Kurswunder: Die DAX-Dauerbrenner
Seit Gründung des deutschen Aktienindex vor 25 Jahren haben die hiesigen Topkonzerne ihren Börsenwert versiebenfacht. Ein Blick in die Bilanzen zeigt, dass dieser Anstieg durchaus gerechtfertigt ist.
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von Sven Parplies, Euro am Sonntag
Eine faszinierende Technologie: Mit dem neuen Telekomstandard ISDN können Nutzer mit nur einer Anschlussleitung telefonieren und faxen. Man sei einer der „ISDN-Pioniere“, feiert sich Siemens. Ebenfalls Wegweisendes vermeldet Volkswagen: die Fertigstellung des zehnmillionsten VW Golf sowie einen sich bei Tempo 120 automatisch ausfahrenden Heckspoiler.
Auch bei der Lufthansa weht ein frischer Wind: Man wandle sich „verstärkt zu einem dienstleistungsorientierten Unternehmen“, berichtet der Vorstand. Auf Seminaren werden die Mitarbeiter eingeschworen: „Jeder Fluggast soll das Gefühl bekommen, persönlich begrüßt zu werden. Keine Situation also wie am Beamtenschalter“, lautete einer der guten Vorsätze.
Deutschland im Jahr 1988. Es herrscht Aufbruchstimmung. Die Wirtschaft wächst um 3,4 Prozent — so stark wie seit 1979 nicht mehr. Wichtiger noch: Die Regierungen Westeuropas haben die Basis für eine Liberalisierung des Binnenmarktes geschaffen und öffnen den Unternehmen damit ganz neue Möglichkeiten. Noch dramatischer ist ein anderer Umbruch, dessen Ausmaß noch niemand erahnen kann: Die Reformen von Staatschef Michail Gorbatschow in der Sowjetunion leiten den Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen Osteuropas ein. So weit ist es noch nicht, als am 1. Juli 1988 in Frankfurt ein neues Kapitel Börsengeschichte aufgeschlagen wird: Der erste Handelstag des DAX. In diesem Aktienindex werden die 30 größten deutschen Unternehmen gebündelt.
Dramatischer Wandel
Viele Gründungsmitglieder sind inzwischen auf der Strecke geblieben. Für Feldmühle Nobel oder Deutsche Babcock interessieren sich allenfalls noch Wirtschaftshistoriker. Immerhin zwölf Unternehmen aber sind bis heute ununterbrochen im Index und zu globalen Schwergewichten aufgestiegen.
€uro am Sonntag hat die Geschäftsberichte der Titanen aus dem Jahr 1988 durchstöbert. Vieles dort wirkt aus heutiger Sicht kurios: Leicht vergilbte Bilder zeigen Mode der 80er-Jahre und Computer in klobigem Kastenformat. Konzernbereiche tragen brave Bezeichnungen: Was bei Henkel heute „Laundry & Home Care“ heißt, war damals schlicht der Produktbereich „Waschmittel/Reinigungsmittel“.
Der Blick zurück verdeutlicht, wie dramatisch sich die Konzerne entwickelt haben. Viele Geschäftsbereiche sind verschwunden: Siemens setzte 1988 noch auf Mobilfunk und Halbleiter, Bayer auf Farbfilme für Fotoapparate. Wachstum im operativen Geschäft, aber auch Übernahmen haben die Unternehmen enorm verändert: Linde ist mit dem Kauf der britischen BOC zum weltgrößten Hersteller von Industriegasen aufgestiegen. Die Lufthansa zählt heute die schweizerische Swiss und Österreichs Austrian Airlines zu ihrer Flotte. Volkswagen setzte im Gründungsjahr des DAX auf drei Marken — heute sind es zwölf. Bayer hat das DAX-Mitglied Schering übernommen und mit seiner ausgegliederten Spezialchemiesparte Lanxess ein neues hervorgebracht.
Wichtige Antriebskraft ist die Globalisierung. Der Aufstieg Lateinamerikas und Asiens hat neue Absatzmärkte geöffnet. Volkswagen schloss bereits 1985 ein Bündnis mit einem chinesischen Partner. Das macht sich bezahlt: 2012 verkauften die Wolfsburger allein in China 2,6 Millionen Fahrzeuge — das entspricht gut 90 Prozent des weltweiten Gesamtabsatzes von Volkswagen aus dem Jahr 1988.
Die Gesamtbilanz der DAX-Titanen ist beeindruckend: Die neun Industriekonzerne unter den Dauerbrennern haben ihren Umsatz seit Gründung des DAX nahezu vervierfacht (siehe Tabelle unten).
Historische Fehlschläge
Mit der Expansion in neue Regionen und Geschäftsfelder sind die Unternehmen aber auch Risiken eingegangen. Legendär ist die verpatzte Fusion von Daimler-Benz und Chrysler. Die Deutsche Bank stieg 1998 mit der Übernahme der US-Investmentbank Bankers Trust zu einer festen Größe an der Wall Street auf. Dort machte die Deutsche Bank viele Jahre gute Geschäfte. Die USA waren aber auch Ausgangspunkt der großen Finanzkrise, die die Börsen bis heute in Atem hält. Die Deutsche Bank hat seit dem Frühjahr 2007 zwei Drittel ihres Börsenwerts verloren. Seit Gründung des DAX hat die Aktie damit — wie auch die Papiere von Lufthansa, Allianz und Commerzbank — deutlich schlechter abgeschnitten als der Index.
Dennoch: Insgesamt ist die Performance der DAX-Titanen stark. Allein über die vergangenen 20 Jahre hat sich ihr gesamter Börsenwert verzehnfacht — angesichts der deutlichen Gewinnverbesserung eine absolut rationale Entwicklung.
Dauerbrenner im Dax (pdf)
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