Weizen: Trendwende oder bloße „Bärenmarkt-Rallye“?
Bei der Wahl zum Rohstoff des Jahres 2009 dürfte Weizen ganz sicher keinen der vorderen Plätze belegen.
Dafür war die Kursentwicklung vor allem auch unter Berücksichtigung des gesamten Marktsegments der Rohwaren schlichtweg zu schlecht. In den letzten Wochen jedoch konnten sich die Notierungen signifikant von ihren Tiefstständen lösen und nicht wenige Anleger stellen sich daher gegenwärtig die Frage, ob Weizen vor eine echten Trendwende nach oben steht oder ob es sich lediglich um eine „Bärenmarkt-Rallye“ handelt.
Drohende „Weizen-Schwemme“
Für Letzteres spricht die im kommenden Jahr drohende „Weizen-Schwemme“ vor allem in den USA. Anfang Oktober hob das amerikanische Landwirtschaftsministerium seine Schätzungen hinsichtlich der 2010er-Endbestände abermals von zuvor 743 auf jetzt 864 Millionen Scheffel an. Das ist der höchste Wert in den letzten neun Jahren. In der abgelaufenen Saison lagen die Vorräte gerade einmal bei 657 Millionen Scheffeln. Ausgehend von der jüngsten Prognose errechnet sich ein Verhältnis von Endbeständen und Verbrauch von 41 Prozent. So hoch war das Ending Stock to Use Ratio im dritten Jahrtausend noch nie. Zum Vergleich: 2007/08 lag die viel beachtetet Messzahl bei gerade einmal 13 Prozent. Diese Zahlen belegen, dass Weizen mittelfristig bestimmt nicht zur Mangelware wird.
Nochmalige Anhebung der Endbestände wahrscheinlich
Und das „letzte Wort“ könnte bei den Endbeständen noch nicht gesprochen sein. Immerhin befindet sich der US-Winterweizen in einer sehr guten Verfassung. 62 Prozent der Pflanzen werden mit „good to excellent“ bewertet, so dass mit nennenswerten Ertragsausfällen eher nicht gerechnet werden sollte. Vielmehr besteht eine nicht zu unterschätzende Wahrscheinlichkeit, dass die Vorrats-Schätzungen nochmals angehoben werden. Für die Notierungen lässt das nichts Gutes erahnen.
Export-Schätzungen wohl zu optimistisch
Eine abermalige Korrektur der Ending Stocks nach oben ist zudem auf Grund des sehr schleppenden Exports zu vermuten. Für das gesamte Wirtschaftsjahr geht das US-Landwirtschaftsministerium von einem Minus im Bereich von elf Prozent aus. Bislang beträgt der Rückgang der amerikanischen Ausfuhren allerdings satte 35 Prozent und uns erschließt sich beim besten Willken nicht, woher die Behörden ihren Optimismus nehmen. Denn auch in unzähligen anderen Ländern ist die Versorgungslage mit Weizen mehr als üppig. Das belegen die Prognosen bezüglich der globalen Endbestände, die 2009/10 von 167 auf 187 Millionen Tonnen zunehmen sollen. Das Verhältnis zwischen Vorräten und Verbrauch liegt mit 29 Prozent ebenfalls auf einem Mehrjahreshoch. Die fundamentalen Rahmenbedingungen sprechen somit ganz klar gegen eine Fortsetzung der Aufwärtsbewegung, die ihren Grund primär in den zuletzt generell sehr freundlichen Rohstoff-Notierungen und des immer weiter abwertenden US-Dollars gehabt haben dürfte. Auf Dauer werden sich – wie eigentlich immer – die Fundamentals durchsetzen und für neuerlichen Abgabedruck sorgen.
„Bärische“ Saisonalität
Allzu lange sollte dies gar nicht mehr dauern. Schließlich impliziert die Saisonalität für die kommenden Monate ganz klar fallende Notierungen. Ab Ende Oktober setzen die Kurse für gewöhnlich zu einem längeren „Sinkflug“ bis zur Ausbildung eines Winterweizen-Erntetiefs Ende Juni des Folgejahres an. Wenngleich der jahreszeitliche Kursverlauf ganz sicher kein „Allheilmittel“ für Preisprognosen ist, sollte man dieses Analyse-Instrument unter keinen Umständen unterschätzen, vor allem weil es im laufenden Jahr bislang sehr treffend war und die Saisonalität im Regelfall nur in extrem „bullischen“ Marktphase „ausgehebelt“ wird, die wir bei Weizen nicht einmal ansatzweise haben.
Hohes Absicherungsbedürfnis bei Produzenten gegen Kurs-Rückgänge
Zur Vorsicht mahnt darüber hinaus auch ein Blick auf die CoT-Daten: Aus denen geht hervor, dass die für gewöhnlich gut informierten Produzenten eine rekordverdächtige Netto-Short-Position von fast 100.000 Kontrakten halten. Offenbar sieht diese Gruppe ein gewaltiges Absicherungsbedürfnis gegen fallende Notierungen und häufig liegen diese Marktteilnehmer mit ihrer Vermutung goldrichtig.
An wichtigem Widerstand gescheitert
Etwas besser sieht die technische Situation aus – allerdings auch nur auf den ersten Blick. Nach den jüngsten Rücksetzern wurde der Aufwärtstrend der letzten vier Wochen nach unten durchbrochen. Zwar generiert der MACD nach wie vor ein Kaufsignal und auch der RSI bewegt sich (noch) im „bullischen“ Terrain. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stochastik bereits auf „verkaufen“ gedreht hat. Bedenklich stimmt darüber hinaus, dass der Dezember-Future kraftvoll am zentralen Widerstand bei etwa 570 US-Cents nach unten abgeprallt ist. Daraus ergibt sich weiteres technisches Abwärtspotenzial zunächst bis zum Support bei 490 US-Cents. Mittelfristig sollte ein nochmaliger Test der Marke bei 450 US-Cents erfolgen. Mutige Anleger erscheinen somit nicht schlecht beraten, auf fallende Notierungen zu spekulieren.
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter: www.rohstoff-trader.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die Smarthouse Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.