Euro am Sonntag-Ausland

Auge um Auge, Zoll um Zoll: Die Folgen für die Börsen

07.07.18 11:00 Uhr

Auge um Auge, Zoll um Zoll: Die Folgen für die Börsen | finanzen.net

Der Ton zwischen Washington und Peking wird rauer. Eskaliert der Streit, droht der Weltwirtschaft enormer Schaden.

von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Niemand soll an seiner Entschlossenheit zweifeln. US-­Präsident Donald Trump will einen wahrscheinlicher werdenden Handelskrieg mit China in aller Härte führen und gewinnen. "Wir haben keine Wahl, wir müssen unser Land verteidigen", rechtfertigt er seine Politik. Doch diese stößt lange Zeit eng mit den USA verbündete Staaten vor den Kopf, zwingt Daimler zur Korrektur der Gewinnerwartungen und macht Investoren rund um den Globus nervös.



Anleger fürchten, der von Trump propagierte Protektionismus werde das Wachstum der Weltwirtschaft schwächen. Im Gegensatz zu Globalisierungskritikern sehen die Finanzmärkte einen freien Handel als Bedingung für wachsenden Wohlstand. Zölle drücken jedoch auf die Nachfrage. Oder sie treiben die Preise, wenn auf die Güter nicht verzichtet werden kann. Ziehen die Teuerungsraten an, müssen die Notenbanken gegensteuern. Zinserhöhungen aber können die Aktiennotierungen erheblich belasten.

Trump will derlei Zusammenhänge nicht akzeptieren. Er möchte das auf Rekordhöhe gestiegene US-Handelsbilanzdefizit von 566 Milliarden Dollar abbauen. Das hat er den Wählern versprochen. Seiner Analyse nach ist nicht die mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit von US-Produkten der Grund für den enormen Fehlbetrag. Trump wirft vielmehr den anderen Staaten unfaire Handelspraktiken vor.


Seine Kritik zielt - neben Mexiko, Kanada und den EU-Staaten - vor allem auf China, den größten Handelspartner der USA. Das Reich der Mitte liefert unter anderem Mobiltelefone, Telekomausrüstung und Computerteile. Die USA wiederum verkaufen Flugzeuge, Autos und Sojabohnen nach China. Trump ist der Meinung: "Wir kriegen da unsere Produkte nicht rein. Und trotzdem schicken sie ihre Produkte zu uns. Das ist ungerecht." Der US-Präsident ist angetreten, das Ungleichgewicht durch Handelssanktionen zu korrigieren. Unternehmen, Konsumenten und Arbeitsmarkt in den USA werden seiner Ansicht nach davon enorm profitieren.

Derzeit wird nach einer Lösung gesucht. Doch die scheint fern. Bereits am 6. Juli treten Strafzölle auf chinesische Waren im Volumen von 50 Milliarden Dollar in Kraft. Sollte die Regierung in Peking im Gegenzug neue Zölle auf US-Produkte erlassen, will Trump sofort reagieren und chinesische Güter im Wert von 450 Milliarden Dollar mit Zöllen belegen. Die Verluste bei chinesischen Aktien dürften sich dann ausweiten. Gegenüber seinem Hoch im Januar hat der Shanghai Composite Index bereits 20 Prozent verloren.

Klare Ansagen

Derweil wird der Ton zwischen Wa­shington und Peking immer rauer. Wie keine US-Administration zuvor prangert das Weiße Haus nicht nur den unzureichenden Zugang zum chinesischen Markt an, sondern auch den Diebstahl geistigen Eigentums. "Die chinesischen Führer haben in den vergangenen Wochen Offenheit und Globalisierung gefordert, aber das ist ein Witz. Es ist die räuberischste Wirtschaftsregierung, die heute gegen den Rest der Welt operiert", urteilt wenig diplomatisch US-Außenminister Mike Pompeo.

Chinas Staatspräsident kontert. "Im Westen gibt es die Neigung, die rechte Wange hinzuhalten, wenn jemand auf die linke geschlagen hat. In unserer Kultur schlagen wir zurück", warnt Xi Jinping. Scharf ins Gericht mit Trump geht auch das Parteiorgan "China Daily". "Protektionismus ist ein Symptom paranoider Wahnvorstellungen", lautete die Überschrift eines vor Kurzem erschienenen Kommentars. Die US-Regierung sei nicht in der Lage zu erkennen, dass der Handel mit China Millionen von US-Jobs sichere. Setze Trump seine Pläne um, schade er der US-Wirtschaft.

Steigende Stahlpreise

"China Daily" liegt damit nicht falsch. Nach einer Studie der Rhodium Group sind im ersten Halbjahr 2018 chinesische Investitionen in den USA im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres um 92 Prozent auf nur noch 1,8 Milliarden zurückgegangen. Das ist die niedrigste Summe seit sieben Jahren. Zudem sind bereits Anzeichen einer steigenden Teuerung jenseits des Atlantiks zu erkennen. Für Waschmaschinen, deren Import in die USA bereits Anfang des Jahres mit 50 Prozent Zoll belegt wurde, zahlen die Verbraucher mittlerweile 17 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Gleich um 40 Prozent innerhalb von nur drei Monaten haben sich die Stahlpreise erhöht.

Allerdings: Aus der Luft gegriffen ist auch die US-Kritik an China nicht. Ausländische Unternehmen werden laut Manageraussagen im Reich der Mitte massiv gegängelt und gezwungen, ihr Wissen mit chinesischen Unternehmen zu teilen. Fakt ist auch, dass China bislang die Offenheit westlicher Märkte ausgenutzt und sich widerrechtlich geistiges Eigentum angeeignet hat.

Ein Beispiel aus der Rüstung: Die USA unterstellen China, sich beim US-Konzern Lockheed Martin eingeschlichen zu haben. Der chinesische Tarnkappenbomber Shenyang J-31 weise auffällige Ähnlichkeiten mit dem von Lockheed Martin gebauten und vom US-Verteidigungsministerium mit 200 Milliarden Dollar bezuschussten F-35 auf.

Insgesamt beziffern die USA den durch Cyberspionage entstandenen Schaden auf Hunderte Milliarden Dollar jährlich. Trumps Administration will den Datenklau beenden. Unter anderem wird erwogen, chinesische Investitionen in US-Hightech-Unternehmen deutlich einzuschränken. Derartige Regeln gelten bislang nur gegenüber Nordkorea und dem Iran.

Zornige Twitter-Nachricht

Schwer vorstellbar, dass sich der Handelskonflikt zwischen der mächtigsten und der zweitmächtigsten Volkswirtschaft noch entschärfen lässt. Auch die Hoffnung, die amerikanische Wirtschaft könnte den US-Präsidenten zu einem moderateren Vorgehen bewegen, scheint zu trügen.

Auf die Ankündigung des Motorradbauers Harley-Davidson, die Produktion wegen EU-Vergeltungszöllen aus den USA nach Europa zu verlagern, um Preiserhöhungen für europäische Kunden zu vermeiden, reagierte Trump wütend. Sollten die ­Manager die Ankündigung wahr machen, bedeute dies "den Anfang vom Ende", twitterte Trump und drohte: "Sie werden besteuert wie nie." Der Aktienkurs reagierte auf die Kurzmitteilung mit deutlichen Kursverlusten. Das dürfte andere US-Unternehmen abschrecken, sich mit dem Mann im Weißen Haus anzulegen.

Investor-Info

UBS Small Caps USA
Heimvorteil

Der sich abzeichnende Handelskrieg wird nach Ansicht der Investoren insbesondere den großen US-Unternehmen schaden. Sie beginnen daher in Small Caps umzuschichten. Diese sind weniger global aufgestellt und profitieren zudem von Trumps Steuerreform. Fondsmanager Grant Bughman hat seit ­Jahresanfang 17 Prozent eingefahren. Im Portfolio findet sich beispielsweise Chegg, das Unternehmen bietet US-Studenten online Zugang zu Lehrbüchern an.

Matthews China Small Comp.
Handlungsbedarf

Peking dürfte in Reaktion auf US-Handelssanktionen noch stärker als bisher die Binnen­konjunktur fördern. Davon sollten ­Unternehmen wie der Immobilienentwickler Times China Holdings oder China Resources Cement Holdings profitieren. Die Titel hat ­Tiffany Hsiao, Managerin des Matthews China Small Companies, hoch gewichtet. Mutige Anleger nutzen die aktuelle Schwächephase chinesischer Nebenwerte zum Kauf.

Xtrackers US Tr. Infl.-Linked
Schutzfunktion

Höhere Zölle können die Teuerungsrate ­weiter nach oben treiben. In den USA waren die Verbraucherpreise im Mai 2,8 Prozent ­höher als im Vorjahresmonat. Bei inflationsgeschützten Anleihen werden Kupons und Nennwert an die Teuerungsrate angepasst. Der Xtrackers-ETF investiert in eine Vielzahl solcher auch Linker genannten US-Staats­anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten. Seit Jahresanfang legte er um 2,4 Prozent zu.




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