Ralph Dommermuth: Captain Internet mischt den Markt auf
Der Gründer und Mehrheitseigner von United Internet schuf einen Milliarden-Konzern. Mit der Übernahme von Drillisch mischt Dommermuth als viertwichtigster Player nun den deutschen Telekommunikationsmarkt auf.
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von Peter Balsiger, Euro am Sonntag
Ralph Dommermuth ist eindeutig auf Attacke eingestellt. "Wir wollen keine Marktanteile verteidigen, sondern welche gewinnen", sagte der 53-Jährige dem "Handelsblatt" zum Ziel der geplanten Übernahme des Telekomkonzerns Drillisch für knapp 16 Milliarden Euro. Als neue Nummer 4 auf dem Markt will er den Platzhirschen Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland das Fürchten lehren.
Zuzutrauen wäre es dem Selfmade-Milliardär, CEO und Mehrheitseigner des deutschen IT-Unternehmens United Internet. Denn schließlich schuf er innerhalb von 30 Jahren aus einer Ein-Mann-Bude einen mit 17 Millionen kostenpflichtigen Kundenverträgen sowie mehr als 34 Millionen werbefinanzierten Free-Accounts führenden europäischen Internetspezialisten, dessen Börsenwert zeitweise den der Lufthansa überstieg.
Sein erfolgreiches Geschäft mit der Digitalisierung - er setzt Milliarden um mit Internet- und Mobilfunkverträgen, mit Bausätzen für Websites und mit dem Vermieten von Speicherplatz im Datennetz - brachte Ralph Dommermuth den Ehrentitel "Captain Internet" ein. Ralph Dommermuth, der 1,91 Meter große Westerwälder, hat praktisch alle Auszeichnungen abgeräumt, welche die deutsche Wirtschaftspresse zu vergeben hat: "Gründer des Jahres" (Norman Rentrop Verlag), "CEO des Jahres" ("Wirtschaftswoche"), "Stratege des Jahres" ("Financial Times"), "Unternehmer des Jahres" (Deutsche Zeitschriftenverleger). Die "Bild"-Zeitung nannte ihn sogar "Deutschlands Bill Gates", für das "Manager Magazin" ist er ein "König Midas der Onlinebranche".
Dabei entspricht der Unternehmer aus Montabaur, der eine 40-Prozent-Beteiligung an United Internet hält, dessen Vermögen "Forbes" auf 4,2 Milliarden Dollar schätzt und der damit auf Platz 358 der reichsten Menschen der Welt liegt, so gar nicht dem Klischee eines modernen IT-Tycoons, wie sie die Welt aus der kalifornischen Hightech-Metropole Silicon Valley kennt. Dommermuth ist ein bodenständiger Unternehmer geblieben, der auf ein solides, fast biederes Geschäftsmodell setzt.
Vom Verkäufer zum Firmenboss
Eigentlich wollte er wie sein Vater und sein Bruder Immobilienmakler werden. Nach seiner Lehre bei der Deutschen Bank, die er mit der Bestnote abschloss, riet ihm seine Großmutter, nach der Lehre als Bankbeamter zu arbeiten, weil man sich da in aller Ruhe auf die Rente vorbereiten könne.
Aber er wollte eine eigene Firma gründen, viel Geld verdienen, etwas Großes aufbauen. Dabei hatten seine ersten Gehversuche als Entrepreneur erst mal mit einem Flop geendet: Während seiner Lehre hatte er die Zeit zwischen dem Unterricht an der Berufsschule und der Abfahrt des Schulbusses genutzt, um in Limburg Streusalz zu verkaufen. Er ging von Haustür zu Haustür, aber niemand wollte sein Streusalz. Der Grund: Es war Sommer - und in Limburg war Eisglätte auch im Winter eher selten.
Nach der Lehre machte sich Dommermuth selbstständig und begann, auf eigene Rechnung IBM-Personalcomputer zu verkaufen. "Computer sind die Zukunft, dachte ich. Ich habe hart akquiriert und mutig bei Firmen geklingelt, die das Schild ‚Vertreterbesuche unerwünscht‘ an der Tür hatten", gestand er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Aber die Geschäfte liefen schlecht, er musste sogar sein Auto verkaufen, um finanziell über die Runden zu kommen. "Aber dann wurde es schnell besser."
1988, mit gerade mal 25 Jahren, gründete er mit einem Partner in Montabaur die Firma 1 & 1 Marketing GmbH - in einem zwölf Quadratmeter großen Büro mit Dachschräge, das er mit geliehenen Möbeln eingerichtet hatte. Die Firma, die Computerprogramme für kleine Softwareunternehmen vermarktete, wuchs schnell - spätestens dann, als die Telekom nicht wusste, wie sie ihre Teletex- und Btx-Angebote loswerden sollte und 1 & 1 den Verkauf übernahm. Dommermuth arbeitete mit aggressiven Marketingmethoden, er kümmerte sich persönlich bis ins kleinste Detail um den Firmenauftritt. Er war so erfolgreich, dass er mit dem Deutschen Direktmarketing-Preis ausgezeichnet wurde. Um das Personalproblem zu lösen, heuerten er und sein Partner sogar Mitarbeiter während ihrer nächtlichen Discobesuche an.
Der Erfolg war auch das Resultat seines Willens und seiner Disziplin. "Ich habe in den ersten zehn Jahren nur zweimal eine Woche Urlaub gemacht und regelmäßig auch samstags und sonntags gearbeitet."
Der Internetunternehmer gibt gern zu, dass er von Computern eigentlich nicht viel versteht. "Ich habe noch nie am Computer gespielt, ich bearbeite meine Mails, sonst nichts", erklärte er dem "Spiegel". "Ich bin kein Computerfreak. Ich habe 2002 meinen ersten PC gekauft und es ist nicht so, dass er mich besonders interessiert." Den PC hat er damals auch deshalb angeschafft, weil seine Freundin Druck machte.
Milliardär für ein paar Wochen
Mitte der 90er-Jahre wurde Dommermuth zu erfolgreich. Das entging auch der Telekom nicht, die nun eine T-Online gründete und die Vermarktung in Eigenregie betrieb. Trotzdem unterhielt Dommermuth weiterhin gute Beziehungen zum ehemaligen Monopolisten, Ex-Vorstandschef René Obermann gehört sogar zu seinen engeren Freunden.
1998 brachte Dommermuth 1 & 1 als erstes Internetunternehmen an die Börse und gehörte damit zu
den Pionieren des Neuen Markts. 16,4 Millionen Euro brachte der Börsengang ein. Hätte er noch ein oder zwei Jahre mit dem IPO gewartet, wäre es wohl ein Vielfaches davon geworden. Aber er blickt ohne Bedauern zurück: "Weil das Geld knapp war, sind wir nicht auf zu viele dumme Gedanken gekommen. Wir hätten sonst sicher größer eingekauft und noch größer verloren."
Vom Erlös des Börsengangs kaufte er lauter aufstrebende Internetunternehmen zusammen. Anfang 2000, auf dem Höhepunkt des Internetbooms, waren es 17 Firmen. "Wir haben damals über 2.000 Ideen geprüft und nur 17 genommen", sagt er. "Das ewig lange Herumdiskutieren geht in diesem Business nicht. Entweder Sie probieren etwas aus oder Sie lassen es." Für einige Wochen war Dommermuth damals sogar Milliardär. Er benannte sein Unternehmen jetzt in United Internet um.
Als 2000 die Dotcom-Blase platzte und die Aktienkurse in die Tiefe rauschten, sah so mancher auch United Internet schon vor dem Aus. Aber Dommermuth zögerte nicht lange: Er strukturierte sein Unternehmen neu und verkaufte - mit großen Verlusten - fast über Nacht alles, was nicht zu seinem Kerngeschäft gehörte.
Damit war zwar seine phänomenale Wachstumsstory zu Ende, aber er sicherte dem Unternehmen die dringend notwendige Profitabilität. "Er überlebte als Unternehmer eine Zeit, in der das Internet voll angehender Weltmarktführer und Global Player steckte, die wenig später an den eigenen Träumen scheiterten", schrieb "Die Zeit".
Das Kerngeschäft des TecDAX-Konzerns besteht heute aus Abos für DSL-Zugänge unter Marken wie 1 & 1, aus werbefinanzierten E-Mail-Konten bei Gmx.de, Web.de oder Mail.com, aus Hosting - der Vermietung von Serverplatz für Webseiten - sowie aus Dienstleistungen für Gewerbetreibende. Dazu kommen Mobilfunkverträge. "Glamourfaktor gleich null", schrieb das "Manager Magazin", "Venture-Kapitalisten im Silicon Valley würden vor Langeweile einschlafen."
Sein Konzern beschäftigt inzwischen 7.000 Mitarbeiter. Schritt für Schritt hat er sein Geschäftsmodell ins Ausland exportiert und Niederlassungen in den USA, in Großbritannien, Italien, Frankreich, Spanien, Polen, Kanada und Mexiko gegründet.
Einen Hauch von Glamour aber brachte dem Hobbysegler Dommermuth 2005 die - allerdings erfolglose - Beteiligung am America’s Cup, dem prestigeträchtigsten Regatta-Rennen der Welt. Er pumpte 50 Millionen Euro in sein Team "United Internet", weil er die Bekanntheit seiner Marken in Europa und in Amerika steigern wollte: Riesig prangten die Logos von 1 & 1, GMX und Web.de auf dem Segel und dem Rumpf seiner Jacht. Warum der America’s Cup? "Hightech, Geschwindigkeit, Teamwork. Schöne Bilder und ein frischer Sport, in dem Doping keine Rolle spielt. Das alles passt. Und die Menschen schauen es sich gern an, weil es sie an Sommer und Urlaub erinnert." So Dommermuth in einem Interview.
Mann mit Straßenkämpfer-DNA
Im Sommer 2014 landete Dommermuth zwei große Coups: Er übernahm für fast eine Milliarde Euro den Netzbetreiber Versatel -und er stieg für 435 Millionen Euro bei Rocket Internet ein. Mit Versatel verfügt United Internet nun über ein eigenes Breitbandnetz, es ist 37.000 Kilometer lang, nur die Deutsche Telekom habe ein größeres Glasfasernetz, sagt Dommermuth. Seine risikobehaftete 10,7-Prozent-Beteiligung an Oliver Samwers Start-up-Schmiede Rocket Internet, die mit dem Kerngeschäft von United Internet nur wenig zu tun hat, führt das "Manager Magazin" auf eine bisher eher verborgene Seite Dommermuths zurück: Eine Spur "Straßenkämpfer-DNA" - dies sei die Investition eines Spielers, der sein Geld und das seiner Aktionäre auf ein Roulette-Feld setze, "kann glorios aufgehen, muss aber nicht". Das Fazit des Magazins: Kaum ein deutscher Unternehmer vereint Bodenständigkeit und Zockermentalität besser als er.
Der erfolgsverwöhnte Dommermuth hat mit seiner Rocket-Beteiligung bisher kräftig Geld verbrannt. Im Oktober 2014 wurde die Aktie zu einem Preis von 42,50 Euro ausgegeben und ging nach wenigen Wochen in den Sturzflug über. Inzwischen notiert das Papier unter der Marke von 20 Euro. Aber das Tagesgeschäft von United Internet brummt weiter. Der Konzern war im Dezember 2015 zeitweise schon mehr als zehn Milliarden Euro wert, als die Aktie die Marke von 50 Euro überschritt.
Dommermuths Firmenzentrale befindet sich nach wie vor in Montabaur. "Es gefällt mir dort", sagt er. "Da komm ich her, da werde ich bleiben." Von seinem Büro aus blickt er auf Maisfelder und Einfamilienhäuser, an der Wand hängen Erinnerungsfotos und Gemälde, darunter ein riesiges Ölbild von St. Moritz, wo er sich gelegentlich vom Stress erholt. Zweimal im Jahr kommt der Hausmeister und dreht das Bild um - auf der Vorderseite sieht man den Nobelkurort im Sommer, auf der Rückseite zeigt das Bild St. Moritz im Schnee.
Auf dem Konferenztisch steht eine Keramikfigur - Dagobert Duck in einer Badewanne voller Golddukaten. Die Figur räumt er gelegentlich weg, "damit kein falscher Eindruck entsteht".
Privat gönnt sich Dommermuth eine Jacht an der Côte d‘Azur, in der Garage steht ein schwarzer Ferrari Maranello ("Rot wäre mir zu auffällig"). Er kann allerdings auch sehr sparsam sein. "Ich bin kein Verschwender. Alles muss einen Gegenwert haben. Ich kaufe zum Beispiel nach wie vor nicht gern auf Autobahnraststätten ein. Die Sachen sind da einfach zu teuer", verriet er dem "Spiegel". Er fliegt Economy und fährt zweiter Klasse. Er hat keinen eigenen Koch und bezahlt den Firmenparkplatz selbst. Geschäftsreisen vermeidet er, wenn es geht. Er hält das "Management by Miles and More" für ineffizient, verglichen mit der Führung seines Konzerns über seinen Computer in der Montabaurer Zentrale. Er steht jeden Morgen früh auf - sein Arzt sagt ihm angeblich, er sehe so überarbeitet aus, als würde er seit Monaten gegen eine Insolvenz ankämpfen.
Verheiratet ist der Milliardär mit dem Kölner Model Judith Berger. Die Betriebswirtschaftlerin kennt man aus der Air-Berlin-Werbung, sie war "das schöne Gesicht" der Fluggesellschaft. Heute hat sie ihr eigenes Mode-Label und gründete zusammen mit ihrem Mann eine Stiftung, die wohltätige Projekte unterstützt und sich für die Integration von Flüchtlingen einsetzt. Dommermuth kann also auch anders als nur Attacke.
Vita:
Messdiener und Gründer
Ralph Dommermuth, 1963 geboren, kämpfte sich aus einfachen Verhältnissen mit harter Arbeit ganz nach oben. Er wuchs in Montabaur im Westerwald auf, wurde katholisch erzogen, war Messdiener und Pfadfinder. Er machte die Mittlere Reife, besuchte dann die Handelsschule in Limburg und absolvierte in Koblenz eine Lehre bei der Deutschen Bank, die er mit Bestnote abschloss. Nach der Lehre machte sich Dommermuth selbstständig, 1988 gründete er die 1 & 1 Marketing GmbH, die er später in United Internet umbenannte.
Die Aktie:
Der nächste Schritt
United Internet (UI) bietet eine kontinuierliche Wachstumsstory: Der Internetdienstleister wächst organisch sowie durch regelmäßige Zukäufe. Soeben hat UI die Details der geplanten Übernahme des Telekomdienstleisters Drillisch samt Netzkapazitäten bekannt gegeben. UI bringt eigenes Geschäft ein und erhält insgesamt über 70 Prozent der Anteile. Ein Angebot an die außenstehenden Aktionäre über 50 Euro pro Drillisch-Aktie gibt es überdies. Ein sinnvoller Deal, den die Börse mit einem Kurssprung gefeiert hat. Attraktiv.
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Bildquellen: Markus Hauschild/United Internet, United Internet AG
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