Tochter übertrifft Mutter

Deutsche Telekom vs. T-Mobile US: Was funktioniert in den USA so viel besser?

28.12.16 16:57 Uhr

Deutsche Telekom vs. T-Mobile US: Was funktioniert in den USA so viel besser? | finanzen.net

Das einstige Sorgenkind T-Mobile US hat sich für die Deutsche Telekom längst als größter Gewinnbringer erwiesen. Das ist hauptsächlich der ungewöhnlichen Strategie der US-Tochter zu verdanken.

Wenn man in Deutschland auf die Straße gehen und Menschen nach ihren ersten Gedanken zum Begriff "Deutsche Telekom" fragen würde, würden die meisten wohl das gute Mobilfunknetz aber auch hohe Preise und komplizierte Tarife nennen - oder daran denken, dass die Eltern früher immer einen Vertrag bei dem ehemaligen Monopolisten hatten. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere auch noch an den Flop mit der als "Volksaktie" gehypten T-Aktie. Eines dürfte hierzulande aber wohl kaum jemandem in den Sinn kommen - nämlich die Telekom als hip, cool oder angesagt zu bezeichnen. Zu verstaubt ist ihr Image, als zu langweilig gelten die Produkte. Das schlägt sich auch in den Quartalszahlen nieder: Der bereinigte Nettogewinn stagnierte im dritten Quartal 2016, der Umsatz in Deutschland und Europa ist zuletzt leicht gesunken.

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Ganz anders sieht es bei der amerikanischen Konzerntochter T-Mobile US aus. Das einstige Sorgenkind des Konzerns hat sich mittlerweile zum Gewinnbringer gemausert und begeistert seine Kunden mit innovativen Ideen. Das trägt nicht nur zu einem deutlich besseren und cooleren Image bei, sondern kommt auf dem hart umkämpften amerikanischen Markt auch sehr gut an: Der Umsatz der US-Tochter stieg im dritten Quartal verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um rund 18 Prozent auf 9,25 Milliarden Dollar, der Gewinn schnellte von 138 Millionen Dollar auf 366 Millionen Dollar hoch. Der amerikanische Mobilfunker kann sich quasi kaum vor dem Kundenansturm retten: 3,7 bis 3,9 Millionen neue Kunden sollen es im Gesamtjahr 2016 werden. Davon kann die Mutter nur träumen.

Zunächst sah es allerdings überhaupt nicht danach aus, als ob sich das 2001 durch die Übernahme von VoiceStream geschaffene Tochterunternehmen T-Mobile US in den USA behaupten könnte. Der Bonner Konzern musste Milliarden in die US-Tochter pumpen, nachdem es ihm nicht gelungen war, sie wieder zu verkaufen. Doch 2012 übernahm ein neuer Mann den Posten an der Spitze des US-Unternehmens - und mit ihm kam die Wende.

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Höttges vs. Legere: Zwei ungleiche Chefs

"In Asien gibt es ein Sprichwort: ‚Wenn du Karaoke singst, dann willst du nach dem schlechtesten Sänger drankommen.‘ Und ich würde nach dem schlechtesten Sänger dran sein", beschrieb John Legere in einem Interview mit "Business Insider" rückblickend seine Gedanken, als er sich dazu entschloss, im September 2012 die Leitung von T-Mobile US zu übernehmen. Seit er den Telekom-Manager Philipp Humm in dieser Position abgelöst hat, hat er den Konzern auf Wachstumskurs gebracht, das verstaubte Image des Mobilfunkanbieters deutlich aufpoliert und damit bei den Kunden einen Nerv getroffen.

In den USA ist John Legere daher fast schon Kult: Er ist locker, lustig, schlagfertig, extrovertiert und lebt seine Marke. Auf Twitter lässt er seine 3,4 Millionen Follower an seinem Leben teilhaben und auch auf der Straße oder wenn er einen Shop oder ein Call Center von T-Mobile US besucht, wird er sofort erkannt. "n-tv" bezeichnete ihn sogar bereits als den hippsten Unternehmenschef "seit Steve Jobs". Einen ähnlichen Kleidertick hat er zumindest: Egal wo er auftaucht oder zufällig fotografiert wird, John Legere trägt immer ein magentafarbenes T-Shirt. Auch auf seinen Hosen, Jacken und Accessoires prangt häufig das Telekom "T".

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Timotheus Höttges ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom - und auf der Straße würde ihn wohl niemand erkennen, selbst wenn er - was schlicht undenkbar wäre - ein magentafarbenes T-Shirt tragen würde. Undenkbar auch, dass er einen regelmäßigen Livestream bei Facebook ins Leben rufen würde, der ihn dabei zeigt, wie er sich etwas zu Essen kocht und nebenbei mit den Fans chattet. Dabei ist Höttges sogar vier Jahre jünger als der 58-jährige Legere - wirkt aber durch sein Verhalten um Jahre älter. Höttges ist so, wie man sich in Deutschland wohl einen Manager vorstellt: Immer korrekt gekleidet, ernsthaft und außerhalb von Aktionärsveranstaltungen kaum in der Öffentlichkeit zu sehen.

Dabei könnte es der Deutschen Telekom und Timotheus Höttges womöglich gut tun, etwas mehr wie T-Mobile US und John Legere zu sein. Denn ohne ihn, sein charismatisches Auftreten und seine teils revolutionären Ideen würde die US-Tochter heute wohl längst nicht so gut dastehen.

Tradition vs. Disruption: Die Strategien könnten kaum unterschiedlicher sein

Durch aggressives Marketing und außergewöhnliche Aktionen hat Legere die Kundenanzahl von T-Mobile US seit seinem Amtsantritt verdoppelt. Er verschenkte beispielsweise Unternehmensaktien an Kunden mit Festverträgen, zahlte 650 Dollar Willkommensprämie, krempelte die Tarife um. Unter Legere war T-Mobile US der erste Anbieter in den USA, der einen Tarif mit unbegrenztem Datenvolumen im Angebot hatte. Der Konkurrenz blieb nichts anderes übrig, als nachzuziehen. Heute - und dank des Zusammenschlusses mit MetroPCS im Jahr 2013 - ist T-Mobile US mittlerweile mit insgesamt rund 65 Millionen Kunden die Nummer drei auf dem amerikanischen Mobilfunkmarkt.

"Wir tun nur etwas, dass noch nie in der Mobilfunkbranche vorgekommen ist: Wir hören auf unsere Kunden", betont Legere laut "n-tv" immer wieder. Das sollte womöglich auch die Deutsche Telekom versuchen. Denn diese hat - zumindest in Deutschland - eher den Ruf, überteuerte Tarife anzubieten. Vor rund drei Jahren sorgte die "Drosselkom" außerdem mit dem Vorstoß für Schlagzeilen, auch bei DSL-Leitungen die Geschwindigkeit zu reduzieren, sobald ein bestimmtes Datenvolumen verbraucht ist. Die Strategien von Mutter und Tochter könnten also unterschiedlicher nicht sein, auch wenn es aufgrund eines Gerichtsurteils nicht zur Drosselung bei der Telekom kam.

Anders als der DAX-Konzern, kann Legere mit seinen ungewöhnlichen Maßnahmen aber große Erfolge feiern. Dabei stützt sich seine Strategie aber ausgerechnet darauf, dass T-Mobile US eben kein Netzbetreiber wie alle anderen sei, sondern den kompletten Mobilfunkmarkt umkrempeln will. Zumindest in den USA, denn dort sei die Branche "dumm, kaputt und arrogant", wie John Legere in einem Interview mit "Business Insider" sagte. Er wolle daher den Wettbewerb bei Preisen und Qualität ankurbeln, anstatt die Kunden in langfristigen Verträgen zu fesseln.

Auch von der Muttergesellschaft, der Deutschen Telekom, hebt sich T-Mobile US mit dieser Strategie und dieser Einstellung ab. Denn in Deutschland gilt die Telekom als der altmodische und traditionelle Netzbetreiber schlechthin. Dass ausgerechnet die Deutsche Telekom die Branche aufrütteln oder auf langlaufende Verträge verzichten würde, scheint ausgeschlossen. Das weiß offenbar auch John Legere. Gegenüber "Business Insider" sagte er, wenn er die Telekom bei vielen seiner Schritte um Erlaubnis gebeten hätte, hätte er sie wohl nie umsetzen dürfen. Gut, dass er es nicht getan hat - auch für die Deutsche Telekom, die mittlerweile einen Großteil ihres Gewinnes der US-Tochter verdankt.

Stillstand vs. Allzeithoch: Das sagt die Börse

Dass T-Mobile US mit seinerihrer Strategie erfolgreicher ist als die Deutsche Telekom, lässt sich nicht nur an den Quartalszahlen, sondern auch am Aktienkurs ablesen: Die Papiere von T-Mobile US erreichten im Dezember 2016 ein neues Allzeithoch knapp unter 60 Dollar. Mit einer Marktkapitalisierung von momentan umgerechnet 48,05 Milliarden Euro hat die US-Tochter bereits rund zwei Drittel der Größe der Konzernmutter erreicht, deren Marktkapitalisierung bei 75,53 Milliarden Euro liegt und die von ihrem Allzeithoch bei 104,90 Euro meilenweit entfernt ist. Im Vergleich zur Kursentwicklung bei T-Mobile US hat sich der Aktienkurs des DAX-Konzerns in den letzten Jahren kaum von der Stelle bewegt.

Bei der Wertentwicklung an der Börse profitiert T-Mobile US allerdings auch von Übernahmefantasien. Denn die Bonner wollen die US-Tochter trotz des Erfolges weiterhin verkaufen, und der japanische Telekom-Riese Softbank will in den nächsten Jahren rund 50 Milliarden Dollar in den USA investieren. Da die Japaner auch schon den amerikanischen Konkurrenten Sprint aufgekauft hatten, hoffen Anleger nun natürlich auf ein Angebot für T-Mobile US.

Diese Aussicht begeistert auch Analysten: Das Analysehaus Oppenheimer & Co verpasste der US-Aktie im Dezember 2016 die Bewertung "Outperform". Mit dem Papier könnten Anleger von einer möglichen Branchenkonsolidierung in den Vereinigten Staaten besonders gut profitieren, sagte Analyst Timothy Horan. Die Analysten von Wells Fargo sehen hingegen auch ohne Übernahme viel Potenzial für T-Mobile US: Sowohl Free Cashflow als auch Kundenzahl dürften sich weiter prächtig entwickeln, schrieb Analystin Jennifer Fritzsche in ihrer Studie von August. Darum lautete auch hier das Rating "Outperform".

Bei der Deutschen Telekom sind die Analysten etwas weniger euphorisch. Auf ein Übernahmeangebot kann das DAX-Schwergewicht schließlich nicht hoffen und auch sonst sieht es für ein Wachstum aus eigener Kraft momentan eher mau aus. Zwar hob die Credit Suisse die Telekom-Aktie im November auf die "Top Outperform"-Liste, allerdings nur, weil T-Mobile US den Marktanteil in den Vereinigten Staaten weiter ausbauen dürfte. Da die Telekom nach eigenen Angaben rund 66 Prozent der Anteile an der Tochter hält, würde sie davon indirekt mitprofitieren.

Andere Analysten sind da skeptischer. Von Morgan Stanley bekam die Deutsche Telekom im Dezember nur das Rating "Equal-Weight" und Goldman Sachs beließ im Oktober zwar die Einstufung auf "Buy", senkte aber das Kursziel. Goldman-Analyst Joshua Mills nannte niedrigere Gewinnannahmen als Folge höherer Investitionen in Deutschland als Grund. Auch die NordLB empfiehlt die Telekom-Aktie zum Kauf, jedoch aufgrund einer positiven Sektoreinstufung. Aus eigener Kraft trauen die Analysten dem deutschen Konzern also offenbar keine allzu großen Sprünge zu.

Schließlich steht bei der Deutschen Telekom aber auch kein John Legere an der Spitze, der den Konzern umkrempeln und zurück auf Kurs bringen könnte. Aber was nicht ist, kann ja noch werden - und mit einer solchen charismatischen Führungsperson könnte die Deutsche Telekom - zumindest in Deutschland - vielleicht sogar wieder zum Vorreiter werden.

Redaktion finanzen.net

Bildquellen: Juergen Schwarz/Getty Images, Jonathan Weiss / Shutterstock.com

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20.02.2020Deutsche Telekom verkaufenBarclays Capital
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