Die Last der niedrigen Zinsen
Dass die Ära der Nullzinsen erheblichen Schaden anrichtet, musste in den vergangenen Jahren jeder Sparer leidvoll erfahren.
Laut einer Analyse der DZ BANK büßen die Deutschen mit Tagesgeldkon-ten, Wertpapieren und Versicherungen zwischen 2010 und 2016 unter dem Strich knapp 200 Mrd. Euro ein. Die Nullzinspolitik dürfte vielen Deutschen einen großen Strich durch ihre Pläne zur Altersvorsorge machen. Doch auch für die Banken gehen erhebliche Gefah-ren aus. Nach Ansicht von EZB-Chefvolkswirt Peter Praet - eigentlich ein glühender Verfechter der Geldpolitik von Mario Draghi - sind sie ein Fall für die Aufsicht. "Leitzinsrisiken für das Bankenwesen werden vom regulatori-schen Umfeld noch nicht erfasst und sollten doch im gegenwärtigen Kontext Priorität haben", forderte der EZB-Direktor auf einer Finanzkonferenz in Brüssel. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist seit Herbst 2014 für die Aufsicht der größten Banken im Euroraum zuständig. Inzwischen überwacht sie 129 Institute. Die deutsche Finanzbranche beklagt seit längerem, dass es durch das vom EZB-Rat geschaffene Nullzinsumfeld zunehmend schwieriger wird, im klassischen Kreditgeschäft ausreichende Erträge zu erzielen. Wie stark die Geldinstitute unter den niedrigen Zinsen leiden, zeigt eine Studie des Bankhauses Metzler. Deren Analyst Jochen Schmitt hat in drei Szenarien die Belastungen für die fünf börsennotierten deutschen Banken - Aareal Bank, Comdirect, Commerzbank, Deutsche Bank und Deutsche Pfandbriefbank - errechnet.
Erhebliche Gewinneinbußen
Institute 2018 um 35 Prozent niedriger aus als 2015, wenn die Zinsen auf dem aktuellen Niveau bleiben. In der Summe wären das rund 2,1 Mrd. Euro. Sollten die Zinsen am deutschen Anleihe- und Geldmarkt nochmals um 50 Basispunkte fallen und auf diesem Niveau bis Ende 2018 verharren, würde sich das aggregierte Zinsergebnis im Jahr 2018 im Vergleich zu 2015 sogar um 3,7 Mrd. Euro verringern.
Am anfälligsten sei der Zinsertrag der Commerzbank-Tochter Comdirect. Denn der Onlinebroker besitzt viele Kundeneinlagen, legt diese aber vor al-lem bei der Konzernmutter Commerzbank an, anstatt Kredite zu vergeben, mit denen sich mehr verdienen lässt. Die Studie sieht etwa 60 Prozent des Vorsteuergewinns in Gefahr. Universalbanken wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank haben es da leichter, da sie auch Kredite vergeben. Doch auch bei ihnen befürchtet Schmitt deut-liche Einbrüche im Zinsertrag. Bei der Deutschen Bank kommt hinzu, dass das Niedrigzinsumfeld von anderen Problemen überlagert werde, insbesondere von der Unsicherheit aufgrund von Rechtsrisiken. In seinem Basisszenario geht Schmitt davon aus, dass die Zinsen bis 2018 leicht steigen werden - und zwar um rund 50 bis 75 Basispunkte. Doch auch unter dieser Prämisse erwartet der Analyst, dass die Banken ihre Kapitalkosten nicht verdienen werden. Zudem rechnet er damit, dass einige Institute in diesem Szenario ihre Risikobereitschaft - beispielsweise in der Kreditvergabe - erhöhen werden, um dem Ergebnisdruck gegenzusteuern. Kurzum: Für die Geldinstitute ist so schnell keine Entspannung in Sicht. Daher sollte die Underperformance des Sektors anhalten. Anleger sind daher gut beraten, wenn sie auf der Shortseite bleiben. Dazu bietet sich ein Turbo Put der Commerzbank auf den STOXX Europe 600 Banks an.
Christian Scheid ist seit rund 18 Jahren als Wirtschafts- und Finanzjournalist tätig, davon seit circa zehn Jahren als freier Autor. Aktuell schreibt er für mehrere deutschsprachige Fachmagazine und -zeitungen in den Bereichen Aktien und Derivate, darunter Börse Online, Capital, Euro am Sonntag und Zertifikate // Austria. Per 1. Juli 2014 kehrte er zum ZertifikateJournal zurück, wo er bis Ende 2009 schon einmal tätig war und die damalige Österreich-Ausgabe des ZJ verantwortete. Hier können Sie sich zum Gratis-Newsletter anmelden: ZertifikateJournal
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.