Geldanlage-Report Armin Brack

Immobilienblase in China: Gefahr für den Aktienmarkt?

18.08.10 11:10 Uhr

Immobilienblase in China: Gefahr für den Aktienmarkt? | finanzen.net

Die Freude über das neue Jahreshoch im DAX währte nur kurz.

Schlechte US-Konjunkturdaten und eine Warnung der US-Notenbank sorgten für deutliche Kursabschläge.

Zu allem Überfluss häufen sich Meldungen über inflationäre Immobilienpreise in China. Die Angst kehrt zurück aufs Parkett. Die bange Frage der Anleger: Ist die Weltwirtschaft erneut in Gefahr?

Der Gedanke liegt nahe, schließlich gilt China als Wachstumslokomotive und als der Hoffnungsträger für einen schnellen Konjunkturaufschwung nach der scheinbar ausgestandenen Wirtschaftskrise. Ein Einbruch der Immobilienpreise im Reich der Mitte könnte dieses Szenario zunichte machen.

*Viele Gemeinsamkeiten mit der US-Immobilienblase

Die Fakten erinnern fatal an die Entstehung der US-Immobilienkrise - zumindest auf den ersten Blick: Die Hauspreise stiegen in China im Juni um enorme 11,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Steigerungsraten im Mai und April lagen mit 12,4 und 12,8 Prozent noch höher. Bei neuen Häusern wurde zuletzt sogar eine jährliche Steigerungsrate von 14,1 Prozent ausgewiesen.

Ähnlich wie in den USA versuchen Projektgesellschaften aus der Entwicklung Kapital zu schlagen und heizen damit die Preise weiter an. Die Investitionen in Chinas Immobilienmarkt erhöhten sich in den ersten fünf Monaten 2010 um schwindelerregende 38,2 Prozent. Zuletzt beschleunigte sich der prozentuale Zuwachs sogar noch.

Die Rolle der Banken erinnert ebenfalls fatal an die USA: Der Markt wurde seit letztem Jahr mit billigen Krediten geradezu geflutet. Immer mehr Chinesen leisten sich Zweit- und Dritthäuser.

Die Absicherungsgeschäfte der Banken erfolgen - halten Sie sich fest! - über Derivate, so genannte Asset Backed Securities. Dabei werden Einzelkredite gebündelt, um die Risiken zu minimieren, und dann an Investoren weiter verkauft. In den USA führte dies dazu, dass am Ende keiner mehr musste, wer welche Risiken in der Bilanz stehen hat. Das daraus entstehende Misstrauen der Banken untereinander und in der Folge der "einfrierende" Interbankenhandel trugen zur schnellen Ausweitung der Krise bei.

Auch erste Anzeichen dafür, dass die Stimmung bereits am Kippen ist, gibt es. Neue Studien haben anhand von Stromverbrauchsdaten ungewöhnlich hohe Leerstandsquoten ausgemacht. Bereits im dritten Quartal 2009 berichtete der US-Immobilien-Dienstleister CB Richard Ellis, das 22,4 Prozent aller gewerblichen Immobilien in China leer stünden. Inzwischen werden auf dem Nachrichtenportal Bloomberg Experten zitiert, die bereits von 50 Prozent sprechen.

*Droht ein neues Immobilien-Desaster?

Das sind in der Tat furchteinflößende Zahlen. Trotzdem besteht kein Grund zur Panik, denn es gibt auch gewaltige Unterschiede, die die Situation relativieren:

Zunächst einmal sind die chinesischen Konsumenten bei weitem nicht so stark verschuldet wie die US-Bürger. Im Gegenteil: Die Sparrate lag in China im vergangenen Jahr bei beeindruckenden 40 Prozent. Zum Vergleich: Die US-Konsumenten hatten in 2009 eine negative Sparrate.

Darüber hinaus liegt der Eigenkapitalanteil bei chinesischen Bauherren im Schnitt bei 30 Prozent. Das ist ein gesunder Wert. Im US-Subprime-Bereich waren in der Hochphase der Blase komplett fremdfinanzierte Hypothekenkredite die Regel.

Selbst ein Einbruch der Immobilienpreise um 20 oder 30 Prozent wäre damit für chinesische Bauherren viel besser verkraftbar als es in den USA der Fall war. Der erste Stress-Test für chinesische Banken hat gezeigt, dass in einem solchen Fall die Zahl der faulen Hypotheken-Kredite bei chinesischen Banken um gerade mal 2,3 Prozent steigen würde.

Das hat noch einen weiteren Grund: In China ist das Hauseigentum auf die (zahlenmäßig relative dünne) Mittelschicht sowie die Oberschicht beschränkt. Vor allem Spekulanten, die immer neue Luxusimmobilien in Metropolen wie Shanghai bauen, treiben den Boom. Die oben genannten Leerstandsquoten beziehen sich auf Bereiche, wo derartige Objekte dominieren.

Dem gegenüber herrscht am anderen Ende des Spektrums, nämlich bei staatlichen Wohnbauprojekten, akuter Wohnungsmangel. Viele Landflüchtlinge, die als Lohnarbeiter in die Städte kommen, können sich keine Wohnungen leisten. In schnell wachsenden Regionen wie Chongqing, wo sich die Einwohnerzahl in den kommenden drei Jahren um 1,5 Millionen erhöhen soll, laufen daher gigantische neue Bauprojekte an.

Das heißt: Selbst wenn der Markt bei Luxus-Immobilien zusammenbricht, können andere Bereiche in die Bresche springen und für eine Stabilisierung der Baubranche insgesamt sorgen. Damit dürften sich auch die Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft insgesamt in Grenzen halten.

Ich bin überzeugt: Die Angst vor einer neuen globalen Immobilien- oder Wirtschaftskrise ist unbegründet.

*China-Aktien kaufen?

Trotzdem ist auffällig, dass sich der chinesische Aktienmarkt zuletzt deutlich schwächer als der MSCI World Index entwickelt hat.

Der Shanghai A Index notiert rund 17 Prozent tiefer als vor Jahresfrist. Sind das nun Einstiegskurse für uns als Anleger?

Ich bin skeptisch, denn selbst wenn von der Immobilien-Front nur eine geringe Gefahr für die gesamte chinesische Konjunktur ausgeht, so könnte es einzelne Bereiche trotzdem hart treffen.

Vor allem sollten Sie nicht unbedingt den "kompletten Markt" kaufen, also beispielsweise keine Indexzertifikate oder Indexfonds auf den besagten Shanghai A-Index erwerben. Denn dort sind Immobilienprojektierer wie China Vanke, Poly Real Estate oder Gemdale sehr stark gewichtet. Diese dürfte es aber bei einem Platzen der Blase bei Luxusimmobilien entsprechend heftig erwischen. Das wiederum könnte zumindest kurzfristig zu crashartigen Verlusten an den Aktienmärkten in Shanghai und Hongkong führen.

Gegebenenfalls sollten Sie also eher auf attraktiv bewertete, international agierende Blue Chips wie China Mobile ausweichen.

MEIN FAZIT:

- Es gibt in China tatsächlich eine Blase am Immobilienmarkt, allerdings nur in bestimmten Bereichen, vor allem bei Luxusimmobilien.

- Im Gegensatz dazu gibt es aber eine Unterversorgung bei einfacheren Wohnungen. Neue staatliche Bauprogramme könnten einen möglichen Einbruch im High End-Bereich abdämpfen.

- Die hohe Sparquote bei chinesischen Bürgern und in der Folge relativ hohe Eigenkapitalquoten von durchschnittlich 30 Prozent, verhindern selbst bei stark fallenden Preisen ein starkes Ansteigen von "faulen" Krediten.

- Wegen der hohen Gewichtung von Immobilienprojektierern in den Indizes sollten Sie den chinesischen Aktienmarkt zunächst trotzdem eher meiden.

Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die Smarthouse Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.