarter Autobauer will so eine eigene Elektro-Marke aufbauen, ähnlich wie das bereits BMW vor Jahren mit den "i"-Fahrzeugen gemacht hat.
Wie Teslas Gigafactory soll auch Daimlers Batteriefabrik im kommenden Jahr den Betrieb aufnehmen. Im Gegensatz zu Tesla hat Daimler allerdings bisher kaum E-Fahrzeuge in der eigenen Modellpalette und will deshalb massiv investieren.
Fehlt den klassischen Autobauern eine echte E-Strategie?
Trotz der kräftigen Investitionen in die Elektromobilität scheinen die klassischen Autobauer keine wirklich neuen Lösungen parat zu haben. Offenbar orientieren sie sich ausschließlich an Tesla, ohne eigene Akzente zu setzen. Börsen-Experte Maydorn stellt im Online-Fernsehsender "Der Aktionär TV" fest, die Verhältnisse im Bereich der Elektromobilität hätten sich "komplett verschoben". Während der E-Autobauer Tesla in seine Gigafactory fünf Milliarden Dollar investiere, gebe der Premium-Autobauer Daimler nur 500 Millionen Euro aus.
Die Privatbank Berenberg sieht die Pläne der klassischen Automobilhersteller ebenfalls kritisch. Es fehle ihnen bis Mitte des kommenden Jahrzehnts eine klare Strategie für massentaugliche Elektroautos, schrieb Berenberg-Analyst Alexander Haissl vor Kurzem in einer Studie. Diese Lücke könnte der Elektroautobauer Tesla als Quasi-Monopolist ausfüllen.
"Model 3" - Teslas Einstieg in den Massenmarkt
Der Sprung auf den Massenmarkt soll Tesla mit dem neuen "Model 3" gelingen. Der sportliche Mittelklassewagen wird eine Reichweite von 345 Kilometern haben und 35.000 Dollar (40.000 Euro) kosten. Es wäre Teslas bislang günstigstes Fahrzeug. Zum Vergleich: Der Premiumwagen des US-Autobauers "Model S" kostet - je nach Ausstattung und Akkustärke - zwischen 78.000 und 185.000 Dollar (70.000 bis 165.000 Euro). BMWs "i3", der für den Massenmarkt und in Serie produziert wird, kostet mit 35.000 Euro etwas weniger als Teslas "Model 3".
Teslas "Model 3" hat auch Schwächen, die offenbar dem günstigen Preis geschuldet sind: Nach "Bild"-Informationen bietet Tesla für das neue Modell weniger als 100 Individualisierungsoptionen an. Beim "Model S" hingegen konnten Kunden aus mehr als 1.500 Konfigurationen wählen und diese an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Und, das ist für Tesla-Fans wohl das viel größere Problem, die Auslieferungszeit für das neue Modell beträgt aktuell mehr als ein Jahr.
Auch Tesla-Chef Musk hat die Erwartungen an das Massenauto bereits gedämpft und in mehreren Tweets Folgendes klargestellt: "Model 3" sei nicht so hochwertig wie "Model S". Es sei nicht dessen Nachfolger, sondern ein neues Einstiegsmodell, so Musk. Dennoch könnte Teslas Plan funktionieren. Laut Konzernangaben haben bereits 325.000 Interessenten je 1.000 Dollar eingezahlt, um ein "Model 3" für sich zu reservieren.
In der Tesla-Aktie ist "viel Fantasie drin"
Berenberg-Analyst Haissl empfiehlt die Tesla-Aktie mit einem Kursziel von 464 US-Dollar zum Kauf. Er traut der derzeit besten NASDAQ 100-Aktie des laufenden Jahres damit weitere 25 Prozent Potenzial zu. Der Hersteller von Elektrofahrzeugen könne die gesamte Branche umzuwälzen, schrieb er.
Börsenbriefherausgeber Maydorn rechnet sogar mit einer Verzehnfachung des Tesla-Kurses in den kommenden sieben bis acht Jahren. Allerdings muss er eingestehen, dass die Aktie nicht günstig ist. "Es ist tatsächlich so, man hat hier viel Fantasie drin, wahrscheinlich sogar 90 Prozent Fantasie. Aber, wenn Tesla diese Fantasie auch ausfüllt mit operativem Geschäft, was möglich ist, dann kann die Aktie auch weiter steigen."
Ganz anders klingen manche Stimmen an der Wall Street. Für Hedgefonds-Manager David Einhorn ist die Aktie des US-Elektroautobauers völlig überbewertet. Doch die Aktie steigt weiter, die Anleger wetten auf einen Erfolg im Rennen um die Auto-Krone. Allerdings könnte das Warten auf einen Kursrücksetzer derzeit die klügere Wahl sein ...
Von Markus Gentner/Redaktion finanzen.net
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