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Vorstand Zedelius: „Asien wird die Krise als erstes hinter sich lassen“

21.10.09 09:04 Uhr

Allianz-Vorstand Werner Zedelius über seine Ambitionen in Osteuropa und Asien, Lebensversicherungen für drei Dollar Jahresbeitrag und seine Ansprüche an gute Allianz-Verkäufer

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Allianz-Vorstand für Wachstumsmärkte, Werner Zedelius, im Interview mit Mario Müller-Dofel, €uro

€uro: Herr Zedelius, Sie verantworten das Allianz-Geschäft in 34 Ländern, die unter dem Begriff „Wachstumsmärkte“ zusammengefasst sind. Kann man diese Länder angesichts der globalen Konjunkturkrise wirklich alle noch so nennen?
Werner Zedelius:
Die Bezeichnung „Wachstumsmärkte“ ist nach wie vor berechtigt. Wir gehen davon aus, dass vor allem Asien und Osteuropa auch künftig ein höheres Wirtschaftswachstum erreichen werden als etablierte Märkte wie Westeuropa und Nordamerika. Vor allem Asien entwickelt sich erfreulich und wird die Krise wohl als Erstes hinter sich lassen. Das freut uns insbesondere deshalb, da die Allianz dort mehr als 21 Millionen Kunden hat.

In Osteuropa ist die Wirtschaft 2009 allerdings heftig eingebrochen.
Zedelius:
Diese Region wurde viel stärker von der Finanz- und Wirtschaftskrise getroffen als Asien. Aber viele Volkswirte sehen die Talsohle erreicht und erwarten, dass nun wieder mehr Investitionsgelder dorthin fließen. Das wird das Vertrauen der Verbraucher in Osteuropa stärken, von denen immerhin 7,3 Millionen Allianz-Kunden sind.

Wie läuft es für Sie dort?
Zedelius:
Die Prämieneinnahmen sind im ersten Halbjahr 2009 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um neun Prozent auf 1,9 Milliarden Euro gefallen. Wechselkursbereinigt sind sie um fünf Prozent gestiegen. Der operative Gewinn in Osteuropa stieg auf Euro-Basis um ein Prozent, in lokalen Währungen um elf Prozent. Entscheidend ist jedoch, wie wir in den einzelnen Ländern dastehen.

Klingt ja alles bestens. Sie haben gar keine Probleme?
Zedelius:
Leicht sind die Geschäfte natürlich nicht. Das zweite Quartal in Osteuropa war beispielsweise von sinkenden Kfz-Verkäufen geprägt, die geringere Verkäufe von Autoversicherungen nach sich zogen. Die Rückgänge im Bereich der Schadenversicherungen konnten wir im ersten Halbjahr 2009 aber durch steigende Einnahmen für Lebens- und Krankenversicherungen ausgleichen. In Asien war es andersherum: Dort sind die Schadenversicherungen besser gelaufen als die Lebensversicherungen.

Sie rechnen vor allem in Asien mit hohen Wachstumsraten. Was macht Sie – abgesehen von den guten Konjunkturerwartungen dort – so optimistisch?
Zedelius:
Der hohe Anteil junger Menschen, die einen Nachholbedarf bei Versicherungen haben. Zudem überzeugen unsere Produkt- und Vertriebsqualität sowie unsere finanzielle Stärke. Da schneidet die Allianz besser ab als viele andere Wettbewerber.

Das behaupten fast alle anderen Versicherungsanbieter auch von sich.
Zedelius:
Die Allianz Group beschäftigt erstklassig geschulte Mitarbeiter, hat eine hohe Kundenzufriedenheit und lokal verwurzelte Vertriebspartner, die unsere Produkte fast allen Bevölkerungsgruppen zur Verfügung stellen. Das können ganz sicher nicht alle Wettbewerber von sich behaupten.

Versicherungsunternehmen profitieren auch von der Deregulierung der Finanzmärkte in asiatischen Schwellenländern. Zurzeit wird das Deregulierungstempo als Lehre aus der Finanzkrise jedoch vielerorts gebremst. Bremst das auch die Allianz?
Zedelius:
Es kann durchaus sein, dass sich mancher Zugang zu bestimmten Produktsegmenten verzögert. Das würde aber für die gesamte Branche gelten. Wichtig ist, dass wir uns im Vergleich zum Wettbewerb gut schlagen. Nehmen wir nur Malaysia: Das ist einer der am strengsten regulierten Märkte Asiens – mit der Allianz als einem der führenden Versicherer. In Osteuropa zeigt sich übrigens ein anderes Bild: Hier gibt es im Vergleich zu Westeuropa kaum noch Regulierungshürden.

Lesen Sie auf Seite 2, wie Allianz-Vorstand Zedelius die Wachstumsstrategie in Schwellenländern beschreibt.

Unterscheidet sich Ihre Strategie in den Schwellenländern von der in gesättigten Regionen wie Westeuropa?
Zedelius:
Nein. Die Unterschiede liegen eher in den Entwicklungsstadien der verschiedenen Märkte. In Schwellenländern ist zuerst die kurzfristige Absicherung der wichtigsten Sachwerte wie Zweiräder, Autos und Haushaltsgeräte gefragt. Allerdings nimmt auch die Zahl der Menschen zu, die in Lebensversicherungen investieren. Da kann die Allianz sogar die Ärmsten bedienen.

Womit?
Zedelius:
In Indien und Indonesien bieten wir unter anderem Mikro-Lebensversicherungen an, die nur ein bis drei US-Dollar Jahresprämie kosten. Da kooperieren wir mit lokalen Genossenschaften und internationalen Entwicklungshilfeorganisationen, die uns helfen, Gruppenverträge beispielsweise für ganze Dörfer abzuschließen. Einzelpolicen mit so niedrigen Jahresprämien wären trotz unserer Kosteneffizienz kaum profitabel zu gestalten.

Was hat eine indische Familie von einer Lebensversicherung für drei Dollar Jahresbeitrag?
Zedelius:
Falls der Ehemann, der oft allein für das finanzielle Überleben der Familie sorgen muss, stirbt, erhalten die Hinterbliebenen rund 100 Dollar von uns. Damit kann eine Familie ihre Existenz zumindest über ein halbes Jahr sichern und neu organisieren. Die Nachfrage nach solchen Produkten steigt immens.

Ob in Schwellen- oder voll entwickelten Ländern: Ihr Geschäftserfolg hängt stark von Ihrer Vertriebspower ab. Sie selbst haben vor mehr als 20 Jahren im Allianz-Vertrieb ihre berufliche Laufbahn begonnen. Wie definieren Sie gute Verkäufer?
Zedelius:
Gute Verkäufer müssen zuhören und im Gespräch erkennen können, welche Bedürfnisse der Kunde hat. Außerdem müssen sie ihre Versicherungsprodukte kennen und verständlich erklären können. Denn unser Geschäft basiert auf Vertrauen. Wir verkaufen schließlich eine unsichtbare Ware. Ein Versprechen. Und die Vertriebsmitarbeiter dürfen natürlich auch nur das versprechen, was sie selbst, unsere Produkte und unser Service halten können.

Und so verkaufen Ihre Leute wirklich? Kürzlich hat die Stiftung Warentest einen Test von Versicherungsvermittlern in Deutschland durchgeführt und der Allianz eine „bescheidene“, teils sogar „stümperhafte“ Beratungsqualität bescheinigt.
Zedelius:
Negative Resultate sind nie erfreulich. Sie zeigen aber, wo nachgebessert werden muss. In unseren 34 Wachstumsländern schulen wir unsere mehr als 320000 Vertriebs-mitarbeiter intensiv und testen regelmäßig ihre Beratungskompetenz. Das mache ich sogar persönlich mit dort ansässigen Topmanagern.

Wie denn?
Zedelius:
Wenn ich zum Beispiel mit Ländervorständen über die Vermarktung neuer Produkte diskutiere, sage ich auch schon mal zu dem jeweiligen Vertriebschef: „So, jetzt ‚verkaufen‘ Sie mir das Produkt bitte mal in den nächsten 15 Minuten.“

Und was kommt dabei heraus?
Zedelius:
Ich wurde in solchen Gesprächen nicht immer überzeugt.

Es gibt Führungskräfte bei der Allianz, die nicht in der Lage sind, ihre eigenen Produkte zu erklären?
Zedelius:
Natürlich können die das. Aber eben nicht immer so, dass es auch Kunden nachvollziehen könnten. Das testen wir regelmäßig. Dadurch lernen wir, dass wir beim Produktdesign oder beim Verkaufsmaterial nachbessern müssen – und setzen dies dann auch entsprechend um.

Noch ein Blick in die Zukunft: Werden Sie das Wachstumstempo der Vergangenheit halten können?
Zedelius:
Wir wollen bei den Beitragseinnahmen in den Wachstumsmärkten stärker zulegen als das Bruttosozialprodukt dieser Länder und die Gewinne steigern. Wie es konkret laufen wird, ist schwer zu sagen.

Ein früheres Szenario von Ihnen besagt, dass das Gewicht der Schwellenländer in der Allianz Group deutlich steigen soll. Gilt das noch?
Zedelius:
Die globale Finanzkrise hat natürlich vieles auf der Welt geändert. Aber die von mir skizzierte Richtung bleibt bestehen. Wir gehen weiterhin davon aus, dass der Schwellenländer-Anteil bezüglich der Kundenzahl, des Umsatzes und des Gewinns steigen wird. Wegen der Finanzkrise vielleicht etwas weniger schnell, aber der Trend ist ungebrochen.

Planen Sie Akquisitionen, um dieses Ziel zu erreichen?
Zedelius:
Wir steigern unsere Geschäfte in den Wachstumsmärkten seit Jahren überwiegend aus eigener Kraft. Das schließt nicht aus, dass wir in dem einen oder anderen Land noch zukaufen werden. Momentan spüren wir aber keinen Druck dazu.

Vielen Dank für das Gespräch.

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