Tapering the Tapering oder die Rainmaker bleiben den Finanzmärkten treu
Die nur verhaltene US-Wirtschaftserholung lässt der US-Notenbank keine andere Wahl, als ihre grundsätzliche Liquiditätsstütze aufrecht zu erhalten.
Entsprechend äußerten sich auch zuletzt maßgebende Stimmen aus den Reihen der Fed über die Zukunft der Anleiheaufkäufe.
Die Neuauftragskomponente des ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe lag zuletzt klar unter der Expansionsschwelle von 50. Die US-Auftragseingänge für zivile Kapitalgüter - ein Indikator für die Investitionsneigung der Privatwirtschaft - zeugen noch nicht von einer aus früheren Aufschwungzyklen bekannten Robustheit.
Und auch der US-Immobiliensektor - zuletzt ein wesentlicher Stabilisierungsfaktor für die US-Wirtschaft - ist nicht unantastbar. Denn die intensive Diskussion über das sog. „Tapering“ hat die US-Hypothekenzinsen seit Mai von 3,4 auf 4,4 Prozent ansteigen lassen. Das wirkt sich negativ auf die Erschwinglichkeit und damit kontraproduktiv auf den Absatz und die Preisentwicklung aus.
Auch die letzten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt zeugen noch nicht von einer nachhaltig stabilen US-Konjunkturentwicklung.
Insgesamt dürfte sich Fed-Chef Bernanke in punkto Abschwächung des Anleiheaufkaufprogramms zukünftig wohl etwas zurückhaltender äußern. Es gilt, die negativen realwirtschaftlichen Effekte einer, wenn auch bislang nur verbalerotischen Renitenz der US-Notenbank im Auge zu behalten.
Kollateralschäden für die Emerging Markets
Selbst der konjunkturelle Gegenwind für die Emerging Markets nimmt zu. Der von der Citigroup veröffentlichte Economic Surprise Index der Schwellenländer - er misst die positiven sowie negativen Abweichungen tatsächlicher Wirtschaftdaten von ihren Konsensschätzungen - ist seit Jahresbeginn deutlich abwärtsgerichtet. Die großen Schwellenländer können offensichtlich nicht mehr an die hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre anknüpfen. Die Abebbung der Exporterfolge und der zeitintensive Aufbau der Binnenkonjunktur sind hierfür verantwortlich.
China - Kreditklemme im Kreditsumpf?
Den negativen Trend verstärkt, dass Kreditblasen mittlerweile nicht nur ein „Privileg“ westlicher Staaten sind. Auch China hat ihre Bekanntschaft gemacht. Die Misswirtschaft chinesischer Banken mit ihrer exzessiven und zu leichtfertigen Kreditvergabe bei mangelnder Verwendungskontrolle hat zu einer steigenden Anzahl ausfallbedrohter Kredite geführt. Aufgrund einer vergleichsweise restriktiveren Zentralbankpolitik hatte zuletzt die Interbankenrefinanzierung dramatisch zugenommen. Die Kreditblase und das steigende Misstrauen der Banken untereinander haben jedoch den chinesischen Interbankenmarkt zwischenzeitlich praktisch zum Erliegen gebracht. Denn in der Spitze stiegen die Zinsen auf knapp 11 Prozent, wie zuletzt nach der Lehman-Pleite und im Zuge der „hard landing“-Sorgen im 2. Halbjahr 2011. Chinas Bankensektor geriet in die Kreditklemme.
Die People’s Bank of China hat den Ernst der Lage aber erkannt und wird auch angesichts kurzfristig aufwärtsgerichteter Ausfallprämien chinesischer Staatsanleihen über die Bereitstellung von ausreichend Liquidität stabilisierend eingreifen. Nichts fürchtet China mehr als ein Platzen der Kreditblase mit unkontrollierbaren sozialen Verwerfungen.
Was bedeutet China für die deutsche Wirtschaft?
Nicht zuletzt würde eine Wirtschaftsschwäche in China auch konjunkturelle Bremsspuren in der deutschen Wirtschaft hinterlassen. Der deutschen Exportindustrie geht es deshalb verhältnismäßig gut, weil insbesondere China die Aorta für z.B. unsere Auto- und Maschinenbauer ist. Noch zeigt sich die deutsche Industrie allerdings verhältnismäßig robust. So konnten die ifo Geschäftserwartungen nach einer Stabilisierung im Vormonat zuletzt sogar weiter - wenn auch nur leicht - zulegen.
Setzt man die ifo Geschäftslage und -erwartungen gemäß den vier Phasen eines Konjunkturzyklus zueinander in Beziehung, bewegt sich die deutsche Wirtschaft - wenn auch nur leicht - wieder in einen Boom hinein und folgt damit nicht dem klassischen Wirtschaftszyklus, wonach dem Abschwung jetzt die Rezession folgen müsste.
Die „Tapering“-Diskussion kann auch eine gewisse geopolitische Tragweite nicht verleugnen. Ob gewollt oder ungewollt, die USA sind auf der Finanzmarktebene immer noch die (Finanz-) Weltmacht Nr. 1, deren Pfeife auch die Emerging Markets Ernst nehmen müssen.
Denn mit Blick auf die von der US-Notenbank geschürten Zinsängste ist eine zunehmende Risikoaversion und ein gewisser Repatriierungseffekt aus den Schwellenländern in die etablierten Kernmärkte der Industriestaaten seit Mai unübersehbar. So verzeichneten US- sowie deutsche Aktien zuletzt vergleichsweise moderatere Kursverluste als Brasilien, Russland, Indien und China. Die markante Korrektur am japanischen Aktienmarkt scheint zudem ihren Boden gefunden zu haben.
QE demnächst auch in Euroland?
Die Investoren scheinen also zweimal nachgedacht zu haben und zu realisieren, dass ein schnelles und intensives Ende der Liquiditätsschwemme nicht möglich ist, ohne Kollateralschäden an den Finanzmärkten oder der Realwirtschaft zu verüben: Die Fed wird Rainmaker bleiben und die Bank of Japan wird ihre bereits lockere Geldpolitik weiter dynamisieren.
In Euroland ist die Lage weiter prekär. Die Renditen italienischer und spanischer Staatsanleihen steigen weiter, was die Schuldentragfähigkeit der Länder erschwert. Die EZB sucht daher schon einmal vorbeugend nach Lösungen für den Ernstfall.
Das Aufkaufprogramm von Staatsanleihen prekärer Länder seitens der EZB (OMT) liegt zwar als Instrument bereit. Dieses Programm kann aber nur gestartet werden, wenn zu rettende Euro-Länder vorher einen Hilfsantrag beim Rettungsschirm ESM gestellt haben. Dies werden angeschlagene Länder jedoch aus politischen bzw. populistischen Gründen - siehe Spanien - ablehnen.
Ein Handicap ist auch, ob und inwieweit das Bundesverfassungsgericht das Anleihekaufprogramm der EZB als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Diesem Urteil will die EZB möglichst nicht vorgreifen. Eine praktikable Alternative wäre es jedoch, ein Kaufprogramm für Staatsanleihen der 17 Euro-Staaten insgesamt - jeweils nach der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder gewichtet - zu starten. Denn der EZB ist es gestattet, aus geldpolitischen Zwecken Anleihen aller Euro-Staaten zu kaufen. Beim ursprünglichen OMT würden dagegen nur einzelnen Staaten die finanziellen Vorteile gewährt, was zu Vorwürfen der einseitigen Staatsfinanzierung und damit zu rechtlichen Problemen führen könnte. So kämen auch deutsche Staatsanleiherenditen in den Genuss von Aufkäufen der EZB.
Damit würde die Fed ihr Quantitative Easing nach Euroland exportieren.
Zum 25. Geburtstag bietet der DAX weiteres Potenzial
Insofern haben deutsche Aktien - insbesondere nach der signifikanten Korrekturbewegung der letzten Woche - ihr Kurspotenzial aus fundamentaler Sicht noch nicht ausgeschöpft. Im Übrigen, rechnet man die Inflation auf Basis Februar 1991 heraus, ist der DAX noch 30 Prozent von seinem inflationsbereinigten Allzeithoch vom 7. März 2000 entfernt.
Betrachtet man zudem den reinen DAX-Kursindex - der bekannte DAX ist ein Performance-Index, der Dividenden berücksichtigt - ist er von seinen Höchstständen der Jahre 2000 und 2007/2008 noch weit entfernt. So beträgt der Abstand zum Allzeithoch im März 2000 aktuell gut 2160 Indexpunkte.
Grundsätzlich ist das Bewertungsniveau deutscher Aktien gegenüber ihrer Konkurrenzanlageklasse deutscher Staatsanleihen weiterhin günstig. Denn vergleicht man die Umlaufrendite mit der Gewinnrendite deutscher Aktien, fällt die anhaltende Überbewertung deutscher Staatstitel weiter auf.
Und das passiert in der 27. Kalenderwoche
In China dürfte der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe die verlangsamte Konjunkturdynamik der chinesischen Wirtschaft zum Ausdruck bringen.
In den USA klopfen die Anleger die anstehenden Wirtschaftsdaten auf mögliche Signale für eine Abschwächung von QE3 ab. Der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe dürfte sich nach der überraschenden Eintrübung im Vormonat stabilisieren und wieder auf Expansionskurs umschwingen. Ein besonderer Fokus liegt auf den anstehenden Daten vom US-Arbeitsmarkt. Eine unzweifelhafte Dynamik beim Arbeitsplatzaufbau sucht man jedoch vergeblich. Die „Tapering“-Befürchtungen dürften sich damit etwas abschwächen.
In Euroland dürfte die EZB auf der bevorstehenden Zinssitzung ihren offensiven Ton beibehalten, ohne jedoch zunächst weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen zu beschließen.
In Deutschland signalisieren unterdessen die Auftragseingänge in der Industrie eine sich allmählich bessernde Konjunkturlage.
Aus charttechnischer Sicht zeigt der Primärtrend des DAX nach oben. Unterstützung findet er bei 7840, am steigenden 200-Tage-Durchschnitt bei aktuell 7698 und darunter bei 7632 Punkten. Knapp darunter verläuft eine weitere Unterstützung bei 7600 Punkten. Wird auch diese unterschritten, sollte der Auffangbereich zwischen 7450 und 7400 Punkten Halt geben.
Auf dem Weg nach oben wartet der erste Widerstand in der Kurslücke zwischen 8085 und 8160 Punkten und darüber an der Barriere zwischen 8290 und 8300 Punkten.
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Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.
2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.
Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.