Krisenfeste US-Aktien: Fakten statt Emotionen
Hoffnung und Panik bestimmen seit Wochen das Auf und Ab an den Börsen. Jetzt zeigen die Unternehmenszahlen aus den USA, wie es um die Wirtschaft wirklich steht.
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von Sven Parplies, Euro am Sonntag
Für Gesundheitsfanatiker ist es ein Horror, für viele Konsumenten eine wunderbare Nachricht: Jeden Tag will die Fast-Food-Kette McDonald’s eine neue Filiale in China eröffnen. Bis zum Jahr 2013 sollen es 2000 Stück sein. Den Aktionären schmeckt das auf jeden Fall. Weil die Nachfrage nach Burgern und Pommes kaum von konjunkturellen Schwankungen beeinträchtigt ist und das Unternehmen zugleich immer neue Filialen vor allem in Schwellenländern eröffnet, gehört McDonald’s zu den zuverlässigsten Wachstumswerten der amerikanischen Wirtschaft. In den vergangenen fünf Jahren schrieb das Unternehmen lediglich in einem Quartal Verluste.
Schwer zu knabbern haben hingegen die Aktionäre der Bank of America. Wie kaum ein anderes Finanzunternehmen ist der Konzern in die amerikanische Immobilienkrise verstrickt. Schadenersatzklagen und immer neue Abschreibungen belasten Unternehmensbilanz und Aktienkurs. Seit dem Jahr 2008 wird der Konzern immer wieder zurückgeworfen. Für die Monate Mai bis Juni meldete die Bank einen Rekordverlust von fast neun Milliarden Dollar.
Banken und im weiteren Sinne Burger werden auch die bestimmenden Themen der jetzt anlaufenden Berichtssaison in den USA sein. Börsianer erwarten von den Geschäftsberichten der Unternehmen für die Monate Juli bis September klare Hinweise darauf, wie tief sich die eskalierende Staatsschuldenkrise in die realen Wirtschaftsprozesse hineingefressen hat. Die Antwort wird, je nach Branche und Unternehmen, sehr unterschiedlich ausfallen.
Deutlich zweistellige Gewinnsteigerungen erwarten Analysten laut der vom Datendienst Thomson Reuters ermittelten Konsensschätzung für die Branchen Energie und Grundstoffe. Bei den Finanzwerten wird hingegen nur ein Plus von weniger als drei Prozent einkalkuliert. Einzig bei den Versorgern gehen die Börsenprofis bislang von sinkenden Gewinnen aus.
Unter dem Strich sind Analysten weiterhin bemerkenswert optimistisch: Für den breit aufgestellten amerikanischen Aktienindex S & P 500 erwarten sie im dritten Quartal einen Gewinnanstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 13 Prozent. Keine Spur also von Panik, die die Aktienmärkte in den vergangenen Wochen erschüttert hat, wohl aber wachsende Skepsis: Anfang Juli hatten Analysten noch einen Gewinnanstieg von 17 Prozent vorausgesagt, also vier Prozentpunkte mehr als aktuell. Einzig im Technologiesektor sind die Erwartungen stabil geblieben. Die deutlichsten Abstufungen gab es erwartungsgemäß bei den Finanzwerten. Dort hatten Analysten im Juli noch eine fünfmal so hohe Steigerung erwartet.
Für den gesamten Index sehen die Analysten auch längerfristig eine dynamische Entwicklung. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr erwarten sie für den wichtigsten US-Aktienindex einen Gesamtgewinn von 98 Dollar je Aktie. Das wäre ein neuer Rekord. 2012 sollen die Firmen sogar erstmals einen dreistelligen Überschuss je Aktie erwirtschaften. Spätestens bei dieser Prognose verlieren aktiv anlegende Börsianer den Glauben an die Hochrechnungen der Banker. „Die Schätzungen für 2012 sind ganz klar zu hoch“, urteilt Tobias Levkovich, der Aktienmarktstratege der Citigroup. Die makroökonomischen Trends stützen seine Vorsicht.
Die Volkswirte von Goldman Sachs haben ihre Konjunkturprognosen gerade deutlich gesenkt. Weltweit sehen sie für das kommende Jahr nur noch ein Wachstum von 3,5 statt 4,2 Prozent. Die positiven Impulse dürften vor allem aus den Schwellenländern kommen, während es für Europa schlecht aussieht: Sogar für Deutschland und Frankreich erwartet Goldman eine „milde Rezession“, eine stärkere in den Randstaaten der Eurozone. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Wirtschaftskraft der USA schrumpft, beziffert die Bank auf 40 Prozent.
Einen deutlichen Gewinneinbruch der Unternehmen haben die Aktienmärkte bereits vorweggenommen. Seit Ende Juli hat der S & P 500 in der Spitze fast 20 Prozent an Wert verloren. Da Analysten ihre Gewinnschätzungen nur verhalten stutzen, sind viele Aktien rechnerisch extrem niedrig bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S & P 500 hat sich seitdem mehr als halbiert. Mit einem Wert von rund elf liegt es bereits deutlich unter dem Durchschnitt aller Rezessionen der vergangenen 50 Jahre. Eine „normale“ Rezession wäre demnach bereits in den Kursen verarbeitet, zeigen Daten des Finanzdienstes Bloomberg. „Wir glauben, dass Aktien derzeit das schlimmstmögliche Szenario vorwegnehmen, das sich so nicht materialisieren wird“, lässt die Schweizer Bank UBS verlauten.
Für das jüngste Quartal stehen die Chancen auf positive Überraschungen gar nicht mal schlecht. Ein erster Frühindikator sind die Vorabmeldungen: Bis Ende September hatten 32 Unternehmen ihre Gewinnschätzungen kurzfristig angehoben, 84 gesenkt. Auf jede positive Revision kommen also rechnerisch 2,6 negative. Der Wert ist damit 0,5 Punkte schlechter als im langfristigen Durchschnitt, aber weit entfernt vom Extrem der großen Finanzkrise der Jahre 2008/09. Damals kamen auf eine positive Prognoseänderung mehr als vier negative.
Auch die Geschäftszahlen von Unternehmen, deren Quartal bereits im August endete, zeigen, dass die Geschäfte noch nicht unter den Turbulenzen an den Finanzmärkten gelitten haben: Die Gewinne übertrafen die Konsensschätzung im Schnitt um mehr als drei Prozent. Das erklärt, warum Strategen von der Berichtssaison Auftrieb für die Aktienmärkte erwarten. Die Unternehmensgewinne werden überraschen, weil die Erwartungen zu stark gedämpft worden seien, sagt Chefstratege Brian Belski von Oppenheimer & Co und prophezeit eine „schöne Jahresendrally“. Belski liegt mit seinem Optimismus durchaus im Trend. Laut Datendienst Bloomberg sehen Aktienmarktstrategen den S & P 500 bis Jahresende auf 1.300 Punkte steigen. Das wäre ein Plus von gut zehn Prozent.
Erster Profiteur einer Börsenerholung wären erfahrungsgemäß die Verlierer der Vormonate, also vor allem Finanzwerte. Weniger riskant und langfristig erfolgversprechend ist eine andere Strategie. Goldman Sachs rät zu Qualitätsaktien, also Unternehmen mit starken Bilanzen, stabilem Wachstum und berechenbarer Gewinnentwicklung.
Titel, die diese Vorgaben erfüllen, hat die Bank quer durch alle Branchen des amerikanischen Aktienmarkts ausgemacht und dabei 50 Spitzentitel herausgefiltert. Ganz oben auf der Liste mit der höchsten Punktzahl steht der in Deutschland wenig bekannte Einzelhandelskonzern TJX Companies. Die Aktie steht gleichzeitig auf der „Conviction-Buy-List“, der hauseigenen Empfehlungsliste von Goldman Sachs.
Von den 50 Qualitätsaktien sind auf dieser Liste ebenfalls zu finden: Walgreen (auch eine Einzelhandelskette), Coca-Cola, die Bank Wells Fargo, der IT-Dienstleister Oracle sowie der Chiphersteller Qualcomm. Interessant ist auch die hierzulande eher unbekannte Aktie von Ecolab. Dahinter steckt ein auf Kunden wie Krankenhäuser oder Hotels spezialisiertes Reinigungsunternehmen. Einen ähnlichen Ansatz wie Goldman verfolgt die Deutsche Bank, die in Erwartung steigender Kurse zum Auftakt der Berichtssaison zu Qualitätsaktien rät, die im historischen Vergleich ungewöhnlich niedrig bewertet sind.
Zu den 30 Unternehmen, die die Deutsche Bank ausgemacht hat, zählt der Softdrinkhersteller Pepsi- Co, der trotz solider Fundamentaldaten beim Kurs-Gewinn-Verhältnis nur etwa fünf Prozent über seinem Fünfjahrestief liegt. Ähnlich niedrig bewertet im historischen Vergleich ist laut Daten der Deutschen Bank der weltgrößte Anbieter von Büroartikeln, Staples, oder auch der Netzwerkspezialist Cisco Sytsems.
Nicht alle Börsianer trauen der jüngsten Kurserholung. Die Staatsschuldenkrise sei gefährlicher als die Bankenkrise nach dem Lehman-Kollaps, sagt Vermögensverwalter Thomas O’Halloran. Denn: Die Privatwirtschaft, also auch Banken, könnten in Krisensituationen durch den Staat gestützt werden – es gebe aber niemanden, der überschuldete Staaten auffangen könne.
Auch Gewinnsteigerungen im dritten Quartal haben womöglich begrenzte Aussagekraft, da viele Unternehmen alte Aufträge abarbeiten. Ein Polster, das mit jedem Tag dünner wird. Das vierte Quartal und darüber hinaus könne schwieriger werden, warnt Citigroup-Stratege Levkovich. Gewinneinbrüche wie in den Jahren 2008 und 2009 seien aber nicht zu erwarten, solange die Weltwirtschaft nicht in eine Rezession stürze. Damit wäre es realistisch, dass der Tiefpunkt der Aktienmärkte bereits erreicht worden sei.
Ausgerechnet bei Unternehmen aus dem Nahrungsmittelsektor, zu dem auch McDonald’s gehört, ist Levkovich skeptisch. Dort seien bereits zu viele gute Nachrichten in den Kursen verarbeitet. Das muss erst mal verdaut werden.
Investor-Info
S & P 500
Stabiler als der DAX
Da der berühmte Dow Jones Industrial mit 30 Titeln recht klein ist, orientieren sich die meisten Investoren, die in amerikanische Aktien investieren, lieber am breit aufgestellten Index S & P 500. Im Vergleich zum deutschen DAX sind defensive Branchen dort stärker gewichtet. Deshalb verläuft die Kurskurve des S & P 500 deutlich ruhiger als die des deutschen Leitindex. Das hat der jüngste Kursrutsch bestätigt. Eine längerfristige Betrachtung zeigt außerdem, dass sich aus Sicht von Anlegern aus der Euro-Zone die Währungsschwankungen des Dollar gegenüber dem Euro über längere Zeiträume ausgleichen.
Konzerngewinne
Analysten erwarten Rekorde
Amerikas Topkonzerne könnten im laufenden Jahr einen Rekordgewinn erwirtschaften. Addiert man die Gewinnschätzungen der Analysten für die einzelnen Unternehmen des S & P 500, ergibt sich für das laufende Jahr
ein Überschuss von 98 Dollar je Aktie. Damit lägen die Konzerne fast zehn Dollar über der bisherigen Bestmarke aus dem Jahr 2006. Für die beiden kommenden Jahre erwarten die Analysten erneut Rekorde. Voraussetzung ist, dass die Konjunktur sich weiter positiv entwickelt. Andernfalls droht wie schon in den Krisenjahren 2008/ 2009 ein deutlicher Einbruch.
Bewertung Nahe dem Tiefpunkt Während Analysten ihre Gewinnerwartungen für die Mitglieder des S & P 500 nur moderat gekürzt haben, sind die Aktienkurse eingebrochen. Dadurch ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Index auf Basis der Schätzungen für die kommenden vier Quartale deutlich gesunken – seit Jahresbeginn von mehr als 14 auf etwa 11,5. Das zeigt, dass Anleger bereits einen signifikanten Gewinneinbruch vorweggenommen haben. Trotz der deutlich gesunkenen Bewertung liegt das KGV aber noch immer über dem Tiefstand des Krisenjahrs 2008. Damals sackte das KGV kurzzeitig auf einen Wert von knapp über zehn.
PepsiCo
Spekulation auf Spaltung
PepsiCo setzt nicht nur auf Getränke, sondern auch auf Snacks. Nachdem steigende Rohstoffkosten und sinkende Marktanteile den Kurs gedrückt haben, drängen Investoren auf eine Teilung des Konzerns. Das würde den Aktienkurs deutlich steigern. Der Vorstand lehnt den
Vorschlag bislang ab, die Diskussion aber dürfte den Fokus der Börse
wieder stärker auf die im Vergleich zu Coca-Cola niedrige Bewertung der Aktie lenken.
TJX Companies
Billig boomt
Bis zu 60 Prozent Preisnachlass auf Kleidung und Haushaltsartikel verspricht die US-Billighandelskette TJX ihren Kunden. Das Gros der 2.800 Läden befindet sich in den USA. Konjunkturkrise und hohe Arbeitslosigkeit steigern die Nachfrage. Im September stieg der Umsatz um sechs Prozent. Das durchschnittliche Kursziel der Analysten liegt bei 62 Dollar, derzeit rund 46 Euro. Goldman Sachs gibt als Zielmarke sogar 68 Dollar aus.
Microsoft
Erstaunliche Wandlung
Der Softwaregigant erlebt einen bemerkenswerten Imagewandel an der Börse: Nach dem stürmischen Wachstum der Anfangsjahre lange Zeit als Langweiler ohne Kursfantasie verpönt, wird Microsoft jetzt als Substanzwert gesucht. Möglich machen das Cashbestände von 50 Milliarden Dollar, das einstellige KGV und eine Dividendenrendite von mehr als 2,5 Prozent.
Ecolab
Saubere Geschäfte
Sauberkeit ist ein wertvolles Gut. Davon profitiert Ecolab, ein Hersteller von Reinigungschemikalien aus dem Bundesstaat Minnesota. Zu den Kunden gehören Hotels und Krankenhäuser. Mit der demnächst anstehenden Übernahme des Spezialchemieherstellers Nalco will Ecolab in die Wasseraufbereitung expandieren. Von 17 Analysten empfehlen 14 die Aktie zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 60 Dollar, derzeit etwa 45 Euro.
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Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
Name | Hebel | KO | Emittent |
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