Interview Exklusiv

Experten für Gold: „Ein Inflationsschock ist realistisch“

aktualisiert 15.01.13 07:09 Uhr

Die Experten Ronald Stöferle und Thorsten Proettel geben einen Ausblick für den Edelmetallmarkt. Die Hauptgründe für steigende Goldpreise sind die „monetäre Verlotterung“ und die ungebrochene Nachfrage vieler Notenbanken.

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von Benjamin Summa

Der Goldpreis kam in den vergangenen drei Monaten unter die Räder. Gründe für den deutlichen Rückschlag waren positive Konjunkturdaten sowie ein stärkerer US-Dollar. Welche Prognose haben Sie für 2013?
Ronald Stöferle: Ich glaube, dass wir bereits in diesem Jahr mein Langfrist-Kursziel von 2.300 US-Dollar erreichen könnten. Dieses Ziel habe ich erstmals vor sechs Jahren genannt und heute bin ich mir mehr denn je sicher, dass wir diese Zielmarke übertreffen werden. Für mich ist der Hauptgrund die, wie ich sie nennen würde, „monetäre Verlotterung“.

Ronald Stöferle
Ich wurde in den vergangenen Tagen sehr oft von Journalisten gefragt, ob das Ende des Bullenmarktes erreicht sei. Ich habe darauf stets mit ein paar einfachen Fragen reagiert: Hat die Notenbankinflationierung plötzlich geendet? Steht das Finanzsystem auf einem gesunden Fundament? Hat sich in China und Indien die Affinität zu Gold in den letzten Wochen dramatisch geändert? Glauben Sie, dass die Realzinsen deutlich ansteigen (dürfen)? Wurde die weltweite Staatsschuldenproblematik gelöst? Würden Sie glauben, dass seitens der Politik ein Umdenken stattgefunden hat? Glauben Sie, dass Anleihen auf dem aktuellen Allzeithoch noch wahnsinnig attraktiv sind? Wenn man sich diese Fragen ansieht, kommt man schnell zu dem Schluss, dass sich wenig geändert hat und Gold weiterhin in jedes Portfolio gehört. In den vergangenen Jahren wurden die Notenbank-Bilanzen in einem noch nie dagewesenen Ausmaß aufgebläht - wenn man da nicht zurückfährt und die monetäre Party rasch beendet, droht die finale Eskalation.
Zudem glaube ich, dass der Konjunkturausblick derzeit zu pessimistisch ist. Ich glaube, wir sehen insbesondere aus China und den Emerging Markets sowie den Aktienmärkten ermunternde Signale. Ich kann mir gut vorstellen, dass im neuen Jahr die konjunkturelle Entwicklung besser verläuft, was den Preis von Gold und besonders Silber stützen wird und natürlich auch den gesamten Rohstoffsektor beflügeln sollte. Weitere Faktoren wie die negativen Realzinsen werden weiterhin aktuell bleiben, außerdem wird die starke Nachfrage nach Gold bei den Zentralbanken auf hohem Niveau bleiben. In den vergangenen Monaten haben viele Staaten im großen Stil auf dem Goldmarkt zugegriffen, beispielsweise Brasilien, Mexiko, Russland, Irak und so weiter. Die Zentralbanken bleiben auch 2013 auf der Käuferseite.
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Thorsten Proettel: Vermutlich waren auch ein paar Gewinnmitnahmen für den Goldpreisrückgang Ende 2012 verantwortlich. Dies war schon Ende 2011 der Fall und im Januar 2012 stiegen die Notierungen um 150 USD. Wiederholt sich das Schema, dann dürfte der Preis heuer wieder zügig die Marke von 1.750 USD verteidigen.
Abgesehen hiervon rechne ich 2013 ohnehin mit einem moderaten Goldpreisanstieg. Der Anlagenotstand der Investoren dürfte weiterhin anhalten und die Notenbanken werden vermutlich ebenfalls auf der Käuferseite aktiv sein. Ich rechne zwar mit nachlassenden Erwerbungen der russischen Notenbank, da das Ziel eines Goldanteils in Höhe von 10 Prozent der Währungsreserven bald erreicht ist. Dafür stiegen Ende 2012 zum ersten Mal seit 2008 wieder die Goldreserven Brasiliens. Drittens erwarte ich eine leichte Beschleunigung des Wirtschaftswachstums in China. In der Vergangenheit ging ein hohes Wachstum mit höheren Goldkäufen der Privathaushalte einher. Meine Erwartung für den Preis liegt bei rund 1.800 USD je Feinunze.

Die Staaten werden künftig im Sinne einer Entschuldung weiterhin auf Inflation angewiesen sein. Die Vermögen der Sparer verlieren dadurch an Wert – die Edelmetalle profitieren von dieser Entwicklung. Wie lange wird die Politik des billigen Geldes und damit einhergehend die Phase der negativen Realverzinsung Ihrer Meinung nach noch anhalten?
Ronald Stöferle: Die Politik des billigen Geldes wird nicht enden, im Gegenteil: Die Dimensionen werden immer größer, die Fristen zwischen den einzelnen Paketen immer geringer. Auch wenn es oft heißt, dass „finanzielle Repression“ die einfache Lösung unserer Überschuldungsproblematik sein wird, so bezweifle ich dies.

Der oft gehörte Vergleich mit der finanziellen Repression der Nachkriegszeit geht nicht auf – damals war die Demographie eine ganz andere, wir hatten reales Wachstum, ganze Länder mussten nach dem Krieg wieder aufgebaut werden. Zudem hatten wir nicht die Verschuldung auf allen Ebenen – heutzutage sind Bund, Länder, Kommunen und die Privathaushalte in einem Maße verschuldet, wie es vorher nie dagewesen war. Insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass wir uns auf Sicht der nächsten 10 bis 15 Jahre über negative Realzinsen „gemütlich“ entschulden können. Ich persönlich halte einen plötzlichen Inflationsschock für realistischer. Eine solche unerwartete Teuerung muss in erster Linie aus dem Rohstoffbereich kommen, vermutlich aus der Landwirtschaft und/oder Energie. Bei den anhaltenden Spannungen im Nahen Osten könnte ein weiterer Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen und beispielsweise die Rohölpreise stark ansteigen lassen.
Ich blicke derzeit besonders interessiert nach Japan, wo ganz offensichtlich das letzte Quäntchen an Unabhängigkeit der Notenbank von der Politik beendet wird und eine massive Inflationierung ostentativ eingefordert wird. Ähnliche Tendenzen sieht man generell immer häufiger, auch im Westen.
Auch wenn es im Zuge der Fed-Minutes zuletzt hieß, dass ein baldiges Ende von QE bevorstünde, so fehlt mir allein der Glaube. Auch in einigen Fed-Minutes in 2009 und 2010 wurde einige Male über die Exit-Strategie diskutiert, was zu kurzfristig stark steigenden Bond-Yields geführt hat. Nun sind wir im Jahre 2013 und mein Glaube an eine nachhaltige Exit-Strategie hält sich gelinde gesagt in Grenzen.

Thorsten Proettel
Thorsten Proettel: In Euroland ist ein Ende der Niedrigzinspolitik nicht abzusehen, da die Probleme nur sehr langsam angegangen werden und die Notenbank eingreifen muss, wenn ein Zusammenbruch der Gemeinschaftswährung verhindert werden soll. Anders sieht es in den USA aus. Bisher gab die Notenbank die Jahresmitte 2015 als mögliches Ende ihrer ultralockeren Goldpolitik an. Auf der letzten Sitzung im Dezember 2012 wurde aber das so genannte Wording geändert. Nun macht die Notenbank eine Zinswende vom Erreichen einer Arbeitslosenquote in Höhe von 6,5 Prozent abhängig. Wird die Entwicklung der Quote in den vergangenen Monaten in die Zukunft fortgeschrieben, dann scheinen bereits Mitte 2014 höhere Zinsen denkbar. Goldanleger sollten dieser Entwicklung Ende 2013/Anfang 2014 große Aufmerksamkeit widmen.

Goldman Sachs-Analysten haben kürzlich Zweifel an einer Fortsetzung der Goldpreis-Rallye angemeldet. Als Grund gaben die Banker steigende Realzinsen in Folge eines stärkeren Wirtschaftswachstums in den USA an. Wie bewerten Sie diese Analyse?
Ronald Stöferle: Die Analyse ist aus meiner Sicht nicht konsistent. Sie geht beispielsweise von einer Aufhellung der Konjunktur aus, die angeblich für ein sinkendes Interesse an Gold und speziell Silber sorgen soll. Dabei dürfte in diesem Szenario auch die Teuerung deutlich ansteigen, was die Edelmetallpreise meines Erachtens nach stützt. Viele große Häuser sind in den vergangenen zwei Jahren in Bezug auf Gold sehr bullisch geworden. Dies zeigt auch an, dass wir uns vermutlich bereits in einer fortgeschrittenen Phase des Bullenmarktes befinden. Die Tatsache, dass einige Investmentbanken nun wieder vorsichtiger werden, ist deshalb meiner Meinung nach positiv zu interpretieren.

Thorsten Proettel: Viele Probleme in den USA sind zwar ungelöst. Aber tatsächlich kommen die USA besser aus dem Krisenmodus heraus als Europa. Beispielsweise scheinen die Immobilienpreise ihren Boden gefunden zu haben. Die Hauspreise steigen schon seit einiger Zeit wieder. Insofern sind auch wieder positive Realzinsen denkbar, die Gift für den Goldpreis wären. Es bleibt derzeit abzuwarten, ob dann andere Faktoren wie steigende Goldkäufe in den Schwellenländern diese Entwicklung ausgleichen können.

Auf Basis der vergangenen 250 Tage weist Silber eine historische Volatilität von knapp 40 Prozent auf und übertrifft damit die entsprechende Risikokennzahl seines großen Bruders Gold (21,6 Prozent) um den Faktor 1,92. Vereinfacht ausgedrückt lässt dieser Umstand folgenden Schluss zu: Verglichen mit Gold weist Silber fast doppelt so hohe Renditechancen und zugleich aber auch ein doppelt so hohes Rückschlagpotenzial auf. Was spricht Ihrer Meinung nach derzeit für Silber, was dagegen?
Ronald Stöferle: Meine Prognose geht von einer Stärkung der Konjunktur aus. Insofern wird sich dies klar positiv auf die industrielle Nachfrage nach Silber auswirken. Selbstverständlich ist weiterhin eine hohe Volatilität zu berücksichtigen, ich denke aber, dass erfahrene Anleger diese Schwankungen aushalten und am Ende des Tages redlich dafür belohnt werden. Ich glaube, dass Silber in diesem Jahr sogar Gold outperformen wird. Wenn meine Kursprognosen beim Gold auch nur annähernd eintreffen, werden wir bei Silber auf Sicht der nächsten 2-3 Jahre einen Unzenpreis von bis zu 50 Dollar sehen, langfristig halte ich auch dreistellige Beträge durchaus für möglich.

Thorsten Proettel: Für Silber spricht die hohe und trotzdem noch wachsende Nachfrage aus der Elektroindustrie. Ich rechne mit einer Fortsetzung des Wirtschaftswachstums in den Schwellenländern, das eine zunehmende Rohstoffnachfrage bedingt. Silber dürfte hiervon profitieren. Gegen Silber als Kapitalanlage spricht das gleiche Argument; die hohe Abhängigkeit des Preises von der Konjunktur. Ich würde Silber deshalb immer nur als Ergänzung zu Gold aber nicht als Ersatz ansehen.

Wer darauf vertraut hat, dass Minenaktien 2012 Ihren Rückstand gegenüber dem Goldpreis aufholen, sieht sich bislang getäuscht. Woran liegt das hauptsächlich?
Ronald Stöferle: Nachdem sich Gold in den vergangenen Monaten eher seitwärts bewegt hat, waren keine besonderen Impulse für die Minenaktien zu erwarten. Allerdings war ich positiv überrascht über die Unternehmensergebnisse vieler Unternehmen. Bisher hatten wir im Minensektor das Problem, dass von den Firmen viel versprochen und wenig eingehalten wurde. Hier hat ein Umdenken eingesetzt, viele Geschäftsführer wurden ausgetauscht. Man hat erkannt, dass „Wachstum um jeden Preis“ nicht von der Investorenschaft goutiert wird.
Derzeit befinden sich Goldaktien in Relation zum Goldpreis auf dem tiefsten Stand seit Beginn des Bullenmarktes, allein im Sinne der „meanreversion“ (Anm. der Redaktion: Gemeint ist hier die Theorie, dass Märkte zu Übertreibungen neigen, die sich im Zeitablauf korrigieren) wäre dies ein starkes Kaufargument.

Zudem machen die Minenbetreiber inzwischen mit starken Bilanzen auf sich aufmerksam, sie verfügen über relativ hohe Cashflows, eine niedrige Verschuldung, hohe Margen und können inzwischen auch wieder steigende Dividenden bieten. Minenaktien sind für mich eine Spekulation mit sehr hoher Hebelwirkung und extrem guten Einstiegsniveaus. Ich betone aber immer, dass das Investment in Minenaktien den physischen Goldbesitz nicht ersetzen kann. Es sind zwei paar Schuhe – mit physischem Gold ist eine De-Facto-Währung und eine Form des Sparens verbunden, Goldaktien sind ein klassisches Investment. Für mich gibt es hier kein „entweder/oder, sondern ein "sowohl als auch".

Thorsten Proettel: Die Misere der Minenaktien hat viele Gründe. Da sind zum einen Alternativen wie börsengehandelte Goldfonds, die es vor zehn Jahren in dieser Form noch nicht gegeben hat. Anleger sind also nicht auf Aktien angewiesen, um ihr Goldexposure mit Wertpapieren zu erhöhen. Zum anderen sind die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen oftmals schlecht und die Kostensituation ist aufgrund gestiegener Energiepreise und Löhne verheerend. Daran hat sich auch 2012 nichts geändert. Ein besonders anschauliches Beispiel ist die Situation in Südafrika, wo die Minen im zweiten Halbjahr zuerst durch Streiks gebeutelt wurden. Die sind mittlerweile zwar beigelegt aber nur zum Preis hoher Lohnabschlüsse.

Erwarten Sie 2013 starken Rückenwind für die Minenaktien?
Ronald Stöferle: Ich denke, dass die aufgehellte Stimmung an den Aktienmärkten auch den Goldminenaktien helfen wird. Wir könnten auf den Aktienmärkten im Laufe des Jahres wieder Euphorie-Niveaus nach dem Motto "Die Krise war gestern" erreichen. Und in einem solchen Szenario würden Goldaktien meiner Meinung nach Outperformer sein. Allerdings ist gerade in diesem Marktsegment die Selektion der richtigen Aktien das Wichtigste.

Thorsten Proettel: Auch in diesem Jahr dürften es die Minen schwer haben. Ein positiver Effekt ist allerdings, dass der Rohstoffboom bei den Basismetallen abflaut und die Preissetzungsmacht der Hersteller von Minenausrüstungen möglicherweise etwas zurückgeht.

Welches sind Ihrer Meinung nach die interessantesten Minen-Aktien?
Ronald Stöferle: Normalerweise fließt das Geld, wenn ein Sektor an Momentum aufnimmt, zuerst in die "large caps", dann in die "midcaps" und erst später in die "smallcaps". Bereits jetzt ziehen bei den "large caps" auf dem Goldminenmarkt die Volumina an, im "midcap"-Bereich ist eine langsam steigende Übernahmeaktivität zu beobachten. Ich beobachte derzeit insbesondere die Aktien von Unternehmen wie Yamana Gold, AuRico, Premier Gold Mines oder GoldCorp, aber auch Osisko, Detour Mining oder Pan African.

Thorsten Proettel: Da ich keine Minenaktien analysiere, halte ich mich mit Einzeltitelempfehlungen zurück. Grundsätzlich gilt aber, dass die Chancen und auch Risiken bei den kleinen Unternehmen, also den Juniors und Explorers am höchsten sind, wohingegen für die geografisch diversifizierten Seniors ihre relative Sicherheit spricht. Anleger sollten deshalb weniger auf vermeintlich sichere Tipps in Börsenbriefen setzten, sondern eher ihre persönliche Risikoneigung berücksichtigen.

Zur Person

Ronald Stöferle ist Fondsmanager und Autor einer jährlich erscheinenden Goldstudie.
Thorsten Proettel ist Rohstoff-Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.

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