Lufthansa & Co.: Absturzgefahr?
Der Chef von Qatar Airways warnt vor einer weltweiten Pleitewelle der Fluggesellschaften.
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Der gesamten Branche drohe wegen der gestiegenen Kerosinkosten und der Verkehrsflugsteuer erneut ein knallhartes Jahr, so Akbar Al Baker.
Kultinvestor Warren Buffett dürfte sich wieder einmal bestätigt sehen. Lesen Sie, warum...
Die Gebrüder Wilbur und Orville Wright gelten als Pioniere der Flugfahrt in den USA. Buffett meinte hierzu einst: Wenn bei den Flugversuchen damals ein Kapitalist anwesend gewesen wäre, hätte er die beiden bei den Testflügen in Outer Banks, North Carolina abgeschossen. Und weiter, in Anspielung auf die erste Mondlandung: "Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer Schritt für den Kapitalismus."
Das meinte Buffett mit seinem ureigenen trockenen Humor natürlich im Spaß. Hintergrund des Ganzen ist, dass Buffett mit Aktien von Fluglinien in der Vergangenheit nur Geld verloren hat und er die Branche insgesamt für ein schlechtes Investment hält. Langjährige Lufthansa-Aktionäre dürften ihm Recht geben, wobei die zwar keine Kurssteigerungen aber wenigstens immer regelmäßig Dividende bekommen.
Aber zurück zur aktuellen Lage: Auch Tony Tyler, Chef der Weltluftfahrt-Organisation Iata, erklärt düster: Bei einer ausgewachsenen Rezession in Europa sei ein Milliardenverlust für die Fluglinien möglich. Und das wiederum hätte Insolvenzen zur Folge. Wie sind diese Äußerungen zu werten: Als „Schüsse vor den Bug“ oder Panikmache, um höhere Ticketpreise zu begründen?
Das große Sterben
Immerhin: Air Berlin-Chef Hartmut Mehdorn, dessen Unternehmen den Verlust in 2011 glatt verdoppelte, verweigerte eine Jahresprognose und selbst Lufthansa und Air France-KML müssen Sparprogramme auflegen. Auf der anderen Seite ist erstaunlich, dass die International Airlines Group (IAG), Mutterkonzern der Branchenriesen British Airways (BA) und Iberia, einen deutlichen Gewinn von 555 Millionen Dollar vorlegen konnte, mehr als fünfmal soviel wie im Vorjahr. Also alles nur eine Frage der richtigen Strategie?
Nicht wegzudiskutieren ist: Die Branche steckt in heftigen Turbulenzen. Auf allen Kontinenten. Der Konkurrenzdruck ist überall immens, dazu kommt die Kerosinpreis-Explosion. Für die Euro-Airlines bedrohlich: Die Konjunktur in Süd- und Osteuropa kommt nicht auf die Beine, die Zahl liquider Geschäftsreisender, mit denen viele Fluglinien das meiste Geld verdienen, sinkt rapide.
Fakt ist auch: Das Sterben der Airlines hat schon begonnen. Mit der deutschen Cirrus, der spanischen Spanair und der ungarischen Malev mussten allein im Januar bereits drei bekanntere Fluggesellschaften Insolvenz anmelden. Grounding nennen das Luftfahrtexperten. Man könnte es auch als Konsolidierung bezeichnen.
Alle drei genannten Unternehmen galten schon länger als Problemfälle. Ist ihr Absturz schon Nachweis einer nachhaltigen Krise der Luftfahrtbranche? Wohl eher nicht. Die ist erst substanziell, wenn bedeutende Airlines ins Trudeln kommen. Doch das kann ich nicht erkennen. Noch nicht.
Das Problem der Kleinen ist: Branchenführer wie Lufthansa und Air France-KLM können sich mit Treibstoffsicherungsgeschäften gegen weitere Ölpreis-Anstiege behelfen. Aber das ist sehr teuer. Viele Mini-Airlines mit knappen Margen und schwacher Kapitalausstattung können sich das nicht leisten und machen darum hohe Verluste.
Weltweit sind mehrere Dutzend Unternehmen betroffen, die sich gegenseitig auch noch brutal zusetzen. Oft auch im eigenen Land.
Kingfisher vor dem Aus?
Aktuell vor dem Aus steht beispielsweise die indische Fluggesellschaft Kingfisher. Indien ist nicht unwichtig für die Airline-Branche. Im Gegenteil: In kaum einem Markt steckt mehr Potenzial, trotzdem schreiben fünf der sechs großen indischen Fluggesellschaften rote Zahlen.
Laut dem Centre for Asia Pacific Aviation (CAPA) steckt die staatliche Air India mit umgerechnet 1,2 Milliarden Euro am tiefsten im Minus, gefolgt von Jet Airways und Kingfisher. Von der 64 Flieger zählenden Kingfisher-Flotte ist momentan weniger als die Hälfte im Einsatz. Internationale Routen mussten bereits aufgegeben werden. Gleichzeitig kündigte Partner British Airways das Codeshare-Abkommen.
Nachdem indische Steuerbehörden zuletzt mehrere Konten der Airline eingefroren hatten, warf die Iata Kingfisher aus ihrem Abrechnungssystem. Die Schulden konnten nicht mehr beglichen werden. Das geschah schon zum zweiten Mal in etwas mehr als einem Monat. Seit Beginn des Flugbetriebs 2005 hat Kingfisher es nie geschafft, schwarze Zahlen zu schreiben.
Zurück zu Europa: Hier bereitet die Austrian Airlines (AUA) akute Sorgen. Vor allem der Lufthansa, zu der die AUA seit September 2009 gehört. Erneut haben es die Österreicher nicht geschafft, die operativen Verluste merklich zu reduzieren. 2010 musste die Lufthansa bereits mit operativen AUA-Verlusten von 66 Millionen Euro kämpfen.
Die für 2011 ursprünglich anvisierten schwarzen Zahlen stellten sich schon bald als Illusion heraus. Nach drei Quartalen lagen die operativen Verlusten bereits bei 34 Millionen Euro. Im Gesamtjahr 2011 betrugen sie dann insgesamt 62 Millionen Euro. Im Vorjahr hat die AUA 2,047 Milliarden Euro umgesetzt, plus 0,7 Prozent. Das EBITDA fiel um 36,2 Prozent auf 107 Millionen Euro. 11,26 Millionen Passagiere wurden befördert (plus 3,4 Prozent).
Die Auslastung der Flotte sank von 76,8 auf 73,8 Prozent. Jetzt muss eisern gespart werden: 200 Millionen Euro. Eine Hausnummer! Starke Eingriffe verlangt das Unternehmen dabei vor allem vom fliegenden Personal. Streiks sind möglich. Immerhin steht eine Kapitalspritze an. Lufthansa stockt das Eigenkapital unter Vorbehalt um 140 Millionen Euro auf. Das EBITDA-Margen-Ziel ist 7,4 Prozent. Viel zu ambitioniert meine ich. Bescheiden aber im Vergleich zu den 15,7 Prozent, die der Schweizer Schwester Swiss als Ziel vorgegeben sind.
Die Swiss hat im Vorjahr ein nahezu stabiles operatives Ergebnis von einer halben Milliarde Euro eingeflogen, hat aber auch einen entscheidenden Vorteil gegenüber AUA (und der Lufthansa!): Von solchen Fischzügen wie der in erster Linie finanzpolitisch motivierten Luftverkehrssteuer hat die Schweiz nämlich vorsorglich die Finger gelassen.
British Airways und Iberia flogen bisher relativ schadlos durch die Krise. Ist das nur ein Silberstreif am grauen Himmel der Luftfahrtbranche? Analysten verweisen auf den Ausbau der Kapazität auf der Langstrecke und die gute Auslastung der Transatlantik-Routen.
Eine Strategie, die jetzt übrigens AirBerlin übernehmen will: Bei einem Auftritt auf der ITB in Berlin verkündete Chef Hartmut Mehdorn die ersten Früchte der strategischen Allianz mit Etihad: den Ausbau der Fernverbindungen nach Nordamerika und Asien. So wird AirBerlin künftig von Berlin aus Abu Dhabi, Los Angeles, Windhoek sowie auch Danzig ansteuern. Von Düsseldorf gibt es in Zukunft Flüge in die USA nach Las Vegas. Vor allem das Drehkreuz Berlin, wo der neue Großflughafen entsteht, wird kräftig ausgebaut.
Unabhängig davon, dass die wachsende Konkurrenz auch bei den Fernreisen für weiteren Preisverfall sorgen wird, erfordert die Erweiterung des Flugangebots höhere Investitionen (was Mehdorn bestreitet!). Fraglich ist, ob AirBerlin das stemmen kann. Mit höheren Ticketgebühren geht das kaum.
Wie geht’s aber weiter mit den europäischen Hoffnungsträgern BA und Iberia? Da ist Vorsicht angesagt: Die Olympischen Spiele in London könnten die IAG-Gewinne in diesem Jahr wieder deutlich schmälern: Viele Briten, die normalerweise im Sommer die Insel verlassen, werden wegen des Großereignisses eher zu Hause bleiben. Zusätzlich belasten Passagiergebühren in Großbritannien das Konzernergebnis. Auch auf die Spanier warten wieder unruhigere Zeiten: Die Spanair-Pleite hat den Heimatmarkt verunsichert. Und mit Volotea drängt ein neuer Billigflieger nach Südeuropa.
MEIN FAZIT:
- Die immer teurer werdenden Kerosinkosten, die steigenden Abgaben in Europa und die Konjunkturflaute in Südeuropa werden zunehmend zum Bremsklotz. Viele kleinere Airlines, die jetzt schon verschuldet sind, kommen in akute Absturzgefahr.
- Die Branchenführer dagegen – dazu gehören in Europa Lufthansa, mit Abstrichen (alte Flotte!) Air France-KLM und British Airways – sind dagegen gerüstet für ein weiteres hartes Jahr. Sie können in neue, kraftstoffsparendere Flugzeuge investieren. Allerdings ist das eine sehr langfristige Strategie.
- Neue Chancen bieten sich für gut aufgestellte Billig-Arlines wie Easyjet und Ryanair, die über relativ neue Flugzeug-Flotten verfügen. Kühlt die Konjunktur weiter ab, profitieren die Low-Cost-Carrier.
- Investieren würde ich derzeit in keine Airline. Zu unsicher sind die Aussichten. Die Lufthansa-Aktie hat zwar zweifellos Aufholpotenzial. Es muss aber abgewartet werden, wie das Sparprogramm einschlägt. AirBerlin hat ein schwaches Jahr hinter sich. Ich sehe nicht, warum sich das 2012 ins Positive drehen sollte.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
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