Vermögensverwalter-Kolumne

Europa unter Beschuss

23.03.17 14:58 Uhr

Europa unter Beschuss | finanzen.net

Ende März feiert Europa Geburtstag: die Unterzeichnung der Römischen Verträge jährt sich zum 60. Mal.

Von Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München

Am 25. März 1957 begann das Märchen von Frieden, Freizügigkeit und freiem Handel. Doch ihre Erfolge muss die Staatengemeinschaft ausgerechnet in Krisenzeiten feiern. Statt Eintrittsverhandlungen finden Austrittsdiskussionen statt, die Debatte um die Flüchtlingspolitik spaltet den Kontinent und Rechtspopulisten sind europaweit auf dem Vormarsch.

Im Superwahljahr 2017 geht es bei jeder Abstimmung auch um die Frage, inwieweit die europäische Gemeinschaft fortbesteht. Zwar haben die holländischen Wähler dem Siegeszug der Europa- und Fremden-Feindlichen zunächst einen Dämpfer verpasst, aber es war nur ein eher kleiner Auftakt des Wahlmarathons, der uns noch bevorsteht. Denn als nächstes ist Frankreich dran und da geht es um viel mehr, denn die Präsidentschaftsanwärterin Marine Le Pen will es den Briten gleichtun und ebenfalls die EU verlassen. Die britische Premierministerin wird wohl bis Ende März das Austrittsgesuch nach Brüssel schicken. Viele Probleme auf einmal, und die Zeiten in Europa bleiben turbulent, auch außenpolitisch: USA und Türkei scheinen sich ebenfalls auf Europa einzuschießen.

Die Risikoprämien für französische und südeuropäische Staatsanleihen steigen dementsprechend wieder. Im Juli muss Griechenland Kredite in Milliardenhöhe zurückzahlen; gut möglich, dass das die Eurokrise auf die Tagesordnung zurückholt. Überhaupt hat sich die Schuldensituation der europäischen Staaten seit der Finanzkrise 2008 kein Stück verbessert. Mit mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung hat selbst Italien neben Portugal und nach Griechenland die zweithöchste Staatsverschuldung Europas. Doch bald wird auch die Europäische Zentralbank EZB darauf keine Rücksicht mehr nehmen können, denn der EZB-Chef Marion Draghi kommt zunehmend in Erklärungsnot.

Das Inflationsziel der EZB von ca. zwei Prozent ist aufgrund der gestiegenen Ölpreise erreicht. Grund genug eigentlich, zumindest bald über den Ausstieg aus dem Anleihen-Kaufprogramm der EZB zu diskutieren. Aber Draghi wahrt zumindest nach außen den Schein, alles in der Zinspolitik bliebe zunächst beim Alten. Das hat mittlerweile die skurrile Folge, dass eine zehnjährige US-Staatsanleihe bei geringerem Risiko aktuell 0,3 Prozent mehr Rendite abwirft als entsprechende italienische Papiere. Doch die ersten Notenbanker, die weniger stark im Rampenlicht stehen, beginnen schon mal über eine erste Zinsanhebung zu philosophieren.

Draghis Kollegin Yellen von der amerikanischen FED ist da schon zwei Schritte weiter. Die amerikanische Notenbankchefin hat die Zinszügel mittlerweile fest in der Hand. Die vom Markt erwartete dritte Zinsanhebung um ein weiteres Viertelprozent auf nun rund ein Prozent Zielzone ist soeben über die Bühne. Weitere zwei Schritte werden in diesem Jahr folgen. Es könnten mehr werden, wenn Präsident Trump es in seinem Eifer, die amerikanische Wirtschaft anzuschieben, übertreibt.

Zinsen und Inflation in den USA steigen. Das dürfte auch die EZB nicht unbeeindruckt lassen, denn es drohen Abflüsse von Anlegergeldern von Europa nach Amerika. Die Kurse von Staatsanleihen der Eurozone würden unter Druck geraten und die Refinanzierungskosten so oder so steigen. Über kurz oder lang wird auch die EZB an der Zinsschraube drehen müssen.

Eine weitere spannende Frage wird sein, bis zu welchem Niveau der Aktienmarkt den steigenden Zinstrend ignorieren kann. Noch ist nicht unmittelbar Gefahr in Verzug, denn das Zinsniveau ist nach wie vor niedrig. Wenn die FED ihren gemäßigten Fahrplan fortführt, könnte es erst ab zwei Prozent für den Aktienmarkt kritisch werden. Dennoch, die Vorschusslorbeeren für Trumps Infrastruktur- und Steuerpaket müssen auch mal eingelöst werden. Sein disruptives Weltbild stößt jedoch schon jetzt zunehmend an die Grenzen von Gesetz und Parteiinteressen.

Für die nächsten Wochen bedeutet dies für Anleger, wieder ein bisschen mehr Vorsicht walten zu lassen, und nicht einfach blind auf den möglicherweise weiterfahrenden Börsenzug aufzuspringen. Denn mittelfristig braut sich Ungemach zusammen.

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