Energieeffizienz - Die neuen Glanzlichter der Investoren
Alle reden vom Atomausstieg in Deutschland. Dabei ist Energieeffizienz genauso wichtig. Welche Unternehmen jetzt schon passende Lösungen bieten und künftig profitieren.
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von Stephan Bauer, €uro am Sonntag
Stephan Kohler könnte manchmal verzweifeln. Alle Welt redet in diesen Tagen darüber, wo der deutsche Strom herkommen soll. Deutsche Atomkraftwerke sind seit den Ereignissen in Japan mega-out. Die neuerdings so beliebten Windräder und Solaranlagen wiederum können die Lücken hinten und vorn nicht schließen, vor allem wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Abgesehen von den Tausenden Kilometern Stromleitungen, die zum Aufbau einer ökotauglichen Energieinfrastruktur hierzulande noch fehlen.
Die deutsche Energiefrage. Für Kohler, Chef der Deutschen Energieagentur (Dena), liegt die Antwort klar auf der Hand. „Die Effizienz ist der Schlüssel“, sagt der Schwabe. Was der Vorstand der halbstaatlichen Agentur meint, die die Bundesregierung in energiepolitischen Fragen berät: Energie muss sinnvoller eingesetzt werden. Auf gut Schwäbisch: Sparen ist angesagt.
In aufwendigen Studien hat die Dena ausrechnen lassen, wie viel Strom in Deutschland gespart werden könnte. Nach dem, was „technisch machbar und bei heutigen Preisen wirtschaftlich sinnvoll ist“, sei es rund ein Drittel, sagt Kohler. Das wären 150 Terawattstunden pro Jahr – oder so viel, wie 150 Millionen Waschmaschinen in einer Stunde brauchen. Es geht auch einfacher: Die Einsparung würde die Abschaltung von etwa 15 AKW ausgleichen.
Zehn Prozent weniger Verbrauch bis 2020 lautet das Ziel des energiepolitischen Konzepts der Bundesregierung vom vergangenen Herbst. Ähnliches hat die Europäische Union ins Auge gefasst. Doch soeben hat Energiekommissar Günther Oettinger festgestellt, dass man am Effizienzziel wohl mit Pauken und Trompeten vorbeirasseln wird. Wenn es so weiterläuft, kommt gerade einmal die Hälfte dabei heraus.
Einen Aktionsplan hat Oettinger vor Kurzem ins Leben gerufen. Behörden sollen jetzt als Vorbilder fungieren. Großunternehmen wiederum werden sogenannte Energieaudits sowie Managementsysteme angetragen. Hat sich die Lage bis 2013 nicht verbessert, will die Kommission verbindliche Zielvorgaben machen.
Unterdessen steigen die Energiepreise munter weiter. Seit dem GAU in Japan und dem deutschen Atom-Moratorium hat der Preis an der Leipziger Strombörse EEX um fast 15 Prozent zugelegt. Die Industrie befürchtet weitere Steigerungen durch den Ausbau der Ökoenergien. Der Trend für die Zukunft steht offenbar fest. „Strom wird noch teurer“, sagt auch James Stettler, Energieexperte bei der Unicredit in London.
Schlechte Nachrichten sind das schon, aber keinesfalls für alle Unternehmen. Mancher Mittelständler freut sich. „Seit Japan denken viele Unternehmer genauer über ihren Energieverbrauch nach. Unsere Auftragslage ist bestens“, sagt Stephan Theis. Der Manager arbeitet für Econ Solutions aus Straubenhardt. Das Unternehmen bietet Energiemanagementsysteme für gleichfalls mittelständische Kunden an. Das lohne sich ab etwa 150.000 Euro Stromkosten pro Jahr, erklärt Theis.
Was die Schwaben bieten, bauen Großkonzerne wie die französische Schneider Electric im größeren Maßstab. „Das Interesse an unseren Energiemanagementlösungen ist in den vergangenen Monaten ständig gestiegen“, sagt Rada Rodriguez, Deutschland-Chefin des Konzerns.
Zu den Stärken der Franzosen zählen die Automatisierungstechnik sowie Technik für Verteilnetze, die bis in Gebäude und Betriebe reichen. Schneider ist weltweit führend bei Transformatoren und Ausrüstungen im Niederspannungsbereich . Inzwischen hat das Unternehmen beide Welten auf einer Plattform zusammengeführt: Ecostruxure heißt das System, das Stromversorgung und interne Steuerung verknüpft. „Damit können wir den Energieverbrauch in Industrieprozessen um 30 Prozent senken“, sagt Rodriguez.
Neben steigenden Strompreisen treiben auch steuerliche Anreize das Geschäft. Bis 2013 sollen nach dem Willen der Bundesregierung Industriebetriebe ein Energiemanagementsystem eingeführt haben – die EU lässt grüßen. Das muss nicht zwangsläufig auf teure Investitionen hinauslaufen. Der Energieverbrauch soll aber gemessen und systematisch gesenkt werden. Wer nicht mitmacht, riskiert den Entzug von Steuervorteilen. Das kann kräftig zu Buche schlagen: Bei einem Fertigungsunternehmen mit beispielsweise 750.000 Euro Stromkosten fielen etwa 30 000 Euro Mehrkosten an, rechnet man bei Schneider Electric vor.
Wer viel bewegt in Gewerbe und Industrie, etwa auf Förderbändern, in Fertigungsstraßen oder Aufzügen, hat besonders gute Chancen, künftig weniger an seinen Energieversorger zu überweisen. Dazu ist allerdings die Investition in moderne Elektromotoren notwendig. „Hier kann man den Verbrauch um 50 Prozent senken“, sagt Siemens-Vorstand Roland Busch.
Busch veranschlagt allein den Markt für effiziente Automatisierungstechnik für die nächsten fünf Jahre auf über 200 Milliarden Euro. „Dieser Markt ist stark von der Effizienz getrieben“, sagt der Manager. Bei Siemens, einem der weltgrößten Anbieter von Industrieausrüstungen, hat man sich zum Ziel gesetzt, diesen Schatz zu heben.
Eine neue Effizienznorm könnte dabei behilflich sein. Ab Juni müssen alle Elektromotoren in der EU den sogenannten IE2-Standard erfüllen. Auf der Industriemesse in Hannover war Energieeffizienz auch deshalb eines der gefragtesten Themen. Neben neuen Umweltauflagen beschleunigen kurze Amortisationszeiten das Geschäft der Industrieausrüster. Lediglich zwischen sechs und 24 Monaten dauert es laut Manager Busch, bis sich moderne Industriemotoren rechnen. Ähnlich schnell macht sich neue Beleuchtung bezahlt.
Die niederländische Philips hat sich, wie die Siemens-Tochter Osram, auf Licht emittierende Dioden (LEDs) spezialisiert. Der Markt wächst rasch: LEDs sparen bis zu 80 Prozent Energie. Davon profitieren auch Maschinenbauer wie Aixtron. Die Aachener sind mit über 60 Prozent Weltmarktanteil größter Hersteller von LED-Produktionsanlagen.
Die integrierte Steuerung der Technik von Gebäuden samt Klimaanlagen, Heizung und Lüftung bietet noch größere Potenziale. 40 Prozent der Energie in Europa werden laut US-Investmentbank Jefferies allein dazu verwendet, Gebäude zu heizen, zu kühlen oder zu beleuchten. Die Leistungskraft der eigenen Gebäudetechnik will Siemens zum Beispiel in der neuen Firmenzentrale ab 2015 unter Beweis stellen: Der Neubau soll hocheffizient werden – und kein CO2 verursachen. Auch Schneider Electric ist am Markt positioniert.
Dass man mit dem Drang nach günstigeren Stromrechnungen auch als Dienstleister Geld verdienen kann, davon ist der Vorstand der Münchner Firmenneugründung Entelios fest überzeugt. „Wir produzieren keine Mega-, sondern Negawatts“, sagt Oliver Stahl. Die Geschäftsidee: Entelios will den Verbrauch durch vorübergehende Abschaltung einzelner Geräte wie großer Pumpen oder Kühlaggregate zeitlich verlagern. Verbrauchsspitzen werden gekappt – sogenanntes Demand Side Management. „Wir schaffen so virtuell Kapazitäten. Diese verkaufen wir an Netzbetreiber“, erklärt Stahl. Das Prinzip haben sich Stahl und seine Partner auf dem US-Markt abgeschaut. In den USA mit ihren schwankungsanfälligen Stromnetzen ist das Modell schon seit Jahren etabliert. Der Marktführer dort heißt EnerNoc, ein Unternehmen, das inzwischen rund fünf Gigawatt Nachfrage managt – ein erwiesermaßen profitables Geschäft.
Die deutschen Stromnetze sind bislang recht stabil. Doch mit dem massiven Ausbau der schwankungsfreudigen Ökoenergien könnte sich dies ändern. Die Energiewirtschaft zeigt sich deshalb interessiert. Ein regionaler Versorger, unter den Top 5 der deutschen Stadtwerke, bezieht bereits die Negawatts der Münchner. Auch die Brauerei Paulaner hat Stahl überzeugt. Jetzt entscheidet Entelios, wann beispielsweise die Wasserspeicher gefüllt werden. Paulaner erhält dafür Bares als Ausgleich.
Auf Kraftwerkskapazitäten von über acht Gigawatt – oder acht AKW – könnte Deutschland bis zum Jahr 2020 verzichten, wenn die Nachfrage entsprechend gesteuert würde. Das hat das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln (EWI) ermittelt. Rund zehn Milliarden Euro ließen sich laut EWI mit Demand Side Management bis dahin sparen. Um die heikle Balance zwischen Angebot und Nachfrage im Stromnetz dreht sich auch das Geschäft des Softwarehauses PSI. Erzeugte Strommenge und Nachfrage müssen stets gleich sein, sonst kommt es zu Spannungsschwankungen und im Extremfall zum Blackout. PSI bietet Softwareprogramme, die genau dies durch geeignetes Netzmanagement verhindern soll. Die Berliner sind hier in Deutschland führend und haben Verträge mit inzwischen allen großen deutschen Netzbetreibern.
Den Aufbruch in ein neues Energiezeitalter beobachtet Harald Schrimpf mit Freude. „Je mehr Stress auf die Netze zukommt, desto besser für uns“, sagt der PSI-Vorstand. Das Geschäft weite sich durch den Ausbau der Erneuerbaren aus. Das klingt plausibel. Deutschlands Großkraftwerke sind ans Hochspannungsnetz angeschlossen. Die vielen Tausend Windkraft- und Solaranlagen hängen hingegen an dessen Verzweigungen, am Mittelspannungs- und Niederspannungsnetz. „Das Marktvolumen steigt dadurch um ein Vielfaches“, sagt Schrimpf.
Die Infrastruktur für das neue Energiezeitalter muss allerdings erst noch gebaut werden. Laut Dena sind allein über 3.000 Kilometer neue Stromtrassen erforderlich, um etwa den Windstrom vom Norden in die Industriezentren des Südens zu transportieren. Dem Rest würde eine Modernisierung guttun. „Große Teile der Energie gehen beim Transport der Elektrizität verloren“, sagt Gerard Reid, Analyst bei der Investmentbank Jefferies in London. Mit speziellen Transportverfahren wie etwa gasisolierter Wechselstromübertragung kann der Energieverlust bereits um 70 Prozent gesenkt werden. Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), die bei großen Entfernungen besonders attraktiv ist, bringt es auf eine noch größere Effizienz.
Bei der Anbindung von Offshorewindparks in Nord- und Ostsee, aber auch für die geplanten Stromfernleitungen von Nord nach Süd ist die Technik erste Wahl. Die Schweizer ABB berichtete jüngst, dass man den Rivalen Siemens hier beim Marktanteil in Deutschland eingeholt habe. Der Konzern hat soeben den Offshorewindpark BARD 130 Kilometer vor der deutschen Nordseeküste mit einer HGÜ-Leitung ans Netz angeschlossen.
Auch bei Investoren findet das Thema Energieeffizienz immer mehr Beachtung. Soeben haben 34 Institutionelle eine Initiative mit dem Titel „Carbon Action Initiative“ gegründet. Ihr Anliegen: Firmen, an denen sie sich beteiligen, sollen beweisen, dass sie mit Energie sparsam umgehen und so zum Klimaschutz beitragen. „Transparenz reicht nicht mehr. Jetzt geht es um Leistungen“, fordert etwa Richard Stathers von der britischen Vermögensverwaltung Schroders. „Unternehmen, die Lösungen im Bereich Energieeffizienz anbieten, sind die Gewinner des aktuellen Wandels auf den Energiemärkten“, fasst Unicredit-Analyst Stettler zusammen. Das dürfte auch Dena-Chef Stephan Kohler freuen.
Investor-Info
Zertifikate
Effiziente Risikostreuung
Das Bankhaus Vontobel bietet ein Zertifikat zum Thema intelligente Netze, in dem sich viele Werte finden, die vom Aufbau einer effizienten Strominfrastruktur profitieren. Das Zertifikat auf den SBOX-Smart-Grid-Index der Bank Vontobel (ISIN: DE000VT0DSG4) setzt auf Netzausrüster wie die US-Firma American Superconductor sowie Nachfragemanager wie Enernoc oder Hersteller von intelligenten Stromzählern wie Itron. Auch Internetausrüster Cisco ist enthalten, der sich Geschäftschancen in der neuen Stromnetzwelt ausrechnet. Bei dem Papier fällt eine Managementgebühr von 1,5 Prozent pro Jahr an.
Aktien
Werte mit Energie
DAX-Schwergewicht Siemens bietet mit Licht- und Gebäudetechnik, Industrieautomatisierung und Ausrüstungen für die Strominfrastruktur ein breites Spektrum an energieeffizienter Technik. Zudem ist der Konzern als weltweite Nummer 1 bei Offshore-Windkraft sowie Solarthermie auch im Bereich Ökoenergien präsent. ABB ist in Automatisierungs- und Netztechnik aktiv. Aixtron profitiert als Weltmarktführer bei Produktionsanlagen vom LED-Boom. Die US-Firmen Enernoc und Comverge sind in den USA führend beim Demand Side Management. Die US-Werte gerieten zuletzt unter Druck. Hier sollten Anleger vor einem Einstieg eine Bodenbildung abwarten.
Schneider Electric
Gerüchte um Tyco
Erst die Gerüchte, dann das Dementi: Man führe derzeit keine Gespräche mit Tyco über eine strategische Transaktion, versicherte Schneider Electric. Der Konzern ist die Nummer 1 bei Niederspannungstechnik und bietet auch Automatisierungsausrüstungen an. Mehrere Medien hatten berichtet, dass die Franzosen den Hersteller von Sicherheitssystemen kaufen wollten. Auf eine aggressivere Übernahmestrategie müsse man sich einstellen, so die US-Investmentbank Jefferies. Die Analysten setzen auf gute Zahlen am kommenden Mittwoch.
PSI
Auf der Ökowelle
Vorstand Harald Schrimpf ist dem Vernehmen nach nun auch beim letzten der vier großen deutschen Netzbetreiber der Einstieg gelungen. Mit 50 Hertz, die von der schwedischen Vattenfall kontrolliert wird, habe man einen kleineren Deal getätigt, hieß es aus Firmenkreisen. Der Ausbau der Ökoenergien und der Netzausbau schaffen für den Marktführer bei Netzsteuerungssoftware zusätzliches Umsatzpotenzial. Kaufen.
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