Noch nicht geheilt

Peripherie-Anleihen: Zurück im Zinsparadies

aktualisiert 29.06.14 17:55 Uhr

Vor Kurzem galten die ­Peripherie-Staaten als Pleitekandidaten. Nun müssen sie nur noch so niedrige Zinsen wie die USA bieten, um sich Geld zu leihen. Doch ist das gerechtfertigt?

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von Andreas Höß, Euro am Sonntag

Einst waren sie das "Fieberthermometer" für den Zustand der Eurozone: Die Rendite der Staatsanleihen von Ländern wie Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien. "PIIGS" nannte man diese Staaten. Ein Name, der unschöne Assoziationen weckt und 2011 populär wurde, als Griechenland vor der Pleite stand und den Blick auf eine beunruhigende Krankheit gelenkt hatte: die immensen Staatsschulden in Europa, die sich durch die Finanzkrise, geplatzte Immobilienblasen und Bankenrettungen angehäuft hatten. Anleger bekamen Panik vor Staatspleiten, das Vertrauen war weg, das Fieber da. Die Renditen von Staatspapieren aus der Peripherie mit zehn Jahren Laufzeit stiegen auf Niveaus, zu denen sich kein Staat lange refinanzieren kann und will.

Und heute? Zahlen die ehemaligen Pleitekandidaten niedrigere Zinsen als vor der Krise. In Italien liegt die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen bei 2,9 Prozent, in Spanien ist sie laut Analysten der Deutschen Bank mit 2,6 Prozent so niedrig wie seit 1789 nicht mehr. Irland bietet Anlegern mit 2,4 Prozent sogar weniger als die USA, die als eine der zahlungskräftigsten Nationen der Welt gelten.

Zu behaupten, die Schuldenkrankheit sei ausgeheilt, wäre dennoch eine Fehldiagnose. "Die Renditen taugen nicht mehr als Fieberthermometer", sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-DiBa. "Auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise waren sie teilweise zu hoch, nun sind sie aber zu niedrig", so der Ökonom. "Dass Irland und zwischenzeitlich Spanien weniger bieten müssen als die USA, ist absurd."

Schuldenberge wachsen weiter
Brzeski steht mit seiner Meinung nicht allein. Niedriges Wachstum und niedrige Inflation sprechen zwar für niedrige Anleiherenditen in Europa, auch in Deutschland sind sie seit Jahresbeginn deutlich gesunken. Zudem machen Peripheriestaaten kleine finanzielle Fortschritte, auch die rasante wirtschaftliche Talfahrt scheint gestoppt. Dennoch halten Kritiker die Europa-Euphorie für übertrieben. Denn die Randstaaten des Kontinents haben immer noch riesige Probleme.

Beispiel Griechenland: Hier ist die Rendite der zehnjährigen Anleihen auf rund fünf Prozent gesunken, vor zwei Jahren lag sie noch bei 40 Prozent. Doch die Lage ist weiter explosiv, die politische, wirtschaftliche und soziale Situation instabil. Griechenlands Wirtschaft ist seit Ausbruch der Krise um ein Viertel eingebrochen, jeder zweite Jugendliche ist heute ohne Arbeit. Unternehmen kämpfen um ihr Überleben, Geld für Investitionen und Konsum fehlt, die Preise sinken. Das belastet nicht nur die Wirtschaft und die Gesellschaft, wie die Zuwächse für radikale und antieuropäische Parteien bei den Europawahlen im Mai zeigten. Es belastet auch den Haushalt. Obwohl Investoren bereits auf Forderungen verzichtet haben, ist der Schuldenberg Griechenlands mit 170 Prozent der Wirtschaftsleistung gigantisch, der Verzicht der Gläubiger bereits verpufft. "Die Märkte sind viel zu optimistisch, was die Erholung Griechenlands angeht", glaubt Mohammed El-Erian, Chefstratege des weltgrößten Bondinvestors Pimco.

Auch die Situation in anderen Ländern ist weiter besorgniserregend. Laut Statistikbehörde Eurostat hatte Irland Ende des vergangenen Jahres 203 Milliarden Euro Staatsschulden, Portugal 214, Spanien 961 und Italien 2.069 Milliarden. Mit Ausnahme Spaniens ist das in allen Staaten mehr als 120 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die EU erlaubt nur 60 Prozent.

Und die Niedrigzinsen führen nicht zwangsläufig zu geringeren Schulden, warnt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. "Sie geben Fehlanreize und schwächen die Dynamik der Austeritätspolitik." Sprich: Weil die Zinslast erträglich ist, sinkt der Spareifer und die Schulden steigen weiter. "Das könnte die Investoren mittelfristig beunruhigen und die Stabilität gefährden."

Sichtbar sind die Auswirkungen des sinkenden Zinsdrucks nicht nur in Spanien und Portugal, wo die Wirtschaft besser läuft als erwartet und dennoch Sparziele verpasst werden. Eine Staatengruppe unter der Führung Frankreichs und Italiens arbeitet in Brüssel sogar darauf hin, den Stabilitätspakt aufzuweichen. Sie wollen staatsfinanzierte Konjunkturprogramme und Zukunftsinvestitionen nicht mehr in die Neuverschuldung mit einrechnen - ein Bilanztrick, der den Regierungen mehr finanziellen Spielraum böte und der noch vor Kurzem für Empörung gesorgt hätte.

Doch diese bleibt weitgehend aus. Zum einen weil der Spagat zwischen Sparen und Wirtschaftsförderung tatsächlich schwer hinzubekommen ist. Zum anderen schert man sich an den Finanzmärkten längst nicht mehr um wachsende Schuldenberge. Denn die Anleger bauen weniger darauf, dass sich Europas Peripheriestaaten schnell aus der Krise arbeiten. Sie rechnen damit, dass die Europäische Union (EU) und die Europäische Zentralbank (EZB) schon einspringen werden, falls ein Land in Schieflage gerät. "Die Zahlungsfähigkeit der Staaten spielt deshalb aus Sicht der Märkte keine Rolle mehr", sagt Brzeski von der ING-DiBa.

Draghis Turbolader für die Märkte
Der Grund: EU und EZB haben für Investoren ein Sicherheitsnetz gewoben. Sie haben Leitzinsen gesenkt, Hunderte Milliarden Euro schwere Rettungsschirme aufgelegt und notfalls unbegrenzte Anleihekäufe in Aussicht gestellt. Das hat den Glauben an den Fortbestand des Euro gestärkt und die Panik vor Staatspleiten geschwächt.

Dies habe wie ein "Turbolader" für die Märkte gewirkt, so Pimco-Stratege El-Erian. Anleger, die wegen der globalen Niedrigzinsen verzweifelt auf der Suche nach Rendite waren, entdeckten die Region wieder für sich und pumpten riesige Summen dorthin. Und EZB-Chef ­Mario Draghi signalisiert, dass er die Märkte weiter zwangsbeatmen wird.

Dabei könnte die Deflationsgefahr den Schuldnern in die Hände spielen. Erst Anfang Juni leitete Draghi eine neue Ära der ultralockeren Geldpolitik ein. Sinkende Teuerungsraten drohen die Wirtschaft zu belasten, weshalb er erstmals Strafzinsen für Banken verordnete, die ihr Geld bei der EZB parken, statt es zu verleihen. Sollte das nicht reichen, gilt es nicht mehr als ausgeschlossen, dass er im großen Stil Staatsanleihen aus Europa aufkauft. Bisher wollte er das nur tun, falls ein Land vor der Pleite steht.

"Hält die EZB an ihrem Kurs fest, könnte das die Renditen noch weiter nach unten drücken", sagt Bielmeier von der DZ-Bank. "Und das, obwohl sie schon heute zu niedrig und aus Investorensicht fundamental nicht mehr attraktiv sind." Ohnehin müssen sich Anleger fragen, ob Anleihen aus der Peripherie ihre Anziehungskraft nicht aus einem einfachen Grund eingebüßt haben. Ihre Renditen sind so stark gefallen, dass wenig Raum für Gewinne bleibt. Zugleich ist das Rückschlagrisiko gestiegen.

So haben viele Anleger längst die Aktienmärkte der Region als Alternative entdeckt, weshalb die Börsen aller Peripherieländer im vergangenen Jahr stärker stiegen als der deutsche Leitindex DAX. Auch sie profitieren von der verbesserten Stimmung und der Geldschwemme der EZB. Zumal deren Maßnahmen im Moment darauf zielen, die Kreditvergabe in Südeuropa wieder in Gang zu bringen und damit die Wirtschaft zu stärken.

Weil die Aktienmärkte der Pro­blemländer noch weit von Höchstständen entfernt sind, die Anleiherenditen aber neue Tiefststände erreicht haben, halten einige Experten ein Engagement am Aktienmarkt für die bessere Wahl. "Die Bewertungen sprechen derzeit eher für die Aktien- als für die Anleihemärkte aus der ­Peripherie, hier ist das Potenzial größer", sagt Volkswirt Bielmeier.

Langen Atem und eine gewisse Leidensfähigkeit sollte man dennoch mitbringen. Die wirtschaft­liche Erholung wird sicher nicht rasant verlaufen, da beispielsweise Reformen am Arbeitsmarkt erst verzögert greifen. Und sollte die Stimmung kippen, könnten sowohl Aktien als auch Anleihen schnell wieder zum Fieberthermometer werden.

Investor-Info

Peripherie-Anleihen
Schon sehr stark gelaufen

Anfang 2014 hatte €uro am Sonntag risikofreudigen Anlegern zuletzt Fonds auf Staatsanleihen aus Europas Peripherie empfohlen. Unser Tipp damals: ETFs auf spanische (ISIN: IE 00B 428 Z60 4) und italienische (IE 00B 7LW 6Y9 0) Papiere. Mit jeweils knapp zehn Prozent sind diese ETFs sogar besser gelaufen als erwartet. Behält die EZB ihren Kurs bei, könnte dieser Trend anhalten. Wer investiert ist und Mut hat, kann also dabeibleiben.
Wer neu investieren möchte, sollte überlegen, ob er mehr Spielraum für Gewinne als Rückschlagrisiko sieht. Aktiv ge­managte Alternative: der DWS Invest Eurobonds (LU 025 448 910 6), in dem Italien, Spanien, Frankreich, Portugal und Deutschland hoch gewichtet sind und der ebenfalls viel Plus gemacht hat.

Peripherie-Aktien-Zertifikat
Riskant, aber aussichtsreich

Für langfristig orientierte Investoren sind die Aktienmärkte in Europas Peripherie interessant. Doch auch hier sind die schnellen Gewinne bereits gemacht. Potenzial gibt es dennoch, die Höchststände aus Vorkrisenzeiten sind noch weit entfernt. Allerdings kann es dauern, bis diese erreicht werden, und immer wieder zu Rückschlägen kommen. Favorit vieler Experten ist derzeit Spaniens Aktienmarkt, in den man mit einem ETF investieren kann (ISIN: FR 001 065 574 6).
Breitere Alternative: das Peripherie-Basket-Zertifikat der RBS, in dem zum Beispiel der italienische Autobauer Fiat, der spanische Baukonzern ACS und der Baustoffhersteller Cimpor aus Portugal vertreten sind.

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