Expresszertifikate: Neue Chance, neues Glück
Mit der Alternative zu Aktien und Anleihen bekommen Anleger mehrfach die Chance auf attraktive Renditen. Wie es geht.
von Emmeran Eder, Euro am Sonntag
Die niedrigen Zinsen lassen Anleger nach Alternativen zu Anleihen suchen. Fündig werden sie bei Banken, die Zertifikate anbieten. Statt einem mageren Prozent offerieren sogenannte Expresszertifikate vier bis sieben Prozent Zinsen jährlich.
Die Anleger tragen für die höhere Rendite zwar das Aktienmarktrisiko - aber in gedämpfter Form. Ein hoher Sicherheitspuffer schützt sie bis zu einem gewissen Grad vor den Unwägbarkeiten der Börsen. Die Expresspapiere weisen ein zusätzliches Schmankerl auf: Die Chance auf die attraktive Rendite ist nicht nur einmalig, sondern wiederholt sich in der Regel jährlich. Neue Chance, neues Glück sozusagen.
Dafür sorgt die Konstruktion der Zertifikate. Diese ist auf den ersten Blick zwar etwas kompliziert. Hat man das Produkt aber einmal begriffen, gewinnt es deutlich an Charme.
Expresszertifikate beziehen sich immer auf einen Basiswert, meist Index oder Aktie, und haben zwei entscheidende Kursmarken: die Tilgungsschwelle, die wichtig für die Rückzahlung des Zertifikats während der Laufzeit ist, und die Barriere, die über die Rückerstattung bei Fälligkeit entscheidet. Die Tilgungsschwelle ist meist der Indexstand oder Aktienkurs bei Auflage des Zertifikats. Die Barriere liegt oft 30 bis 50 Prozent unter dem Ausgangsniveau. Außerdem gibt es während der oft mehrjährigen Laufzeit mehrere Beobachtungstage (im Regelfall jährlich), an denen gecheckt wird, ob das Zertifikat vorzeitig getilgt wird oder nicht.
Zurückgezahlt wird, wenn der Basiswert auf oder über dem vorgegebenen Referenzwert liegt. Dann erhalten Anleger das eingesetzte Kapital zuzüglich des Kupons für den jeweiligen Abrechnungszeitraum zurück. Wird die Tilgungsschwelle am ersten Stichtag unterschritten, läuft das Papier bis zum nächsten Termin weiter. Die Verlängerung wird dem Anleger dabei durch einen steigenden Kupon versüßt.
Das Spiel wiederholt sich bis zum Fälligkeitstag. Dann gilt die deutlich niedrigere Barriere. Wird sie erreicht oder überboten, erfolgt die Kapitalrückzahlung plus Kupon. Beim Reißen der Untergrenze bemisst sich die Rückerstattung an der tatsächlichen Kursentwicklung des Basiswerts, was gleichbedeutend mit hohen Verlusten sein kann.
Dieses Prozedere ist schon kompliziert genug. Für zusätzliche Verwirrung sorgen einige Varianten. Bei manchen Produkten erfolgt die Zinszahlung unabhängig vom Kursniveau des Basiswerts, bei anderen ist das Übertreffen der Barriere Voraussetzung für den Erhalt des Kupons. Da jedes Expresszertifikat individuelle Eigenschaften hat, empfiehlt es sich, die Produktbroschüren vor dem Kauf genau zu studieren.
Zwei dominierende Spielarten
Die beiden wichtigsten Spielarten unterscheiden sich beim Umgang mit den Kupons. Es gibt thesaurierende und ausschüttende Zertifikate - ähnlich wie bei Fonds. Bei Ersteren werden die Kupons über die Laufzeit addiert und entweder bei der vorzeitigen Rückzahlung oder erst bei der endgültigen Tilgung des Papiers zusammen mit dem Kapital bezahlt. Bei Zweiteren wird der Zins an den jeweiligen Stichtagen ausgeschüttet.
Zu den thesaurierenden Papieren zählt ein Deutsche-Bank-Express-zertifikat auf den Euro Stoxx 50, das im Februar 2014 emittiert wurde. Die Tilgungsschwelle liegt bei 2962,49 Punkten. Schließt der Europa-Index am ersten Stichtag, dem 4. Februar 2015, auf oder über diesem Niveau, wird das Zertifikat gekündigt und Anleger erhalten 105,20 Euro zurückgezahlt. Derzeit steht das Expresspapier bei 100,60 Euro - leicht über dem Ausgabekurs von 100 Euro. Das entspricht einer Rendite von 4,90 Prozent jährlich. Voraussetzung ist, dass der Europa-Index am 3. Februar 2015 nicht um fünf Prozent unter dem jetzigen Niveau von 3.115 Indexpunkten steht. Passiert das doch, läuft das Zertifikat ein Jahr weiter. Im Februar 2016 wird erneut gecheckt, ob der Euro Stoxx auf oder über 2.962,49 Zählern steht. Ist das der Fall, sind 110,40 Euro pro Papier zurückzuzahlen. Wenn nicht, geht es in die Verlängerung. Der akkumulierte Kupon erhöht sich dabei jedes Jahr um 5,20 Euro.
Sind die Rückzahlungsbedingungen des Expresszertifikats bis zum Laufzeitende am 1. Februar 2019 nie erfüllt, genügt es, dass der Euro Stoxx 50 sich auf oder über der Barriere von 1925,62 Euro-Stoxx-Zählern befindet. Dann bekommen Zertifikateinhaber 126 Euro je Papier ausgezahlt, was 4,65 Prozent Jahresertrag entspricht. Schneidet die Europa-Benchmark schlechter ab, erleiden Anleger Verluste von 35 Prozent oder mehr, da sie nur den Gegenwert des Euro Stoxx 50 erhalten.
Ähnlich konstruiert ist das Expresszertifikat der HypoVereinsbank auf Daimler. Die Tilgungsschwelle der Aktie, die an den Beobachtungstagen mindestens erreicht werden muss, liegt jedoch nicht bei 100 Prozent, sondern nur bei 85 Prozent des Ausgabeniveaus - sprich 56,96 Euro. Derzeit steht Daimler bei 66,39 Euro. Liegt der Aktienkurs am ersten Stichtag, dem 18. Februar 2015, mindestens bei 56,96 Euro, werden pro Zertifikat 1062,50 Euro ausgezahlt. Das entspricht beim jetzigen Zertifikatekurs von 995,83 Euro 6,90 Prozent Jahresrendite. Wird das Tilgungslevel unterboten, geht es in die Verlängerung. Jedes Jahr im Februar wird erneut geprüft. Der Kupon steigt alle zwölf Monate um 62,50 Euro. Endgültig fällig wird das Papier am 13. Februar 2019. Falls die Barriere von 40,21 dann mindestens erreicht wird, erhalten Anleger 1312,50 Euro zurück, was identisch ist mit einer Jahresrendite von 5,70 Prozent. Steht die Autoaktie unter der Barriere, werden Daimler-Titel ins Depot gebucht, was einen hohen Verlust darstellt.
Der Erinnerungseffekt
Der ist auch bei ausschüttenden Expresszertifikaten zur Fälligkeit möglich. Bei diesen wird der Kupon nicht aufaddiert, sondern zum Beobachtungstermin ausgezahlt - auch wenn das Papier wegen des Nichterreichens der Tilgungsschwelle nicht zurückgezahlt wird. Für die Ausschüttung des Kupons reicht es, wenn der Basiswert über der Barriere liegt. Diese Papiere heißen auch Memory-Zertifikate, weil sie einen Erinnerungseffekt eingebaut haben. Fällt eine Zinszahlung aus, wird sie bei Erfüllung der Bedingungen am nächsten Stichtag nachgeholt.
Das ist beim Memory-Zertifikat der DZ Bank auf die Metro-Aktie der Fall. Steht der Einzelhändler am ersten Stichtag, 19. Januar 2015, mindestens auf dem Tilgungslevel von 34,92 Euro, wird das 933,85 Euro teure Papier zum Startkurs von 1.000 Euro plus 62,50 Euro Kupon, also zu 1062,50 Euro, zurückgezahlt. Das sind 13,77 Prozent Rendite. Wird das Tilgungsniveau unterboten, erhöht sich die Laufzeit zumindest um ein Jahr - bis zum nächsten Prüftermin.
Trotzdem schüttet die DZ Bank zumindest den Kupon von 6,25 Prozent aus, falls sich die Aktie auf oder über der Barriere von 21,65 Euro befindet. Verstreichen alle jährlichen Rückzahlungstage, da die Tilgungsgrenze stets unterschritten wird, wird dennoch immer der Kupon von 6,25 Prozent erstattet - wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Bei Endfälligkeit am 17. Januar 2018 wird das Zertifikat mitsamt aller ausgefallenen Kupons zurückgezahlt - falls die Aktie mindestens bei 21,65 Euro steht. Sonst landen Metro-Aktien mit hohem Verlust im Depot.
Expresszertifikate eignen sich für Seitwärtsbewegungen. In Haussephasen verpassen Anleger Gewinne, da sie sich mit dem Kupon begnügen müssen. Bei länger laufenden Papieren nimmt das Risiko über die Laufzeit ab, da Kursstürze ausgesessen werden können. So haben mehrere Jahre laufende Papiere auf den Euro Stoxx 50, die 2007 auf hohem Indexniveau aufgelegt wurden, trotz Finanzkrise den Index klar geschlagen. "Da es keine durchlaufende Barriere gibt, haben langfristige Expresszertifikate einen Absicherungseffekt", sagt Harald Gabel, Geschäftsführer des Datenanbieters Derivatives Data Service.
Die Chance, das Barriereniveau wieder zu erreichen, führe dazu, dass Expresspapiere weniger volatil als ihre Basiswerte seien und meist weniger abstürzten. Gabel lobt die Produkte: "Das Anlegen mit Expresspapieren ist jedenfalls viel relaxter als mit Aktien oder Indexpapieren.
Drei attraktive Expresszertifikate (pdf)