Benjamin Feingold-Kolumne

Kein Recht auf Zinsen

08.10.19 11:42 Uhr

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Kein Recht auf Zinsen | finanzen.net

Die schöne und heile Welt der 80er-Jahre wünschen sich manche Deutsche zurück. Die Schwarzwaldklinik, freier Autoverkehr und hohe Zinsen sollen es sein. Doch die Zeiten sind vorbei. Zeit, umzudenken.

Als Anleger muss man sich in diesen Zeiten selbst um seine Geldanlage kümmern. Es sei denn, Deutschland gestattet eine zweite Flüchtlingswelle in Millionengröße. Wie bitte? Was haben Zinsen mit Flüchtlingen zu tun? Ganz einfach. Die Notenbank Englands hat schon vor etlichen Jahren nachgewiesen, dass die Hälfte des Zinsniveaus von der Bevölkerungsentwicklung, sprich selbigem Wachstum bestimmt wird.

Logo, schaut man sich die Gesellschaften weltweit an, so schrumpfen die Zinsen in allen alternden Gesellschaften. Junge Menschen, Zugewanderte und eben solche mit kleinem verfügbaren Einkommen geben nahezu 100 Prozent ihres Geldes für Konsum aus.
Dies kann die Inflation treiben und damit auch den Zins. In Deutschland leben viele Anleger aber wie in den 80er-Jahren und sparen auf Teufel komm raus. Das bestimmt die andere Seite des Zinses, denn die Nachfrage nach Sparen ist hoch. So kommt am Ende der Nullzins raus, und dies ist keineswegs die Schuld der EZB.

"Für den Sparer ist allerdings entscheidend, wie der Realzins aussieht", erklärt Carlo Alberto de Casa, Chefanalyst beim britischen Broker ActivTrades. Acht Prozent Inflation und sechs Prozent Sparzins macht eben auch minus zwei. Ähnlich schaut es gerade aus bei einem Prozent Inflation und minus einem Prozent Ertrag bei Volksbank oder Sparkasse nach Gebühren. Wo ist also der Ausweg?

Nun, Anleger sollten sich mit Geldanlagen grundsätzlich beschäftigen. Allein oder noch besser in der Gemeinschaft. Anlageideen austauschen, Blogs lesen, sich informieren und akzeptieren, dass Rendite nicht ohne Aufwand und Information funktioniert. Seit einigen Jahren gibt es zum Beispiel den Sektor des Social Trading, der die Logik sozialer Medien mit dem Geldanlegen kombiniert. Pionier und mittlerweile etablierter Marktführer ist eToro, eine weltweit agierende Firma aus Tel Aviv. Mit einem optisch ansprechenden Auftritt, nahezu gebührenfreiem Handel von Aktien und eben dem Austausch unter den Anlegern hat man es geschafft, eine Gemeinschaft zu etablieren.

Geldanlage im Austausch ist essenziell

Dabei tauschen sich Millionen von Nutzern aus mehr als 140 Ländern über Börsen aus, und man kann sich als Anleger an andere Anleger dranhängen, deren Ansatz oder Investmentstil besonders gut gefällt. Das kann sehr spekulativ sein, muss es aber nicht. Wichtig ist die Transparenz beim sozialen Anlegen.

Wer folgt, der sollte das Portfolio, den Risiko-Score und die Erfolgsbilanz eines jeden Traders sehen. Hilfreich ist auch der Newsfeed, denn nicht jeder hat jede Aktie weltweit im Blick. Viele Trader sind auf spezielle Märkte fokussiert und posten die Information von Bitcoin über Beyond Meat bis Adidas für alle sichtbar. Typisch Social Media eben.

Wer nun von den Zinsmärkten kommt und in Nullzinszeiten eine Anlagealternative sucht, kann eben einen kleinen Teil seines Geldes in solchen Social-Trading-Portfolios anlegen. Der Zeitrahmen sollte für Neulinge dabei eher längerfristig sein. Denn sogenanntes Day-Trading ist sicher nicht der richtige Übergang von der Sparkasse zum Investor.

CopyPortfolios, wie sie bei eToro heißen, sind aber besonders gut geeignet für diejenigen, die an langfristigen Investments interessiert sind. Darin kann der Ansatz vom Pharmasektor über künstliche Intelligenz bis Automobile oder Konsum reichen. Manche Portfolios beim Anbieter Wikifolio funktionieren ähnlich. Allerdings stockt das investierte Geld bei den Österreichern seit geraumer Zeit.

Ohne Risiko keine Rendite

Am wichtigsten ist ohnehin, dass sich jeder mit Geldanlagen beschäftigt, der eine gewisse Renditehöhe erwartet. In unserem Börsenbrief bei Feingold Research pflegen wir ein Portfolio, das explizit auf eine Rendite von fünf bis maximal zehn Prozent ausgerichtet ist. Denn spätestens darüber muss man hohe Risiken eingehen, wenn der Ertrag noch üppiger ausfallen soll. Wer gleichsam gar nicht investiert und sein Geld bei Sparkasse oder Volksbank liegen lässt, kann kein Geld mit Aktien verlieren.

Er büßt einfach jedes Jahr nach Gebühren und Inflation zwei Prozent seines Vermögens ein. Auch dieser Ansatz ist absolut legitim, sofern man sich dessen bewusst ist und es in Kauf nimmt. Das Wunder des Zinseszinses wird jedoch vermutlich niemals wiederkommen.
Denn eine explodierende Volkswirtschaft und eine demografische Entwicklung wie in Teilen Asiens oder Afrikas ist nicht in Sicht. Und ein Recht auf Zinsen gibt es nun einmal nicht. Das ist die negative Seite der 80er-Jahre-Medaille.

Benjamin Feingold ist seit mehr als 20 Jahren Börsianer und langjähriger Redakteur bei Börse Online sowie bei der Financial Times Deutschland gewesen. Zusammen mit Daniel Saurenz gründete er 2013 das Investmentportal Feingold Research, das täglich Analysen und Investmentideen zur Börsenentwicklung veröffentlicht.

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