US-Anleihen: Kurse trotz Zollturbulenzen auf Talfahrt - 'Sicherer Hafen' adé?
FRANKFURT/NEW YORK (dpa-AFX) - Die Kurse von US-Staatsanleihen haben in der Nacht eine Talfahrt hingelegt. Der starke Rückgang ist bemerkenswert, da die US-Anleihen offenbar trotz der sehr hohen Verunsicherung an den Märkten nicht als sicherer Hafen gesucht werden. Der Terminkontrakt für zehnjährige Papiere (T-Note-Future) sank bis zum Vormittag um 0,62 Prozent auf 110,78 Punkte. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe stieg zeitweise bis auf 4,50 Prozent. Dies ist der höchste Stand seit Ende Februar. Zuletzt lag sie bei 4,35 Prozent.
Den stärksten Anstieg gab es jedoch bei sehr lang laufenden Anleihen. So stieg die Rendite von dreißigjährigen Anleihen zeitweise über 5 Prozent.
Seit Mitternacht amerikanischer Zeit gelten für zahlreiche Länder deutlich höhere Einfuhrabgaben - vor allem für jene, mit denen die USA nach Regierungsangaben ein besonders hohes Handelsdefizit haben. Für China werden sogar Zölle in Höhe von insgesamt 104 Prozent erhoben. Zudem wurden auch noch kurzfristig Zölle auf Medikamente aufgeschlagen. Die sehr hohe Verunsicherung hat die Aktienmärkte in Asien und Europa erneut auf Talfahrt geschickt.
Die starken Kursverluste am US-Anleihemarkt sind in diesem Umfeld hingegen ungewöhnlich. Als Trump am vergangenen Mittwoch am sogenannten "Liberation Day" seine Zölle verkündete, legten die Anleihekurse noch merklich zu. Schließlich gelten die US-Anleihen als sicherer Hafen. Zudem werden mittlerweile am Markt für das laufende Jahr fünf Zinssenkungen durch die US-Notenbank Fed erwartet, da Anleger mit einer starken Belastung des Wirtschaftswachstums rechnen. Auch das müsste eigentlich die Anleihen stützen. Vor dem "Liberation Day" waren lediglich zwei Zinssenkungen erwartet worden.
"Dass sowohl in den USA als auch heute Morgen in Japan Renditen langlaufender Staatsanleihen deutlich zulegen" sei ein gefährliches Signal und könne ein Zeichen dafür sein, dass etablierte Safe-Haven-Positionen ihre Glaubwürdigkeit verlieren, kommentierten die Volkswirte der Dekabank in einem Tagesausblick. In diesem Umfeld wäre der Druck auf die Fed und andere Zentralbanken hoch, Notfallmaßnahmen zu ergreifen. An den Märkten wird bereits darüber spekuliert, ob die US-Notenbank in einer Sondersitzung die Zinsen senken oder wieder Staatsanleihen aufkaufen könnte.
Zum Problem könnte für den US-Anleihemarkt werden, dass China unter den ausländischen Inhabern derzeit nach Japan den zweitgrößten Anteil an US-Staatsanleihen hält. So hat China, wie auch andere Schwellenländer, zuletzt versucht, durch Goldkäufe unabhängiger von US-Anleihen zu werden. China könnte durch seine Anleihepolitik jetzt versuchen, die USA unter Druck zu setzen. Zudem dürften die für China besonders heftigen Zölle die Wirtschaftsentwicklung dort belasten, was auch den Spielraum für Anleihekäufe einschränken würde.
Die Hoffnung von US-Finanzminister Scott Bessent, dass die Renditen durch die Zollpolitik sinken, erfüllt sich offenbar nicht. Die Schuldenlast der USA ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Zudem hat Trump teure Versprechungen gemacht. Die US-Regierung dürften also weiter stark auf die Anleihemärkte angewiesen sein.
Stephen Innes von SPI Asset Management sieht in der aktuellen Entwicklung zudem ein Risiko für die Rolle des US-Dollar als Weltleitwährung. "Wenn die Staatsanleihen weiter bluten, während der Aktienmarkt hässlich bleibt, dann tritt die wahre Gefahr ein", schreibt er in einem Kommentar. "Das ist das erste Rauchzeichen für einen 'Sell America'-Moment, der die Dominanz des Dollars schnell und schmutzig aufhebt."/jsl/la/men