Squeeze-outs: Frisch herausgepresst
In Deutschland ist es leicht, Kleinaktionäre aus börsennotierten Firmen zu drängen. Wie sich betroffene Anleger gegen einen Zwangsrauswurf und dessen Folgen wehren können.
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von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
Wut, Enttäuschung und eine Spur Resignation. Der vergangene Freitag verlief äußerst ärgerlich für die Aktionäre der Deutschen Postbank. Auf der Hauptversammlung (HV) hat die Deutsche Bank mit ihren 96,8 Prozent der Stimmrechte beschließen lassen, sämtliche verbliebenen Kleinanleger aus dem Unternehmen zu drängen.
Möglich macht den Rauswurf seit 2002 das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz: Hält der Hauptaktionär mehr als 95 Prozent des Grundkapitals an einem Unternehmen, kann er von den restlichen Anteilseignern verlangen, dass sie ihm ihre Anteile gegen eine Abfindung verkaufen.
Die 95-Prozent-Schwelle ist auch von Bundesgerichten in mehreren Urteilen für zulässig erklärt worden. "Im internationalen Vergleich gibt es ähnlich hohe Hürden - daran zu rütteln macht keinen Sinn", meint der Frankfurter Anlegerschutzanwalt Klaus Nieding.
Nach diesem Zwangsausschluss - im Börsenjargon Squeeze-out genannt - sollen die Minderheitsaktionäre mit 35,05 Euro je Postbank-Aktie zwangsweise abgefunden werden. Bei rund sieben Millionen Anteilen im Streubesitz wird das die Deutsche Bank etwa 245 Millionen Euro kosten.
Eine Summe, die nach Ansicht von Deutschlands größtem Geldhaus gut investiert ist: Es entfallen Ad-hoc-Mitteilungspflichten, regelmäßige Analystenkonferenzen, die Übersetzung von Quartalsberichten ins Englische und die Organisation von Hauptversammlungen mit freien Aktionären, sobald die Postbank nicht mehr börsennotiert ist.
Mit diesem Vorgehen sind aber nicht alle Aktionäre einverstanden. Zahlreiche Anleger, die dem Papier seit Jahren die Treue halten, spekulieren auf eine höhere Abfindung. Dafür haben sie gute Gründe: Das Angebot der Deutschen Bank liegt 3,7 Prozent unter dem Kurs des Börsenhandelstags, an dem die Squeeze-out-Pläne in Sachen Postbank publik gemacht wurden. Maßgeblich für den Preis war der nach Umsätzen gewichtete durchschnittliche Börsenkurs in den drei Monaten vor Bekanntgabe der Maßnahme, konkret von 27. Januar bis 26. April 2015.
Das Postbank-Papier wurde zuletzt um 36,70 Euro an der Börse gehandelt. Das "Aufgeld" zur gebotenen Barabfindung erklärt sich durch die vertragsgemäße Ausgleichszahlung von 1,66 Euro pro Anteil, die freien Aktionären am Tag nach der HV überwiesen werden soll.
Für die herausgedrängten Kleinaktionäre kann es sich lohnen zu klagen. Indem sie ein sogenanntes Spruchverfahren einleiten, haben sie bereits seit 2003 die Möglichkeit, beim zuständigen Landgericht überprüfen zu lassen, ob die gebotene Barabfindung der Höhe nach angemessen ist. Der Vorteil dabei: "Von einem anlegerfreundlichen Urteil im Spruchverfahren profitieren alle betroffenen Aktionäre - auch solche, die gar nicht selbst geklagt haben", erklärt Rechtsanwalt Nieding.
Auch Postbank-Aktionäre werden voraussichtlich ein Spruchverfahren anstrengen. Denn es gibt noch einen weiteren Grund zu zweifeln, ob die Abfindung angemessen ist: "Auffällig ist der mit 7,52 Prozent nach Steuern sehr hohe Kapitalisierungszinssatz", sagt die Münchner Rechtsanwältin Daniela Bergdolt. Sinkt dieser, steigt der Unternehmenswert - und damit auch die Barabfindung. Ein Ansatzpunkt, zu einem niedrigeren Kapitalisierungszins zu kommen, wäre etwa die Marktrisikoprämie. "Sie wurde hier nach einem Modell berechnet, das so nicht unumstritten ist und von Gerichten in Spruchverfahren bereits angezweifelt wurde", erklärt Expertin Bergdolt.
Zeitspiel gegen Kleinaktionäre
So schön anlegerfreundliche Urteile im Spruchverfahren auch sein mögen - eine Garantie für schnelles Geld sind sie nicht. Der Mehrheitsaktionär kann gegen die Entscheidung des Landgerichts Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung können daher mehrere Jahre vergehen. Und Firmenübernehmer haben naturgemäß kein übermäßiges Interesse an einer zügigen Durchführung - obwohl sie Nachzahlungsansprüche von ehemaligen Aktionären bereits seit dem Jahr 1994 verzinsen müssen.Weiterer Wermutstropfen: Gesetzgeber und Gerichte kommen Firmenübernehmern beim Rückzug von der Börse entgegen. Der Bundesgerichtshof hatte 2013 entschieden, dass Firmen beim Delisting Aktionären kein Barabfindungsangebot für ihre Anteile mehr machen müssen (Az. II ZB 26/12). Daraufhin legte der Gesetzgeber 2014 mit einem vereinfachten Delisting-Verfahren nach. Seither müssen sich börsennotierte Unternehmen den Rückzug von der Börse nicht mehr von der Hauptversammlungsmehrheit absegnen lassen - schon ein einfacher Vorstandsbeschluss reicht dafür aus.
Seitdem sanken in nahezu allen Fällen die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen am Tag der Delisting-Ankündigung deutlich. So etwa, als der Wohnimmobilienkonzern Deutsche Annington im April erklärte, seinen übernommenen Konkurrenten Gagfah ganz von der Börse nehmen zu wollen.
Zudem laufen Kleinaktionäre Gefahr, nach Delistings auf schlecht handelbaren Anteilen sitzen zu bleiben. Auch das Justizministerium ist alarmiert und prüft eine weitere Gesetzesänderung, um Anleger künftig besser zu schützen.
"Neben dem Pflichtangebot von Großaktionären bei Erreichen von 30 Prozent der Anteile sollte es eine zweite Angebotsschwelle bei 50 Prozent geben", fordert Rechtsanwalt Nieding.
Ob ein mögliches Spruchverfahren nach dem Postbank-Squeeze-out zugunsten der Kleinaktionäre ausgehen wird, bleibt ebenfalls abzuwarten: Der von der Deutschen Bank angebotene Abfindungskurs liegt immer noch höher als der von einem Wirtschaftsprüfer ermittelte anteilige Ertragswert der Postbank-Aktie. Zuletzt wurde die Postbank an der Börse noch mit rund acht Milliarden Euro bewertet. Branchenkenner gehen aber davon aus, dass das Geld-institut bei einer möglichen Rückkehr an die Börse nur die Hälfte dieser Summe wert sein wird - die Deutsche Bank hatte vor sieben Jahren einen Kaufpreis von 6,6 Milliarden Euro bezahlt.
Squeeze-outs: Bei welchen Firmen Anlegern der Rauswurf droht (PDF)
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