Australien: Ein Wirtschaftswunder
Seit mehr als 26 Jahren wächst die Wirtschaft des Landes dank Rohstoffboom und starker Binnenkonjunktur. Die Aktienkurse hinken dieser Entwicklung hinterher - das könnte sich aber bald ändern.
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von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag
Als im Herbst 2007 die US-Immobilienkrise zu brodeln begann, schien die Welt an den Börsen noch in Ordnung zu sein. In vielen Ländern erreichten sie neue Rekordstände, die Stimmung bei den Anlegern war bestens, auch in Australien. Der dortige Leitindex All Ordinaries kletterte am 1. November 2007 auf ein neues Allzeithoch von 6.872 Punkten - doch dann ging es bergab. Die Immobilienkrise in den USA entwickelte sich zur globalen Finanzkrise und erreichte auch Down Under: Binnen anderthalb Jahren halbierte sich der Wert des australischen Börsenbarometers.
Im Vergleich zu vielen seiner westlichen Pendants ist es dem All Ordinaries Index bislang nicht gelungen, seine alte Bestmarke zurückzuerobern. Rund zehn Prozent trennen ihn vom Allzeithoch. Anfang Januar kletterte er immerhin auf das höchste Niveau seit zehn Jahren. Die gut laufende Weltkonjunktur und die robuste Binnenwirtschaft geben Anlass zur Hoffnung, dass der Index seinen Rekord bald knacken könnte.
Riskante Liaison mit China
Eine entscheidende Rolle dabei dürfte China spielen. Der Rohstoffhunger der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und der Reichtum Australiens an Bodenschätzen hat die beiden Länder seit den 1970er-Jahren zu engen Handelspartnern zusammengeschweißt. Mehr als ein Drittel der australischen Ausfuhren gehen heute nach China, der Großteil davon sind Rohstoffe.
Die Partnerschaft ist für Australien Fluch und Segen zugleich. Die hohe Nachfrage Chinas nach der Jahrtausendwende hat die Preise für viele Rohstoffe enorm steigen lassen und Australiens Bergbausektor paradiesische Zeiten beschert.
Der Boom hat dazu beigetragen, dass Australien mittlerweile mehr als 26 Jahre keine Rezession mehr erleben musste - das ist der längste je verzeichnete Aufschwung weltweit. Seit 2007 ist die Wirtschaft im Durchschnitt um 2,9 Prozent jährlich gewachsen, deutlich mehr als in den meisten anderen Industrienationen.
Dennoch kritisieren Ökonomen dieses Wirtschaftsmodell. Die Abhängigkeit von einem einzigen Sektor erhöht die Anfälligkeit des Landes für Krisen, etwa, wenn die Rohstoffpreise sinken. Als die Notierungen für viele Bodenschätze zwischen 2013 und 2015 abstürzten, bekamen das zuerst die großen australischen Minenbetreiber wie Rio Tinto oder BHP Billiton zu spüren.
Ihre Gewinne brachen ein, Arbeitnehmer wurden entlassen, und die Aktienkurse der Unternehmen verloren kräftig an Wert. Die hohe Gewichtung von Rohstoffunternehmen im All Ordinaries Index ist einer der Hauptgründe dafür, weshalb sich das australische Börsenbarometer nach der Finanzkrise schlechter entwickelt hat als die Indizes in anderen Industriestaaten.
Drohende Immobilienblase
Dass Australien den Rohstoffschock dennoch gut wegstecken konnte, lag zum einen daran, dass die Notenbank des Landes die Zinsen rechtzeitig gesenkt hat: Der australische Dollar wertete ab und die Exportgüter wurden auf dem Weltmarkt preiswerter, was eine härtere Landung abfederte. Zum anderen ist der Abbau und der Export von Rohstoffen zwar ein bedeutender Wirtschaftszweig für die australische Wirtschaft, eine viel größere Rolle spielt jedoch der Dienstleistungssektor. Dieser ist parallel zur Rohstoff-Hausse kräftig gewachsen und erwirtschaftet mittlerweile etwa 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Vor allem der Bankensektor spielt eine wichtige Rolle. Er gilt dank des boomenden Immobiliensektors und der damit hohen Kreditnachfrage als äußerst profitabel. Rund 60 Prozent erwirtschaften Australiens Geldhäuser mit der Vergabe von Darlehen. Allerdings hat die Ratingagentur Moody’s die vier großen Banken des Landes im August 2017 wegen erheblicher Risiken einer möglichen Immobilienblase herabgestuft.
Tatsächlich sind die Preise für Häuser rasant gestiegen - allein zwischen September 2016 und September 2017 verteuerten sie sich in den acht größten Städten um mehr als acht Prozent, bei gleichzeitig stagnierenden Löhnen. Immerhin zeichnet sich nun eine Stabilisierung der Preise ab. In Sydney, der Stadt mit den zweithöchsten Immobilienpreisen der Welt, sanken sie sogar leicht.
Konsum stärkt Wirtschaft
Gebaut wird dennoch. Experten erwarten zwar künftig eine Abschwächung beim Wohnungsbau, dafür sei jedoch verstärkt mit Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen zu rechnen, nicht zuletzt dank eines milliardenschweren Privatisierungsprogramms, dessen Erlöse in die Binnenwirtschaft fließen sollen.
Noch mehr profitieren dürfte die Wirtschaft des Landes vom Konsum seiner Bevölkerung. Diese wächst nicht nur jedes Jahr im Schnitt um ein Prozent, sie ist darüber hinaus vergleichsweise jung, kauffreudig und gesegnet mit einem florierenden Arbeitsmarkt. Hinzu kommt der Tourismussektor, der dank eines schwächeren australischen Dollar boomt. Vor allem Besucher aus China sowie mittlerweile rund 120.000 Studenten aus dem Reich der Mitte lassen die Kassen klingeln.
Australischen Firmen dürften also gute Zeiten bevorstehen -auch dank der solide laufenden Weltwirtschaft, die in den vergangenen Monaten für einen Wiederanstieg vieler Rohstoffpreise gesorgt hat. Analysten der Fondsgesellschaft Schroders rechnen damit, dass australische Aktien bis zum Jahr 2024 im Schnitt um 8,2 Prozent pro Jahr zulegen - ein Knacken des Allzeithochs von 2007 wäre dann für den Leitindex nur noch eine Frage der Zeit.
Investor-Info
Exporte
Steigender Handel mit China
Machte der Anteil der australischen Ausfuhren nach China im Jahr 2007 noch rund 14 Prozent des Gesamtexportvolumens aus, ist es mittlerweile bereits ein Drittel. Der Wert der Güter - vor allem Rohstoffe wie Aluminium, Zink, Gold oder Eisenerz - betrug 2016 umgerechnet 55 Milliarden US-Dollar. Das entspricht circa 4,6 Prozent der australischen Wirtschaftsleistung.
Nestor Australien Fonds
Gewinne dank Öl und Gas
Der Fonds der Luxemburger Vermögensgesellschaft Nestor wies in den vergangenen zwölf Monaten die beste Wertentwicklung unter den Australien-Fonds auf. Er profitierte besonders von den zuletzt gestiegenen Öl- und Gaspreisen, da entsprechende Rohstoffunternehmen fast die Hälfte des Portfolios ausmachen. Mit rund 14 Prozent sind Dienstleistungsunternehmen am zweitschwersten gewichtet.
Candriam Equities Australia
Profit mit Dividenden
Während der Nestor-Australien-Fonds nahezu auf Finanztitel verzichtet, setzt der Candriam Equities Australia mit einem Drittel des Fondsvermögens auf Banken. Die Aktien der Geldhäuser gerieten zuletzt wegen der Sorge vor einer Immobilienblase zwar unter Druck, glänzen aber mit hohen Dividendenrenditen von zum Teil über sechs Prozent. Dank des mit 32 Prozent ebenfalls hohen Gewichts von Rohstofftiteln im Portfolio konnte der Fonds seit Oktober kräftig zulegen.
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