Bank-Aktien: Wenn Geldhäuser wieder in den Himmel wachsen
Amerikanische Finanzwerte sind an der Wall Street der Renner. Zuletzt übertrafen auch europäische Titel den breiten Markt. Die Gründe für die Rally, die weiteren Aussichten.
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von Christoph Platt, Euro am Sonntag
Modern, hoch hinausragend, mit perfekter Fassade — so präsentieren sich die Bankhäuser dieser Welt. Dass jedoch hinter den Glasfronten nicht immer alles perfekt läuft, wissen die Anleger spätestens seit der Finanzkrise. Um nicht nur äußerlich zu glänzen, sondern auch mit ihren Geschäftszahlen, arbeiten die Geldhäuser nun schon seit Jahren daran, die Altlasten aus der Krise zu beseitigen.
Die Aufräumarbeiten erledigen die Amerikaner und die Europäer jedoch nicht mit dem gleichen Elan. Während in den USA schon 2009 begonnen wurde, mit Stresstests die guten von den schlechten Banken zu trennen und die Bilanzen zu entrümpeln, taten sich die Europäer damit schwer. Die Folge: Auch 2013 — fünf Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise — kämpfen viele europäische Institute mit dem Abfall aus der Krise. Aktuelles Beispiel ist mal wieder die Commerzbank, die am Donnerstag ihre Quartalszahlen vorlegte und sich weiter um ihre Altlasten sorgt.
Dabei hat Mario Draghi, Chef der europäischen Zentralbank, gerade bei Bankaktien für ein Kursfeuerwerk gesorgt. Seit seiner Aussage Ende Juli 2012, Europa nicht scheitern zu lassen, stieg der Finanzwertesektor in der Eurozone um rund 60 Prozent, die Gesamtheit aller europäischen Finanztitel um knapp 50 Prozent. Spitzenwerte wie die britische Lloyds Banking Group oder die französische Crédit Agricole konnten ihre Kurse mehr als verdoppeln. Der breite europäische Aktienmarkt hingegen gewann in dieser Zeit nur knapp 20 Prozent hinzu.
Auch in den USA befinden sich die Finanztitel auf einem Höhenflug und übertreffen den breiten Markt seit geraumer Zeit. Der weit gefasste Aktienindex S & P 500 legte in den vergangenen zwölf Monaten auf Dollarbasis um 23 Prozent zu, der Sektor Financials verbuchte ein Plus von 40 Prozent. Dass immer mehr Anleger auf den Zug aufspringen, zeigen auch die Daten des großen amerikanischen ETF-Anbieters State Street. Dem auf den Finanzsektor fokussierten Financial Select Sector SPDR Fund flossen seit Jahresanfang fünf Milliarden Dollar zu — fast so viel wie dem normalerweise deutlich beliebteren Indexfonds für den gesamten amerikanischen Aktienmarkt, dem SPDR S & P 500.
Der Hauptgrund für die Rally der amerikanischen Finanzwerte sind die verbesserten makroökonomischen Aussichten. Die US-Wirtschaft entwickelt sich passabel, die Lage am Arbeitsmarkt verbessert sich, die Häuserpreise steigen. Das sorgt dafür, dass die Banken bessere Geschäfte machen. In den vergangenen vier Wochen überraschten mit Morgan Stanley, Wells Fargo und JP Morgan Chase gleich mehrere US-Großbanken mit Gewinnen, die höher ausfielen als von den Analysten erwartet. Auch die Aussichten auf eine Abschwächung der ultralockeren Geldpolitik und möglicherweise steigende Zinsen gaben dem Finanzsektor Auftrieb.
In Europa hingegen ist das Interesse an Finanztiteln geringer als in den USA. „Die meisten Investoren sind in europäischen Finanzwerten untergewichtet“, sagt Patrick Lemmens, Fondsmanager des Robeco New World Financial Equities.
Das dürfte sich ändern, wenn sich der Trend der vergangenen Wochen fortsetzt: Da übertrafen — anders als im bisherigen Verlauf des Jahres — europäische Finanzwerte den breiten Markt deutlich. Seit Anfang Juli erzielte der Stoxx Europe 600, der eine breite Auswahl von Unternehmen aus ganz Europa enthält, einen Zuwachs von 6,9 Prozent. Der Sub-Index Stoxx Europe 600 Financials legte um 11,4 Prozent zu. „Der Hauptgrund sind die guten makroökonomischen Daten, die in den vergangenen fünf bis sechs Wochen veröffentlicht wurden“, sagt James Chappell, Analyst für Bankaktien bei der Berenberg Bank. Sie schüren die Hoffnung, dass es mit der Wirtschaft des Kontinents langsam wieder aufwärtsgeht.
Auf der Ebene der einzelnen Unternehmen ist die Situation weniger übersichtlich. Die Lage unterscheidet sich von Land zu Land, von Bank zu Bank. Auch bei den Geldhäusern gibt es ein für Europa derzeit so typisches Nord-Süd-Gefälle, was die Solidität angeht.
Die jüngsten Ergebnisse der Unicredit veranschaulichen das: Die italienische Bank veröffentlichte am Mittwoch ihre Zahlen für das zweite Quartal und offenbarte, wo das Geschäft läuft und wo nicht. Dass das Institut von April bis Juni einen Nettogewinn erwirtschaftete, lag vor allem an der deutschen Tochter, der HypoVereinsbank. Diese steuerte einen Gewinn von 415 Millionen Euro bei. Ohne die Hilfe der HVB und auch der österreichischen Tochter Bank Austria hätte der italienische Mutterkonzern alt ausgesehen.
Ob sich die Finanzwerte weiter so gut entwickeln werden wie zuletzt, ist umstritten. „Die Sache ist nicht mehr so einfach wie vor zwölf Monaten, als Bankaktien ein enorm gutes Chance-Risiko-Verhältnis aufwiesen“, sagt Fondsmanager Lemmens. Inzwischen haben die Bewertungen der US-Banken ein normales Niveau erreicht, sodass eine Fortsetzung der extremen Rally unwahrscheinlich ist.
Bessere Chancen in Europa
Auf dieser Seite des Atlantiks ist das Aufwärtspotenzial größer. Zum einen ist in Europa bei den Bewertungen noch etwas Luft. Zum anderen ist es möglich, dass die Rückstellungen der Banken ihren Höhepunkt erreicht haben. Außerdem gelingt es ihnen zunehmend besser, ihre Ausgaben im Griff zu haben. „Zum ersten Mal in meiner Karriere beobachte ich echte Kostenkürzungen bei den Instituten“, sagt Lemmens, der den Finanzsektor seit 1993 analysiert. Zu früheren Zeiten sei eingespartes Geld meist sofort wieder an anderer Stelle ausgegeben worden, sodass man nicht von ernsthaften Kürzungen habe sprechen können.
Analyst Chappell ist skeptischer. „Wir sind relativ pessimistisch, was europäische Banken angeht“, sagt er. Er rechnet insbesondere damit, dass die europäische Zentralbank bei der bevorstehenden Kontrolle der wichtigsten Banken aus der Eurozone auf weitere Probleme in den Bilanzen stoßen wird.
Zudem droht Ungemach vonseiten der Regulierer. Sie diskutieren darüber, eine umstrittene Kennzahl zur Risikobewertung, die Leverage Ratio, stärker zu nutzen. Das schafft neue Unsicherheit und dürfte manchen europäischen Instituten Probleme bereiten.
Die Uneinigkeit über die weitere Entwicklung der Finanzwerte zieht sich durch die gesamte Branche. In einer Ende Juli veröffentlichten Befragung von Schweizer Banken reicht die Bandbreite der Ausrichtung von einer deutlichen Übergewichtung des Finanzsektors bis hin zu einer klaren Untergewichtung.
Weitgehend einig sind sich die Experten, dass Versicherungen und Vermögensverwalter über mehr Aufwärtspotenzial verfügen als Banken. Für Versicherungen spricht insbesondere ihre relativ niedrige Bewertung. Lemmens erwartet vor allem bei Lebensversicherungen eine wachsende Nachfrage. Denn viele Staaten kürzen ihre Ausgaben und werden auch bei der finanziellen Versorgung von Ruheständlern Abstriche machen müssen. Das erhöht den Bedarf an privater Vorsorge. Versicherungen dürften hier innovative Lösungen anbieten.
Zusätzlich rechnet Lemmens mit einem Wachstum der Versicherer, weil kleinere Pensionskassen unter dem Druck niedriger Zinsen ihr Geschäft aufgeben müssten. Ein gefundenes Fressen für die großen Versicherer, die dadurch ebenfalls hoch hinaus wollen.
Investor-Info
HSBC
Schlank und profitabel
Der Vorsteuergewinn von Europas größter Bank stieg im ersten Halbjahr um zehn Prozent gegenüber 2012 auf 14,1 Milliarden Dollar. Langfristig ist die Bank hervorragend aufgestellt. Sie erwirtschaftet einen Großteil ihres Umsatzes im schnell wachsenden asiatischen Raum. Außerdem trägt der harte Sparkurs von HSBC-Chef Stuart Gulliver Früchte.
Allianz
Widerstandsfähig
Weder das Hochwasser in Mitteleuropa noch die anhaltend niedrigen Zinsen scheinen der Allianz etwas anhaben zu können. Im ersten Halbjahr erzielte der Versicherer einen operativen Gewinn von 5,2 Milliarden Euro. Das von Allianz-Chef Michael Diekmann ausgerufene Jahresziel von knapp zehn Milliarden Euro rückt damit in greifbare Nähe.
ComStage Stoxx Eur. Fin. Serv.
Aussichtsreicher Subsektor
Keine Banken, keine Versicherungen, dafür aber alle übrigen Unternehmen aus der Finanzbranche: Der ComStage ETF Stoxx Europe 600 Financial Services bildet die Wertentwicklung von bedeutenden europäischen Börsenanbietern, Beteiligungsgesellschaften und Vermögensverwaltern ab. Der Untersektor entwickelt sich im laufenden Jahr hervorragend.
ISIN: LU0378435712
Robeco New World Financial
Breit aufgestellt
Der Robeco New World Financial Equities investiert in Finanzwerte aus der ganzen Welt. Hinsichtlich Regionen, Untersektoren und Titelanzahl ist er sehr breit aufgestellt. Heißes Anlagethema für Fondsmanager Patrick Lemmens sind zurzeit elektronische Bezahlsysteme.
ISIN: LU0187077481
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