Silber: Torschlusspanik unnötig
Beim Kauf von Silbermünzen werden ab 2014 höhere Steuern fällig. Dies treibt zusammen mit dem niedrigen Silberpreis den Absatz. Wer die Ausnahmeregeln kennt, muss sich jedoch nicht sputen.
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von Oliver Ristau, Euro am Sonntag
Alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit hat Silber Konjunktur. So manche Preziose aus dem Edelmetall findet dann den Weg unter den Weihnachtsbaum. Derzeit allerdings gibt es eine Nachfrage, die weniger mit der Adventszeit zu tun hat als mit Torschlusspanik. Die Anleger in Deutschland stürzen sich auf Silbermünzen, weil für diese Form der Kapitalanlage ab 2014 höhere Steuern fällig werden. Der günstige Silberpreis treibt das Geschäft zudem an.
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Plus500: Beachten Sie bitte die Hinweise5 zu dieser Werbung.„Die Absätze von Anlagemünzen aus Silber haben sich seit zwei Wochen verdoppelt“, berichtet Robert Hartmann, Chef des Edelmetallhändlers Pro Aurum. „Zuletzt hatten wir 2008/2009 eine derart starke Nachfrage.“ Damals war der Silberpreis infolge des globalen Schocks um die Pleite der US-Investmentbank Lehman innerhalb weniger Monate von 19 auf neun Dollar je Unze eingebrochen, was Anleger zu massiven Käufen animierte.
Auch aktuell kommen die Prägeanstalten kaum hinterher, den Hype zu befriedigen. Ob kanadischer Maple Leaf, American Eagle oder australischer Kookaburra mit dem Bild des Eisvogels, der hierzulande auch Lachender Hans genannt wird — kaum haben die Händler neue Ware online gestellt, ist sie schon vergriffen. Selbst beim Wiener Philharmoniker kommt es zu Engpässen, obwohl die Münze Österreich den Boom vorhergesehen hat und unter Hochdruck produziert.
Teilweise sind nur noch Münzen der zweiten Reihe zu bekommen wie der Silver Eagle aus Andorra, der in normalen Zeiten weniger gefragt ist. Die Münzen aus dem Pyrenäenstaat verfügen zwar über identische Silbergehalte wie die Klassiker und sind sogar zu einem günstigeren Preis zu haben. Die hochwertigeren Pendants wie der Koala aus Australien oder der chinesische Panda sind wegen ihrer aufwendigeren Prägung jedoch teurer. So müssen Anleger für die Koala-Silbermünze zu einer Unze bei Pro Aurum derzeit rund einen Euro mehr bezahlen als für das Stück aus Andorra mit identischem Metallgewicht. Auch die Wiederverkaufserlöse sind höher. So bringt ein gebrauchter Koala 2,50 Euro mehr als eine alte Andorra-Münze. Für Anleger, die auf einen möglichst hohen Wiederverkaufswert setzen, sind die Ausweichmünzen also eher nichts.
Allerdings verschwenden die meisten Käufer, die Münzen aus Anlage-Interesse erwerben, an den Verkauf keinen Gedanken. „Für 80 Prozent der Kunden spielen Rendite und Kurssteigerung eine untergeordnete Rolle“, sagt Hartmann. „Ihnen geht es vor allem um Kaufkrafterhalt und Vermögensschutz.“
Wer dafür noch mit Silbermünzen zu den alten Konditionen sorgen will, muss sich beeilen. Denn ab Januar werden Silbermünzen nicht mehr mit sieben wie bisher, sondern mit 19 Prozent besteuert. „Ab 23. Dezember nehmen wir die Münzen aus dem Verkauf“, sagt Hartmann. Ab dann können die Händler nicht mehr sicherstellen, dass die Ware nach Bestellung auch noch im alten Jahr beim Kunden ankommt — eine Voraussetzung für den niedrigen Steuersatz. Kunden müssen dann direkt in die Verkaufsräume gehen, um Silbermünzen noch zum Niedrigsatz zu bekommen. Betroffen von der Neuregelung sind neben Silbermünzen auch Münzbarren. Anders als Silberbarren, für die schon lange 19 Prozent fällig werden, haben diese Silberblöcke eine Münzprägung — etwa aus Andorra oder von den Cook Islands — und gelten deshalb als Zahlungsmittel, was bisher Grund für die ermäßigte Steuer war.
Die Nachfrage bei den Münzstangen sei derzeit ebenfalls groß, bestätigt der Edelmetallspezialist Heimerle + Meule. Die Pforzheimer Gold- und Silberscheideanstalt produziert solche Barren mit einer Cook-Island-Prägung in Deutschland. Ab Januar wird es diese Produkte nicht mehr geben. Mit der Steuer werden Münzbarren wie Münzen um etwa zehn Prozent teurer — und damit unattraktiv.
Steuerliche Sonderfälle
Denn die Steueranhebung greift nicht bei allen Silbermünzen. Sie gilt nur für neue Stücke, die in der EU gefertigt werden. Für alle anderen Münzen — gebrauchte und neue aus Nicht-EU-Ländern — wenden Händler einen legalen Trick an, um sie zu umgehen. Das funktioniert über die sogenannte Differenzbesteuerung. Dabei wird nur die Marge der Händler zwischen An- und Verkaufspreis mit 19 Prozent besteuert. „Da die Handelsmargen bei Edelmetallen bei unter einem Prozent liegen, verteuert sich die Silbermünze so nur um weniger als 0,2 Prozent“, sagt Tim Schieferstein, Chef des Wiesbadener Edelmetallhändlers Solit.
Das betrifft sämtliche stark gefragten Silbermünzen aus Kanada, den USA und Australien. Anleger haben also auch nach Silvester noch die Möglichkeit, das Gros der bekannten Silbermünzen zu nahezu unveränderten Konditionen zu erwerben. Dagegen wird der österreichische Philharmoniker ab Januar tatsächlich steuerbedingt rund zehn Prozent teurer sein und so wohl zunächst zum Ladenhüter mutieren. Doch auch Münzen oder Münzbarren aus dem EU-Raum könnten im neuen Jahr beim Anleger punkten, etwa wenn ihr Verkauf aus der Schweiz abgewickelt würde, die ja nicht Mitglied der Gemeinschaft ist.
Positive Prognosen
Es liegt derzeit aber nicht nur an der Steuer, dass die Anleger den Händlern die Ware aus der Hand reißen. Grund ist auch der niedrige Börsenpreis des Edelmetalls, das mit rund 20 Dollar je Unze so billig ist wie seit Mitte 2011 nicht mehr.
Nach einem Wertverlust von mehr als 30 Prozent im laufenden Jahr haben sich die Perspektiven für 2014 deutlich aufgehellt — vor allem wegen des Silberstreifs am Konjunkturhimmel. Sollte die Weltwirtschaft wie von vielen erwartet 2014 Fahrt aufnehmen, ist das gut für das weiße Edelmetall. Anders als bei Gold ist die Silbernachfrage erheblich vom Verbrauch der Industrie abhängig. Das betrifft eine ganze Reihe von Wirtschaftszweigen von der Auto- bis zur Elektronikbranche. Überall, wo hocheffizient Strom fließen soll, ist Silber konkurrenzlos; wenn es um die Leitfähigkeit geht, ist es jedem anderen Metall überlegen. Und auf die Anleger dürfte auch 2014 Verlass sein, sie hatten dem Metall ohnehin nie den Rücken zugekehrt. So haben Rohstofffonds (Exchange-Traded Commodities, ETC), die physisch in Silber investiert sind, ihre Bestände per Mitte Dezember laut Commerzbank im Jahresvergleich um fünf Prozent erhöht. Die Analysten rechnen damit, dass Investoren 2014 weiter Silber kaufen. Bis Ende 2014 könnte der Preis ihrer Prognose zufolge auf 24 Dollar je Unze steigen. Und das ganz ohne Torschlusspanik.
Investor-Info
Silbermünzen
Prächtige Prägung
Münzkäufer sollten seriöse Händler wählen. Beim Edelmetallhändler-Test von €uro am Sonntag (Ausgabe 39) schnitten Degussa, MP Edelmetall und Pro Aurum am besten ab. Achtung: Nicht alle Silbermünzen haben die gleiche Wertbeständigkeit. Nur die hochwertigsten Münzen garantieren den Käufern einen guten Verkaufserlös. Das Kennzeichen wertstabiler Münzen ist oft eine aufwendige Prägung wie etwa bei Kookaburra und Koala aus Australien, Maple Leaf aus Kanada, Panda aus China, Wiener Philharmoniker, American Eagle und Britannia. Münzen aus der zweiten Reihe, die bei gleichem Metallgehalt mit weniger aufwendiger Prägung weniger Verkaufserlös bringen, sind etwa der Silver Eagle aus Andorra und die Arche Noah aus Armenien.
Mehrwertsteuer
Regel und Ausnahme
Zwar hat der Gesetzgeber per Januar kommenden Jahres das Privileg abgeschafft, dass Silbermünzen in Deutschland zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent verkauft werden können. Doch eine Ausnahme gibt es für den Import und den Verkauf von Silbermünzen aus Ländern außerhalb der Europäischen Union: Diese Silbermünzen werden auch weiterhin wie Kunstgegenstände behandelt, für die ein ermäßigter Einfuhrumsatzsteuersatz von sieben Prozent gilt. Der Edelmetallhändler kann dann von der Differenzbesteuerung Gebrauch machen. Das heißt, er muss lediglich die Differenz zwischen seinem Einkaufs- und dem Verkaufspreis mit dem höheren Satz von 19 Prozent besteuern. Diese Handelsmarge liegt bei unter einem Prozent. Die Überseemünzen werden nach Einschätzung
von Edelmetallhändlern dadurch um kaum mehr als 0,2 Prozent teurer werden – neue Steuerregeln hin oder her.
Silber-ETC
Einfach dem Kurs folgen
Anleger, die auf eine mittelfristige Erholung des Silberpreises hoffen, nicht aber in Münzen mit teilweise großen Unterschieden zwischen Kauf- und Verkaufspreis investieren wollen, können sich einen Silber-ETC (Exchange Traded Commodity) ins Depot legen. Dies ist ein Rohstoffzertifikat, das am Markt physisches Silber kauft und verwahrt. Eins zu eins folgt der in Euro denominierte Silber-ETC von ETF Securities dem Silberpreis. Das Wertpapier wird täglich an der Börse gehandelt.