Einstieg des Bundes

Uniper-Aktie fällt zweistellig: Im Zuge des Rettungspakets kommen auf Gaskunden höhere Preise zu - Uniper steuert auf Rechtsstreit mit GAZPROM zu

22.07.22 17:55 Uhr

Uniper-Aktie fällt zweistellig: Im Zuge des Rettungspakets kommen auf Gaskunden höhere Preise zu - Uniper steuert auf Rechtsstreit mit GAZPROM zu | finanzen.net

Auf Gaskunden kommen ab Herbst im Zuge eines Rettungspakets der Bundesregierung für den Energiekonzern Uniper höhere Preise zu.

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Über eine Umlage sollen Versorger stark gestiegene Einkaufspreise wegen der Drosselung russischer Lieferungen an alle Gasverbraucher weitergeben können. Zugleich kündigte aber Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag zusätzliche Entlastungen für Bürger und Unternehmen an. Zu Beginn kommenden Jahres werde es eine große Wohngeldreform geben.

"Wir stellen sicher, dass niemand in der jetzigen Situation überfordert wird", sagte Scholz. Der SPD-Politiker sprach wegen der Umlage von zusätzlichen Belastungen von 200 oder 300 Euro für eine vierköpfige Familie im Jahr. Die Umlage kommt zusätzlich zu einer ohnehin erwarteten Preiswelle, mit der Haushalte schrittweise rechnen müssen.

Das milliardenschwere Rettungspaket für Uniper sieht vor, dass der Bund mit 30 Prozent bei dem Düsseldorfer Unternehmen einsteigt. Geplant sind weitere Stützungsmaßnahmen. So soll ein Darlehen über die staatliche Förderbank KfW von zwei Milliarden auf neun Milliarden Euro erhöht werden.

Uniper hatte staatliche Hilfen beantragt. Das Unternehmen muss wegen der Drosselung der russischen Lieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 teureres Gas auf dem Markt einkaufen, um Verträge zu erfüllen. Das führt zu Liquiditätsproblemen, weil Uniper die Preissteigerungen bisher nicht weitergeben kann.

Uniper-Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach bezifferte die Kosten für ersatzweise beschafftes Erdgas auf 4,5 Milliarden Euro bis Ende August. Ein weiterer Monat würde noch einmal 1,7 Milliarden Euro kosten, sagte er in Düsseldorf. Uniper wolle Schadenersatz von seinem Lieferanten GAZPROM haben. Die Verträge zwischen Uniper und Gazprom laufen nach seinen Angaben noch bis Mitte der 2030er Jahre.

Uniper beliefert mehr als 100 Stadtwerke und Industriefirmen. Scholz sagte, das Unternehmen sei von überragender Bedeutung für die Energieversorgung der Bürger und Unternehmen. Mit dem Paket könne das Unternehmen stabilisiert in die Zukunft schauen.

In der Pandemie stützte der Bund etwa die Lufthansa mit Milliarden-Steuergeldern und stieg bei dem Unternehmen ein. In der Finanzkrise half er der Commerzbank. "Wir lassen nicht zu, dass ein systemrelevantes Unternehmen wie Uniper fällt und damit die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährdet wird", erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Energieverband BDEW erklärte, Dominoeffekte auf dem Energiemarkt müssten unter allen Umständen vermieden werden, da sonst die Versorgungssicherheit nicht aufrechterhalten werden könne.

Mit einer Umlage sollen Versorger nun Preissteigerungen weitergeben können. Es sollen alle davon profitieren, vor allem aber Uniper als größer Importeur von russischem Gas.

Scholz sagte, die Umlage sei zum 1. Oktober geplant, möglicherweise schon zum 1. September. Sie könne zu einer Erhöhung der Gaspreise um 2 Cent pro Kilowattstunde führen. "Je nachdem, wie groß der Haushalt ist, wird das durchaus auch spürbar werden." Etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt.

Ob Kunden die Umlage schon ab September oder Oktober zahlen müssen, ist offen. Es könnte dauern, bis die Kosten vom Anfang der Lieferkette, also den Importeuren, bei den Haushalten ankommen. Die Bundesregierung arbeitet an einer Verordnung.

Geplant ist, dass Importeure 90 Prozent der höheren Beschaffungskosten über die Umlage weitergeben können. Die Höhe der Umlage ist auch davon abhängig, wieviel Russland liefert - je weniger, desto teurer wird die Ersatzbeschaffung. Russland liefert nach einer Wartung von Nord Stream 1 zwar wieder Gas, aber nur etwa 40 Prozent der möglichen Auslastung. Scholz bezeichnete Russland als unsicheren Gaslieferanten.

Ein Umlagesystem gab es auch bei der inzwischen abgeschafften EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms über die Stromrechnung. Mit der Gasumlage sendet die Bundesregierung auch ein Preissignal an Verbraucher, dass sich Energiesparen lohnt. Die Regierung hat wiederholt klargemacht, es könnten nicht alle Preissteigerungen abgefedert werden.

Habeck hatte am Donnerstag ein neues Maßnahmenpaket zum Energiesparen angekündigt. Dabei geht es um öffentliche Gebäuden, Betriebe, Büros sowie um einen verbindlichen "Heizungscheck" in Wohnungen.

Scholz kündigte weitere Entlastungen an - mit einer großen Wohngeldreform zu Beginn kommenden Jahres. "Wir wollen den Kreis der berechtigten Haushalte ausweiten." Es sollten mehr Bürger, Arbeitnehmer und Rentner davon profitieren können.

Zudem solle eine Heizkostenpauschale dauerhaft integriert werden. Auch für Studenten solle es Heizkostenzuschüsse geben. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Bürgergeldreform solle definitiv zum 1. Januar in Kraft gesetzt werden. Das Bürgergeld soll Hartz IV ablösen.

Zudem sollen Kündigungsschutzregeln mit dem Ziel überprüft werden, dass überforderten Mietern der Mietvertrag oder Energiekunden der Liefervertrag nicht gekündigt werden kann. Für Unternehmen, die wegen der Energiepreise in Schwierigkeiten geraten sind, soll es zusätzliche Hilfen geben. Scholz verwies zudem auf die konzertierte Aktion, bei der die Regierung mit Arbeitgebern und Gewerkschaften Schritte zur Eindämmung der Inflation berät.

"Wir werden alles Erforderliche tun, damit wir gemeinsam als Land, als Unternehmen, als Bürgerinnen und Bürger durch diese Situation kommen, damit niemand vor eine für ihn selbst oder sie selbst unlösbare Situation gestellt wird", betonte Scholz.

Die Energiegewerkschaft IG BCE forderte einen Solidaritätsaufschlag für Privathaushalte mit besonders hohem Gasverbrauch. Der Stadtwerkeverband VKU forderte, die Umlage sollte zeitlich gestreckt und staatlich abgefedert werden.

Fortum trägt Rettungspaket für Uniper wohl mit

Das Rettungspaket für den angeschlagenen Gas-Importeur Uniper ist Insidern zufolge einen entscheidenden Schritt näher gerückt.

Der Uniper-Mehrheitseigner Fortum habe dem Paket im Prinzip zugestimmt, das unter anderem einen Einstieg des Staates und einen höheren Kreditrahmen für den Düsseldorfer Konzern vorsieht, sagten mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Das Paket werde voraussichtlich noch am Freitag besiegelt, nur letzte Details seien noch offen.

Uniper steht durch die verminderten Gas-Lieferungen des russischen Monopolisten GAZPROM unter Druck und muss die fehlenden Mengen durch teure Zukäufe am Gas-Markt ersetzen, um den Verpflichtungen gegenüber Kunden nachzukommen. Dadurch türmen sich täglich hohe Verluste auf. Ratingagenturen wollen zudem die Kreditwürdigkeit von Uniper neu bewerten - die Bonität ist entscheidend für die Zukunft des Unternehmens. Fortum gehört mehrheitlich dem finnischen Staat.

Uniper bricht ein - Rettung bedeutet massive Anteilverwässerung

Kräftige Aktienverkäufe haben die Papiere von Uniper am Freitag auf ein Rekordtief gedrückt. Die Anleger reagierten damit auf das Rettungspaket des Bundes für den schwer angeschlagenen Energieversorger. Der Kurs sackte via XETRA letztlich um 28,90 Prozent auf 7,47 Euro ab. Aktionären steht eine massive Anteilverwässerung ins Haus.

Das Stabilisierungspaket sieht eine Kapitalerhöhung von rund 267 Millionen Euro zum Ausgabepreis von 1,70 Euro je Aktie unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre vor. Die Kapitalerhöhung führe zu einer Beteiligung des Bundes an Uniper von rund 30 Prozent. Weiter soll ein sogenanntes Pflichtwandelinstrument in Höhe von bis zu 7,7 Milliarden Euro an den Bund ausgegeben werden.

"Letztendlich setzt sich doch noch die Erkenntnis durch, wie stark der Anteil der Aktionäre durch die Staatsrettung verwässert wird - selbst wenn der Rahmen weitgehend den Erwartungen entspricht", urteilte Marktexperte Frederik Altmann von Alpha Wertpapierhandel. Andere Beispiele einer teilweisen Verstaatlichung wie die Commerzbank oder Lufthansa zeigten eindrucksvoll, wie wenig für den Aktionär am Ende übrig bleibe.

Die Uniper-Aktien stehen schon seit Monaten unter Druck. Vor Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine hatten sie um die 40 Euro gekostet. So muss das Unternehmen wegen der Drosselung der russischen Lieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 teureres Gas am Markt einkaufen, um Verträge zu erfüllen. Das führt zu Liquiditätsproblemen. Uniper hatte vor zwei Wochen staatliche Hilfen beantragt.

An der finnischen Börse knickten die Aktien der Uniper-Mutter Fortum am Freitag um sechs Prozent ein. Der Anteil von Fortum an Uniper wird im Zuge des Einstiegs des deutschen Staates von rund 80 auf 56 Prozent verwässert. Die Beteiligung kann allerdings durch eine ebenfalls angekündigte Pflichtwandel-Anleihe wieder aufgestockt werden.

Das in Unipers Rettungspaket geplante Pflichtwandel-Instrument habe ein Volumen von bis zu 7,7 Milliarden Euro, hieß es. Pflichtwandel-Anleihen sind verzinsliche Papiere, bei denen die Wandlung in Aktien spätestens zum Ende der Laufzeit verpflichtend ist. Sie werden daher von Ratingagenturen als ähnlich zu Eigenkapital angesehen. Bei Uniper soll die Ausgabe in Tranchen erfolgen, soweit es der Liquiditätsbedarf des Konzerns erfordert. Der Umtauschpreis je Aktie bei Wandlung sieht einen Abschlag von 25 bis 50 Prozent auf den Börsenkurs der Uniper-Aktien in einem bestimmten Zeitraum vor Durchführung der Wandlung vor.

Fortum wird dabei die Option eingeräumt, Teile des Pflichtwandel-Instruments vom Bund zu erwerben.

Uniper: Schätzen Kosten für Ersatzbeschaffungsmengen auf 4,5 Milliarden Euro

Auf den Energiekonzern Uniper kommen in den kommenden Wochen weitere Belastungen in Milliardenhöhe zu. Er schätze die Kosten für die Ersatzbeschaffungsmengen bis Ende August auf 4,5 Milliarden Euro, sagte Klaus-Dieter Maubach in einer Pressekonferenz am Freitagnachmittag in Düsseldorf. Der September würde weitere 1,7 Milliarden Euro kosten. Anschließend soll das Umlageverfahren der Bundesregierung greifen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Freitag eine Umlage an alle Gaskunden angekündigt. Die Umlage werde am 1. Oktober oder am 1. September kommen.

Mit der Umlage soll Uniper Preissteigerungen weitergeben können und damit finanziell wieder Luft bekommen. Die Bundesregierung habe Uniper in den Verhandlungen erläutert, dass ab dem 1. Oktober 2022 ein allgemeiner Mechanismus zur Weitergabe von 90 Prozent der Ersatzbeschaffungskosten für alle Importeure infolge russischer Gaskürzungen eingeführt werden solle.

Uniper steuert auf Rechtsstreit mit GAZPROM zu

Der angeschlagene Gasimporteur Uniper steuert auf einen Rechtsstreit mit seinem russischen Lieferanten GAZPROM zu.

"Wir werden natürlich versuchen - zum Wohle unseres Unternehmens - GAZPROM haftbar zu machen für den Schaden, den wir erleiden", sagte Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach am Freitag in Düsseldorf. "Das wird vermutlich eine rechtliche Auseinandersetzung werden."

GAZPROM hatte seine Lieferungen an Uniper gedrosselt. Dadurch sah sich der deutsche Konzern gezwungen, Gas zu hohen Preisen von anderen Lieferanten zu kaufen, wodurch hohe Verluste entstanden.

Offensichtlich bereite sich auch GAZPROM auf eine rechtliche Auseinandersetzung vor - der russischen Konzern hatte höhere Gewalt ("Force Majeure") für geminderte Gaslieferungen an Uniper geltend gemacht. Uniper hatte diesen Anspruch bereits zurückgewiesen, mit dem sich Unternehmen in der Regel gegen Klagen wappnen. "Es ist für uns untragbar, dass wir Verluste (..) dauerhaft erleiden", sagte Maubach.

BERLIN, DÜSSELDORF und FRANKFURT(dpa-AFX) / FRANKFURT UND DÜSSELDORF (Reuters)

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Bildquellen: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

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Analysen zu Uniper

DatumRatingAnalyst
25.10.2023Uniper SellUBS AG
27.07.2023Uniper HoldDeutsche Bank AG
26.07.2023Uniper SellUBS AG
19.01.2023Uniper SellUBS AG
16.12.2022Uniper UnderweightJP Morgan Chase & Co.
DatumRatingAnalyst
20.07.2022Uniper OverweightJP Morgan Chase & Co.
11.07.2022Uniper OverweightJP Morgan Chase & Co.
05.07.2022Uniper OverweightJP Morgan Chase & Co.
01.07.2022Uniper OverweightJP Morgan Chase & Co.
21.06.2022Uniper OverweightJP Morgan Chase & Co.
DatumRatingAnalyst
27.07.2023Uniper HoldDeutsche Bank AG
07.09.2022Uniper HoldJoh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank)
30.08.2022Uniper NeutralGoldman Sachs Group Inc.
17.08.2022Uniper NeutralGoldman Sachs Group Inc.
17.08.2022Uniper Sector PerformRBC Capital Markets
DatumRatingAnalyst
25.10.2023Uniper SellUBS AG
26.07.2023Uniper SellUBS AG
19.01.2023Uniper SellUBS AG
16.12.2022Uniper UnderweightJP Morgan Chase & Co.
29.11.2022Uniper SellUBS AG

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