Darum bricht der DAX so stark ein...
Die Auguren stehen vor einem Rätsel - wieder mal. Seit Jahren kannten die Zinsen für festverzinsliche Anlagen nur einen Weg, nämlich Richtung Süden.
Entsprechend stiegen umgekehrt die Preise für diese Anlagen. Seit ca. sechs Wochen ist nun alles anders. Über den ganzen Globus hinweg steigen die Renditen (und die Preise fallen), besonders in Deutschland.
Absolut betrachtet ist die aktuelle Verzinsung von 0,95 Prozent für zehn Jahre laufende deutsche Staatsanleihen zwar immer noch extrem niedrig (zum Vergleich: für zehnjährige US-Staatsanleihen gibt es 2,4 Prozent jährliche Verzinsung), gegenüber dem Tief von Mitte April bei fast null ist es aber ein bemerkenswerter Anstieg. Der für deutsche Staatspapiere richtungsweisende BUND-Future brach am Donnerstagmorgen auf den tiefsten Stand seit November 2014 ein.
Was passiert da? Der Markt preist nun bei lang laufenden Staatsanleihen offensichtlich steigende Inflationsraten ein. Diese werden auf Grund der extrem expansiven Geldpolitik der Notenbanken ja schon seit Jahren erwartet.
Warren Buffett selbst ließ sich zu der Aussage verleiten, dass sämtlich VWL-Lehrbücher neu geschrieben werden müssten, wenn die vorliegende Konstellation nicht zu steigender Inflation führen werde.
Die andere wichtige Folge von steigenden Anleihenrenditen: Festverzinsliche Anlagen werden nun im Vergleich zu Aktien wieder attraktiver. Praktisches Beispiel: Rick Rieder, der beim Mega-Hedgefonds Blackrock für Kapitalanlagen verantwortlich ist, sagte Reuters am Freitag, dass deutsche Staatsanleihen aber einer Rendite von ein Prozent für die Heuschrecke wieder interessant werden würden.
Diese Marke ist fast erreicht und letztlich bedeutet das nichts anderes, als dass Blackrock gegebenenfalls - gleich bleibendes Anlagekapital vorausgesetzt - weniger Aktien kaufen wird. Andere Hedgefonds und Großinvestoren werden das ähnlich handhaben.
Diese Entwicklung ist nicht im Sinne der EZB, denn nun steigen auch wieder die Zinsen für Staatsanleihen der Euro-Problemkandidaten Griechenland, Spanien, Portugal, Italien etc. Die Refinanzierung der Schulden wird damit für diese Länder wieder teurer - und das obwohl die EZB ja seit Mai im großen Stil u.a. deren Anleihen aufkauft und so die Zinsen niedrig halten will.
Draghi scheinbar gelassen
Dafür, dass der DAX aber so extrem empfindlich reagiert und in Richtung der 11.000er-Marke absackt, ist auch die EZB selbst verantwortlich: Präsident Mario Draghi stellte klar, dass man keinen Grund sehe, die eigene Geldpolitik nun zu verändern.
Das heißt: Die EZB wird das Anleihenkaufprogramm nicht zusätzlich ausweiten, obwohl steigende Zinsen die erhoffte Wirkung der Zentralbankmaßnahmen zunichte machen könnten.
Das müssen die Börsianer erstmal verdauen. Denn bisher galt immer: Sobald irgendetwas der EZB bei ihren Plänen in die Quere kam, wurde sofort gegengesteuert.
So wurden die Zinsen eben noch weiter gesenkt und als dies nicht mehr ging, wurde das gigantische Anleihenkaufprogramm aufgelegt, das eigentlich nicht mit dem Auftrag der Europäischen Zentralbank vereinbar und streng genommen auch rechtswidrig ist.
Dass Draghi nun scheinbar gelassen mitteilt, man müsse angesichts der rekordniedrigen Zinsen mit derlei Schwankungen leben, lässt bei den Börsianern die Warnlampen aufleuchten.
Weil gleichzeitig auch noch Bond-Guru Bill Gross angekündigt hatte, massiv auf einen Kursverfall deutscher Anleihen zu wetten und dies als einen "once in a lifetime"-Trade ansieht, kommt zusätzlicher Druck von Seiten der Spekulanten.
Vor dem Hintergrund der ohnehin hohen bis sehr hohen Bewertungsniveaus ging der DAX am Donnerstag bei feiertagsbedingt dünnem Handel prompt in die Knie. Im Tief ging es bis 11.187 Punkte nach unten und damit sehr nahe an das Korrekturtief vom 7. Mai bei 11.167 Punkten heran.
Es kam zu einer schnellen Erholung auf über 11.400 Punkte, der am Freitag dann der erneute Sell-Off auf 11.162 Punkte folgte. Noch scheint die Unterstützung zu halten. Die Frage ist, wie lange noch?
Erstmals mehr neue Tiefs als Hochs
Eigentlich wollte ich Ihnen an dieser Stelle heute die spannendsten Ausbrüche deutscher Aktien auf neue Hochs vorstellen. Allein: Es gibt fast keine.
Stand Freitag, 13:30 Uhr, gibt es im breit angelegten CDAX, der alle an der Frankfurter Wertpapierbörse im General und im Prime Standard notierten deutschen Aktien enthält, erstmals seit Wochen mehr Aktien mit neuen 52-Wochen-Tiefs als solche mit neuen 52-Wochen-Hochs (Verhältnis 3:5).
Das heißt: Sie sollten das Augenmerk nun vor allem darauf legen, aufgelaufene Buchgewinne abzusichern und weniger darauf, neue Aktien zu erwerben.
MEIN FAZIT:
Alarmstufe Rot im DAX. Der Index hat nun von seinem Allzeit-Hoch innerhalb von zwei Monaten ca. 1.200 Punkte abgegeben. Die Anleihenrenditen steigen auf einmal wieder. Das macht verzinsliche Papiere im Vergleich zu Aktien attraktiver. Die EZB macht keine Anstalten gegenzusteuern.
Sichern Sie aufgelaufene Buchgewinne rigoros mit Stoppmarken ab.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
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