Passive Investments

Studie: Aktienhandel verschiebt sich immer mehr auf das Ende der Sitzung

02.06.24 17:57 Uhr

Passive Investments führen zu Verschiebung des Aktienhandels und Verzerrungen der Schlusskurse | finanzen.net

An den Aktienmärkten kommt es zu erheblichen Verschiebungen des Handelsvolumens hin zum Handelsschluss. Was bedeutet das für Anleger und Märkte?

• Handel verschiebt sich immer mehr in Richtung Handelsschluss
• Einer der Gründe: Zunahme passiver Investments
• Zunehmende Schlussauktionsvolumina führen zu Verzerrungen der Schlusskurse



Anleger können in den USA börsentäglich von 9.30 Uhr bis 16 Uhr, was 15.30 Uhr bis 22.00 Uhr der mitteleuropäischen Zeit (MEZ) entspricht, Aktien handeln. Wie Bloomberg unter Berufung auf Daten des Entwicklers von Handelsalgorithmen BestEx berichtet, wird mittlerweile allerdings etwa ein Drittel aller Aktiengeschäfte im marktbreiten US-Index S&P 500 in den letzten 10 Minuten der Sitzung ausgeführt. Das bedeutet einen Anstieg - im Jahr 2021 seien es noch 27 Prozent gewesen.

In Europa zeigt sich laut Bloomberg ein ähnliches Muster. Die Studie "Shifting Volumes to the Close: Consequences for Price Discovery and Market Quality" der Goethe-Universität Frankfurt hat diese Entwicklung untersucht.

Erhebliche Verschiebungen des Handelsvolumens

Wie es in der Studie, die Benjamin Clapham und Micha Bender von der Goethe-Universität Frankfurt zusammen mit Bundesbank-Analyst Benedikt Schwemmlein verfasst haben, heißt, kam es "Aufgrund der Zunahme passiver Investitionen und regulatorischer Änderungen […] an den Aktienmärkten weltweit zum Handelsschluss zu erheblichen Verschiebungen des Handelsvolumens".

Laut Daten von Bloomberg Intelligence sei das verwaltete Vermögen in passiven Aktienfonds in den USA in den letzten zehn Jahren auf mehr als 11,5 Billionen US-Dollar gestiegen, berichtet Institutional Money. Dadurch habe sich der Handel zunehmend auf das Ende der Sitzung verlagert. Selbständig agierende Investoren würden von dieser Liquidität profitieren wollen, weshalb sie dem Trend folgen würden. Das führe wiederum zu einem sich selbst verstärkenden Kreislauf.

Die Autoren machten es sich zur Aufgabe, in ihrer Studie, "basierend auf drei großen europäischen Märkten, in denen Schlussauktionen mehr als ein Drittel des täglichen Handelsvolumens ausmachen", zu analysieren, "ob solche Schlussauktionen mit hohem Volumen negative Auswirkungen auf die Preisfindung am Schluss und die Marktqualität im laufenden Handel haben".

Verzerrungen des Schlusskurses, negative Auswirkungen auf Intraday-Liquidität, positive Auswirkungen auf Intraday-Volatilität

Laut Clapham sei es "allgemein bekannt, dass Schlussauktionen sehr, sehr gute Mechanismen zum Marktschluss sind", allerdings weist der Co-Autor der Studie darauf hin, dass es "bei einer solchen Verlagerung der Volumina auf diese letzte Handelsmöglichkeit des Tages […] Preisineffizienzen geben" könnte.

Clapham, Bender und Schwemmlein fanden heraus, dass es "Hinweise auf erhebliche Verzerrungen des Schlusskurses" gibt. So seien 14 Prozent der Schlussauktionsrendite "über Nacht systematisch rückgängig gemacht" worden. Als Hauptgründe für diese Umkehrungen machten sie "zunehmende Schlussauktionsvolumina, Index-Neuausrichtungstage und hohe Intraday-Renditen" aus.

Die Ergebnisse hätten zudem gezeigt, dass sich die Verschiebung der Handelsvolumina auf den Handelsschluss negativ auf die Intraday-Liquidität auswirke, während es positive Auswirkungen auf die Intraday-Volatilität gebe. Dies stehe "im Gegensatz zu den theoretisch vorhergesagten positiven Auswirkungen von Schlussauktionen auf die Preisfindung und Liquidität."

Regulierungsbehörden, Börsenbetreiber und Forscher sollten Entwicklung mehr Aufmerksamkeit schenken

Clapham, Bender und Schwemmlein sind daher der Meinung, dass der Anstieg der Volumina zur Schlussauktion weltweit aufgrund der negativen Folgen für die Markteffizienz "mehr Aufmerksamkeit von Regulierungsbehörden, Börsenbetreibern und Forschern erhalten sollte". Wegen der Bedeutung der Schlusskurse - die durch die hohen Volumina in Schlussauktionen verzerrt werden - für Handelsentscheidungen der Anleger, Portfoliobewertungen, Abrechnungspreise von derivativen Kontrakten und viele weitere Anwendungen auf den Finanzmärkten "sollte diese Entwicklung in künftigen Forschungen weiter untersucht werden", heißt es in der Studie. Die Autoren warnen zudem davor, dass der Trend des Handels zum Schluss im Sinne des "Liquidität-erzeugt-Liquidität"-Effekts verstärkt werden könnte. Die Regulierungsbehörden sollten daher auch "sorgfältig neue regulatorische Maßnahmen konzipieren und bewerten, um eine weitere Beschleunigung des Trends steigender Schlussauktionsvolumina zu verhindern".

Redaktion finanzen.net

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