Vermögensverwalter-Kolumne

„Wer kein Risiko aushält, verliert weiter an Kaufkraft“

01.12.12 14:42 Uhr

„Wer kein Risiko aushält, verliert weiter an Kaufkraft“ | finanzen.net

Markus Steinbeis, Leiter Fondsmanagement bei Huber, Reuss & Kollegen, berichtet im Iterview über die Entwicklung der Finanzmärkte und die Anlagetrends im kommenden Jahr.

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Rohstoffe

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74,22 USD 0,22 USD 0,30%

70,66 USD 0,39 USD 0,56%

Indizes

19.984,3 PKT 135,6 PKT 0,68%

Herr Steinbeis, welcher Fall tritt eher ein? Dass die USA über ihre Haushaltsklippe stolpern oder Griechenland aus der Eurozone fliegt oder Frankreich zum größten ESM-Rettungsfall wird?

Da muss ich einen kurzen Blick in meine Kristallkugel werfen (Steinbeis lacht). Aber im Ernst: Die Entscheidung um bevorstehende Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in den USA ist völlig offen. Ich glaube, dass sich Demokraten und Republikaner in der Mitte treffen müssen - und werden.

Welche Auswirkungen hätte dies auf das amerikanische Wirtschaftswachstum?

Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Probleme wieder in die Zukunft verschoben wird. Trotzdem dürfte die Regierung kurzfristig Maßnahmen ergreifen, die sich negativ auf das Wachstum in 2013 auswirken werden. Eine Kombination aus kleineren Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen könnten leicht ein Prozent des Wirtschaftswachstums kosten.

Und die Griechen? Bleiben sie in der Eurozone?

Diese Entscheidung liegt nicht primär in der Hand der Politiker. Sollte sich die wirtschaftliche und soziale Lage in Griechenland nicht bessern oder gar verschlechtern, wird das griechische Volk den Austritt erzwingen. Griechenland ist auf jeden Fall nicht in der Lage, die Staatsverschuldung bis 2020 auf 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts zu drücken. Die Gläubiger werden um einen weiteren Schuldenschnitt nicht herum kommen. Das weiß auch die deutsche Bundesregierung. Ich habe allerdings den Eindruck, dass Frau Merkel Zeit schindet, um das Thema so lange wie möglich aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten.

Griechenland ist ja nicht das einzige Sorgenkind. Wie geht es 2013 mit dem Rest der Eurozone weiter?

Die Rezession im Euroland wird sich verschärfen. Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas, könnte große Probleme bekommen, wenn der Kapitalmarkt Reformen erzwingt. Trotz strukturell defizitärer Staatsfinanzen und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit zahlen die Franzosen für ihre Anleihen noch ähnlich niedrige Zinsen wie Deutschland. Verlieren Anleger das Vertrauen in Frankreich, steigen die Zinskosten.

Deutschlands Unternehmer hingegen zeigten sich im November überraschend optimistisch. Haben wir den Tiefpunkt der Krise bereits überwunden?

Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist zuletzt tatsächlich gestiegen. Der Index befindet sich aber seit Frühjahr 2011 im Abwärtstrend. Eine einzige positive Zahl ist noch kein Indiz für eine Trendwende. Die kommenden zwei bis drei Monate sollten genau beobachtet werden. Ich bleibe eher skeptisch.

Was bedeutet das für die Entwicklung des DAX?

Für den DAX ist das zunächst nicht sonderlich relevant. Sollte sich jedoch in den nächsten Monaten eine Trendwende beim Ifo-Index andeuten, wird sich das positiv auf die Gewinnerwartungen der Unternehmen und damit auf deren Kursentwicklung auswirken.

Zuletzt flaute das Wirtschaftswachstum in Fernost ab. Nimmt China 2013 wieder an Fahrt auf?

Offiziell wird China 2012 etwa um 7,5 Prozent wachsen. Für ein Land, das in den vergangenen Jahren Raten von rund zehn Prozent gewohnt war, ist das ein Rückschlag. Das tatsächliche Wachstum dürfte in meinen Augen sogar noch niedriger ausfallen. Darauf deuten Indizien wie der sinkende Stromverbrauch chinesischer Unternehmen, die Kapazitätsauslastung oder Exportzahlen der wichtigsten Handelspartner hin. Daher sollte man die Erwartungen bzgl. hoher Wachstumsraten zurückschrauben.

Läuft Chinas Geschäftsmodell aus?

Chinas Exporte schwächeln. Das Land leidet insbesondere unter der Schwäche der wichtigen Absatzmärkte in Europa und USA. Außerdem sind ausländische Direktinvestitionen in China im Oktober zum elften Mal in Folge gefallen. Internationale Investoren zögern wegen des deutlichen Rückgangs beim Wirtschaftswachstum. Um ihr Wachstum nachhaltig sicherzustellen, müssen die Chinesen den Konsum stärker fördern. Dieser Übergang einer von Export und Investitionen getriebenen Volkswirtschaft hin zu mehr Konsum wird nicht reibungslos verlaufen.

China ist der größte Rohstoffverbraucher der Welt. Wenn das Land die Nachfrage drosselt, bedeutet das für Rohstoffpreise nichts Gutes oder?

Die Preise für Industrierohstoffe wie Eisenerz dürften weiter unter Druck geraten. Um diese sollten Anleger vorerst einen Bogen machen. Das gilt jedoch nicht für Edelmetalle. Die amerikanische Fed wird ihre lockere Geldpolitik ausweiten, um den heimischen Aktienmarkt anzuschieben. Die Europäische Zentralbank wird es ihr gleichtun, um die Zahlungsfähigkeit von Staaten und Banken aufrechtzuerhalten. Davon profitieren Edelmetalle, insbesondere Gold.

Was ist mit Rohöl?

Durch die schwächere Wirtschaftsentwicklung dürfte der Ölpreis tendenziell sinken, trotz der Krisenherde im Nahen Osten.

In Zeiten von Niedrig-Zinsen flüchten Anleger nicht nur ins physische Gold sondern verstärkt ins Betongold. Hält diese Entwicklung in Deutschland an?

Solange die Notenbanken die Zinsen nicht erhöhen oder sogar noch weiter senken, setzt sich der Trend fort. Allerdings wird es aufgrund der großen Nachfrage zunehmend schwierig, vor allem im Wohnbereich geeignete Objekte zu finden, die die Renditeerwartungen von Investoren erfüllen.

Apropos Niedrig-Zinsen: Die Renditen von Anleihen vermeintlich zahlungskräftiger Emittenten sind ebenfalls im Keller.

Bei vielen Anleihegattungen stimmt das Chance-Risiko-Verhältnis überhaupt nicht mehr. Für Papiere von Deutschland beispielsweise kassieren Anleger eine negative Realrendite. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich bei Anleihen von Unternehmen mit erstklassiger Bonität beobachten. Bei spanischen oder italienischen Staatsanleihen dagegen stimmt zwar die Rendite, aber das Risiko zu viel hoch. Anleihemärkte sind eben von Notenbanken manipuliert.

Wenn Sie zwischen Unternehmensanleihen und Aktien wählen müssten…

…dann würde ich tendenziell die Aktienseite bevorzugen. Unternehmen mit ausreichend Cashflows, die in nicht-zyklischen Branchen agieren, sind eine gute Fluchtburg. Anleger sollten sich jedoch bewusst sein, dass selbst Konzerne wie Nestlé Kursrückgänge erleiden werden.

Welche Branchen sind jetzt noch interessant?

Es geht weniger um Branchen, als vielmehr um gesunde Geschäftsmodelle. Bei Banken und Versicherungen sehe ich diese gesunden Geschäftsmodelle zumindest nicht mehr.

Lohnt es dich dann überhaupt noch, in Zukunft in den Rentenmarkt zu investieren?

Um Renditen oberhalb der Inflationsraten zu erzielen, erhöhen Anleger sukzessive das Risiko. Sie müssen sich das wie eine Leiter vorstellen, die man erklimmt. Auf der untersten Stufe kauft man Staatsanleihen, bis sie zu wenig abwerfen. Dann wechselt man in die Klasse der Unternehmensanleihen. Da inzwischen die Rendite in vielen Fällen ebenfalls zu gering ausfällt, geht man auf High Yield Bonds über. Irgendwann erreicht man die Stufe der Emerging Market Bonds von Ländern wie Südkorea oder Indonesien. Dabei steigt mit jeder Sprosse das Risiko, aber die mageren Renditen sind keine adäquate Entschädigung dafür.

Und wie sieht es mit Fremdwährungen aus?

Bis dato haben Fremdwährungen in erster Linie der Spekulation gedient. Bei der Risikostreuung gewinnen sie aber immer mehr an Bedeutung. 30 Prozent bis 40 Prozent des gesamten Portfolios sollten in gute Währungen investiert werden. Dazu zählen beispielsweise die Norwegische Krone und der Singapur sowie Kanadische Dollar. In Krisenzeiten lohnt es sich, zumindest temporär den US-Dollar im Depot zu haben.

Das kommende Jahr ist also nichts für schwache Nerven?

Vermutlich nicht.

Wie schonen Anleger am besten ihr Geld und damit ihre Nerven?

Mit Sachwerten. Daran kommt im nächsten Jahr keiner vorbei. Außerdem sollten sich Sparer mit der Frage auseinander setzen, welches Risiko sie vertragen können, sprich, welche Schwankung ihr Depot aushält. Denn eines ist klar: Wer kein Risiko eingeht, muss im Gegenzug eine negative Realrendite in Kauf nehmen. Der Zeitpunkt einer Anlage spielt schließlich ebenfalls eine wichtige Rolle. Bei Edelmetallen sollte man sich schon jetzt positionieren.

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