Risiken in Bankbilanzen

Löst Italien Deutschland als größten Gegner einer Bankenunion ab?

27.11.19 16:02 Uhr

Löst Italien Deutschland als größten Gegner einer Bankenunion ab? | finanzen.net

Italien scheint sich zur stärksten Bremse auf dem Weg zu einer europäischen Bankenunion zu entwickeln. Dabei hat das Land viel zu verlieren.

• Deutschland öffnet sich einer Bankenunion
• Skepsis in Italien
• Reformen in Gefahr

Lange wurde Deutschland vorgeworfen die weitere Integration Europas zu blockieren. Denn Berlin trat beim Thema Kapitalmarkt- und Bankenunion lange Zeit auf die Bremse. Doch nun könnte sich das Blatt wenden. Zuerst entschied das Bundesverfassungsgericht im Juli, dass sich die zentrale Bankenaufsicht im Euroraum und der gemeinsame Notfall-Fonds zur Abwicklung maroder Geldhäuser noch im zulässigen Rahmen bewegen. Dann signalisierte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nach Jahren des Stillstands Anfang November 2019 überraschend seine Bereitschaft zu einer gemeinsamen europäischen Absicherung von Bankguthaben.

Dieser Bestandteil der Bankenunion ist in Deutschland besonders umstritten. Deshalb muss erwähnt werden, dass der deutsche Vizekanzler seinen Vorstoß nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt hatte. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wies auch prompt darauf hin, dass der Scholz-Vorschlag keine Regierungsmeinung sei. Und auch Kanzlerin Angela Merkel betonte, dass man hierbei nur schrittweise vorgehen könne. Scholz ließ sich davon jedoch nicht abhalten Ende November nachzulegen und zu erklären, er hoffe auf eine Vollendung der europäischen Bankenunion in den nächsten vier bis fünf Jahren. Das Thema Bankenunion hat also in Berlin einen starken Befürworter.

Italien, der neue Bremsklotz?

Doch die Vorschläge des deutschen Bundesfinanzministers wurden in Italien mit Skepsis aufgenommen. Denn der Vizekanzler machte zur Bedingung, dass gleichzeitig Risiken im Bankensektor abgebaut würden. Aus diesem Grund sollen Staatsanleihen nach Scholz‘ Meinung nicht mehr als risikofreies Investment behandelt werden. Vielmehr sollten sie in den Bank-Bilanzen nach ihrem Risiko bewertet werden.

Dies könne insbesondere für spanische und italienische Banken zum Problem werden, denn diese haben sehr viele Anleihen ihrer Regierungen im Portfolio. Deshalb erklärte der neue italienische Finanzminister Roberto Gualtieri auch, Rom habe in einigen Punkten andere Vorstellungen als Scholz. Gualtieri beklagte, europäische Anbieter würden bei einer Risikoabdeckung von Staatsanleihen mit Eigenkapital Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Wirtschaftsregionen erleiden.

Außerdem befürchtet Gualtieri negative Auswirkungen auf die Staatsverschuldung Italiens. Sein Land kämpft mit einem enormen Schuldenberg, der in 2018 rund 135 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachte und der in diesem und dem kommenden Jahr voraussichtlich weiter anwachsen wird. Innerhalb der EU hat lediglich Griechenland eine höhere Verschuldung, allerdings ist dort eine rückläufige Tendenz auszumachen.

Als Gründungsmitglied der EU war Italien traditionell ein starker Unterstützer des Projekts "Europa". Doch dies änderte dich durch die jüngste große EU-Finanzkrise, die Italien und viele seine Banken hart traf. Teile der von der EU beschlossenen Reformen, um der Krise Herr zu werden, stießen in Rom auf heftige Kritik. Wohl auch deshalb konnten in Rom inzwischen die Populisten und Euro-Skeptiker die Macht übernehmen.

Weitere Reformen in Gefahr

Aufgrund der neuen Machtverhältnisse in Rom könnten sogar Vereinbarungen gefährdet sein, die eigentlich schon als ausgemacht angesehen wurden. Dazu zählt etwa eine Reform des ESM. Der europäischen Rettungsfonds ist dazu da, gegen Spar- und Reformauflagen Kredite an Staaten in Notlagen zu vergeben. Die Veränderung würde es ermöglichen, dass der ESM als Backstop für den Single Resolution Fund fungiert, womit er krisengeplagten Banken besser helfen könne.

Sollten sich die europäischen Staatschefs jedoch nicht auf diese Reformen verständigen, würde dies ein schlimmes Signal aussenden. Die Hoffnungen auf eine Bankenunion wären dann erstmal dahin, dabei wäre sie eines der wirksamsten Mittel, künftigen Krisen zu begegnen.

Redaktion finanzen.net

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