US-Finanzpolitik - Der störrische Esel wird sich am Ende doch bewegen
In den USA bleibt eine konkrete Einigung im Streit über den US-Staatshaushalt sowie insbesondere die Erhöhung der US-Schuldenobergrenze bislang aus.
Was würde eigentlich passieren, wenn entgegen allen Erwartungen das erste Mal in der Geschichte der USA eine Erhöhung des Schuldenlimits ausbleibt?
Die US-Regierung wäre nicht mehr in der Lage, weitere Schulden aufzunehmen, was sofortige Kürzungen öffentlicher Ausgaben um rund 30 Prozent zur Folge hätte. Eine Priorisierung der Ausgaben würde dann zwar Pensions- sowie Zinszahlungen auf ausstehende Staatsschulden Vorrang einräumen. Aber bereits die rechtliche und technische Umsetzung einer Vorzugsbehandlung stellen große Hürden dar. Immerhin ließe sich auf diese Weise eine Zahlungsunfähigkeit bis etwa Mitte November verzögern.
Sollte die fiskalische Lähmung der US-Politik länger anhalten, hätte dies einen selektiven Zahlungsausfall auf fällig werdende US-Staatstitel zur Folge. Die Rating-Agenturen würden folgerichtig mit Herabstufungen der US-Kreditwürdigkeit auf die schlechteste Note D - zumindest zeitweise bis Staatspapiere wieder bedient würden - reagieren. Die negativen Auswirkungen der dann ausgelösten Kreditausfallversicherungen auf US-Staatstitel hielten sich aufgrund des zunächst noch geringen Zahlungsausfalls zwar technisch noch in Grenzen. Mit jedem Tag aber, an dem eine Einigung im Budgetkonflikt ausbleibt, würde der Flurschaden für die US-Rentenmärkte größer.
Aber trotz des vorerst nur „technischen“ Schadens würde das Novum US-Zahlungsausfall zu einem Vertrauensverlust in die US-Politik mit signifikanten Kollateralschäden für US- und Weltkonjunktur und natürlich für die weltweiten Finanzmärkte führen.
Das Risiko einer Eskalation im US-Budgetstreit scheint von den Marktteilnehmern angesichts von bisher ausgebliebenen deutlichen Zinssteigerungen bei Staatstiteln als gering eingeschätzt zu werden. Vielmehr scheint Erleichterung zu herrschen, dass der Beginn des Tapering von Mitte September wohl bis mindestens Dezember verschoben wird. Abgesehen von dieser geldpolitisch künstlichen Zinsdrückung von US-Staatspapieren deuten allerdings die seit dem 22. September verdoppelten Kreditausfallversicherungen für 5-jährige US-Staatstitel unverfälscht die Bedenken vor einem US-Staatsbankrott an.
Für den Ernstfall sorgen die internationalen Notenbanken bereits vor. Sollte es keine Einigung im Budgetstreit geben, wird die US-Notenbank mit ihren Kriseninstrumenten eine befriedigende Liquiditätsversorgung garantieren. Derartige Instrumente hat die Fed bereits nach dem Zusammenbruch von Lehman angewendet, um u.a. die Kreditversorgung von Unternehmen zu sichern. Und die EZB und die People’s Bank of China haben zuletzt eine Devisen-Tauschvereinbarung über 45 Mrd. Euro mit einer Laufzeit von drei Jahre eingerichtet, um einen ausreichenden Liquiditäts-Pool im stetig wachsenden Handel zwischen China und der Eurozone aufrechtzuerhalten.
Ohne funktionierende Schuldenpolitik stößt selbst die US-Geldpolitik an ihre Grenzen
Bei einer Zahlungsunfähigkeit der USA bzw. dem Verbot einer weiteren Schuldenaufnahme stößt auch die vermeintlich allmächtige US-Notenbank an ihre Grenzen. Ihre Geldpolitik kann nur wirken, wenn neue Schulden zur Konjunkturbelebung gemacht werden. Erst dann kann die US-Geldpolitik Geschäftsbanken über die Zurverfügungstellung von Liquidität anhalten, neue US-Staatsschulden zu kaufen und auch über so gedrückte Zinsen deren günstige Refinanzierung zu sichern. Die Fed allein kann über ihre geldpolitischen Maßnahmen weder eine direkte realwirtschaftliche Ersatznachfrage schaffen, noch den direkten Zinsdienst auf US-Staatsschulden leisten.
Vor diesem Hintergrund bleibt der US-Politik aus Verantwortungsgefühl für die USA und die Weltkonjunktur keine andere Möglichkeit, als sich auf eine Erhöhung der Schuldenobergrenze zu einigen. Obwohl die politische Situation in den USA bisweilen zerrüttet erscheint, halten wir an unserem Basisszenario einer Erhöhung der US-Schuldengrenze in letzter Sekunde fest. Dafür spricht auch die aktuelle Verhandlungsbereitschaft, zumindest bis Ende November die Schuldengrenze anzuheben und damit die Zahlungsfähigkeit der US-Regierung zu garantieren.
Trotz der grundsätzlich wenig erfreulichen Perspektive weiterer Budgetstreitigkeiten dürfte sich dennoch politische Entspannung einstellen, die die Konjunkturerholung in den USA auf der Stimmungsebene nicht gefährdet. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass mit dem Amtsantritt von Frau Janet Yellen als US-Notenbankpräsidentin am 1. Februar 2014 - sie wird Nachfolgerin von Ben Bernanke - eine Fortsetzung der grundsätzlich liquiditätsfreundlichen US-Geldpolitik garantiert ist. Ohnehin dürfte die Fed vor dem Hintergrund der schwer einschätzbaren Auswirkungen des US-Budgetstreits vorerst noch an ihrem uneingeschränkten Anleihenaufkaufprogramm festhalten.
Corporate America zeigt sich stabil
Die US-Berichtsaison hat der weltgrößte Aluminiumhersteller Alcoa - als harter Zykliker ein guter konjunktureller Frühindikator - mit soliden Zahlen eröffnet. Insbesondere aufgrund einer hohen Nachfrage aus dem Automobil- und Luftfahrtsektor sowie einer gesteigerten Produktivität gelang es Alcoa, wieder operativ schwarze Zahlen zu schreiben. Das Betriebsergebnis konnte um knapp 60 Prozent zum Vorquartal gesteigert werden. Auch der Ausblick stimmt vor dem Hintergrund einer sich erholenden Nachfrage selbst in Europa und China zuversichtlich.
Die US-Unternehmensgewinne - gemessen am Aktienindex MSCI USA - entwickeln sich robust. Insbesondere Technologie-, Pharma- und Konsumwerte setzen ihren positiven Gewinntrend fort. Lediglich die Finanzindustrie hält sich zurück. Hier schlagen sich vor allem die Bedenken über die zuletzt gestiegenen Zinsen nieder. Enttäuschungspotenzial bei Unternehmensgewinnen ist aufgrund der im Sommer vorübergehend schwächeren Fundamentaldaten in den Schwellenländern zwar vorhanden. Jedoch sollten die Ausblicke solide bleiben, da in den etablierten Industriestaaten das Wirtschaftswachstum zur Not mit anhaltend staatlicher Schuldenfinanzierung und einer ohnehin ultralocker bleibenden Geldpolitik angeregt wird.
Die Gewinnrobustheit US-amerikanischer Unternehmen ist auch eine klare Stütze für den US-Aktienmarkt. Damit ist die Stärke der US-Aktien mittlerweile auch harten fundamentalen Argumenten und nicht allein der opulenten Liquiditätsoffensive der Fed zu verdanken.
US-Aktien sind sowohl aus Sicht der Ertrags- als auch der Substanzbewertung im Vergleich zu ihrem Vorkrisen-Niveau zwar noch nicht zu teuer. Allerdings nehmen sie Kurs auf ihre alten Bewertungsniveaus, was für zunehmende Kursschwankungen spricht.
Aktuelle Marktlage und Charttechnik
Die Finanzmärkte bewegen sich zumindest kurzfristig im Spannungsverhältnis zwischen einerseits der sich stabilisierenden Weltwirtschaft bei anhaltend üppiger Liquiditätsausstattung und andererseits einer finanzpolitisch unsicheren Situation, was insgesamt für zunehmende Kursvolatilität spricht.
Sollte es bis zum 17. Oktober tatsächlich zu keiner Erhöhung der US-Schuldenobergrenze kommen, dürften insbesondere an den globalen Aktienmärkten massive Kursverluste drohen. Gefährdet werden dann insbesondere die Aktienmärkte der Schwellenländer und die der Euro-Südzone sein. Aufgrund der schlagartig ansteigenden Unsicherheit dürften sich Investoren dann in die sicheren Anlagehäfen insbesondere deutscher und paradoxerweise auch US-Staatsanleihen flüchten. Denn sie vermuten, dass es aufgrund des extremen Drucks der amerikanischen Öffentlichkeit sowie der Finanzmärkte schließlich doch noch zu einer politischen Einigung kommen wird. Offensichtlich kann sich die Welt-Finanzmacht USA Dinge erlauben, die die Finanzinvestoren anderen Ländern nicht verzeihen würden.
Allerdings ist davon auszugehen, dass der Budgetstreit nicht eskaliert. Die Aktienmärkte werden vor diesem Hintergrund wieder auf Normalmodus schalten und sich an der Vision einer fortgesetzten Konjunkturerholung 2014 bei intakten geldpolitischen Rahmenbedingungen erfreuen.
Aus charttechnischer Sicht gewährt die Unterstützung am Jahreszwischenhoch des DAX vom Mai bei 8.557 Punkten im Falle einer Korrektur einen ersten Halt. Knapp darunter verläuft die obere Grenze des seit Juli bestehenden flachen Aufwärtstrendkanals bei derzeit 8.535 Punkten. Als weitere Auffanglinie bietet sich darunter die Marke bei 8.457 Punkten an.
Auf der Oberseite verläuft der erste Widerstand in der Zone zwischen 8.720 und 8.770 Punkten. Sollte dieser Bereich signifikant überwunden werden, wartet die nächste merkliche Barriere an der psychologisch wichtigen Marke bei 9.000 Punkten.
Und das passiert in der nächsten Woche
Auf Unternehmensebene nimmt die US-Berichtsaison für das abgelaufene III. Quartal 2013 volle Fahrt auf. In den Quartalsergebnissen der US-Banken Citigroup, Goldman Sachs, Bank of America und Morgan Stanley dürfte sich die abgeschwächte Dynamik der Erholung am US-Immobilienmarkt widerspiegeln.
Nach einem schwachen Vorquartal dürfte das Ergebnis von Intel wieder freundlicher ausfallen, während IBM die zwischenzeitliche Wachstumsschwäche in den Schwellenländern zu spüren bekommen sollte. Die Zahlen von Yahoo zeigen, dass das Unternehmen im wichtigen Bereich der Display-Werbung weiterhin zu kämpfen hat. Ähnliches gilt auch für Konkurrent Google. Zudem stehen die Zahlen des Konsumgüterherstellers Coca-Cola auf dem Programm. Auch hier dürfte sich eine etwas schwächere Nachfrage nach Softdrinks aus den Schwellenländern bemerkbar machen. Dennoch dürften die Ausblicke aufgrund der sich verbessernden weltkonjunkturellen Großwetterlage insgesamt ermutigend und damit für die Aktienmärkte unterstützend ausfallen.
Auf Makroebene dürften die chinesischen BIP-Zahlen für das abgelaufene III. Quartal für eine Beruhigung der Konjunkturängste sorgen. In den USA verdeutlicht der Geschäftsklimaindex der Philadelphia Fed als Indikator für die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe zwar, dass der US-Budgetstreit nicht ohne Stimmungsbeeinträchtigung geblieben ist. Allerdings deuten die „harten“ Daten steigender Auftragseingänge in der US-Industrie und eine leicht zunehmende US-Industrieproduktion im September auf eine anhaltende US-Konjunkturerholung hin.
In Deutschland dürften insbesondere die ZEW Konjunkturerwartungen eine weiterhin freundliche Wirtschaftsentwicklung prognostizieren.
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Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.
2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.
Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.