Öl: OPEC-Optimismus ist vorerst verflogen
Angesichts hoher Lagerbestände und anziehender Fördermengen in den USA rechnen nur noch wenige Anleger mit steigenden Rohöl-Notierungen. Das könnte kurzfristig Chancen bieten.
Gerade noch 29 Prozent der Anleger gehen davon aus, dass der Rohölpreis im laufenden zweiten Quartal steigen wird. Das ergibt das aktuelle Citi-Investmentbarometer. Noch vor drei Monaten rechneten mit 57 Prozent fasst doppelt so viele der Befragten mit anziehenden Ölpreisen. Wichtigster Faktor für den Optimismus war seinerzeit der Beschluss der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC), die Fördermengen zum Jahresbeginn für zunächst sechs Monate zu begrenzen und so den Preis zu stabilisieren. Dabei hatte sich die Organisation auch mit Russland und zehn weiteren unabhängigen Ölförderländern abgesprochen.
Tatsächlich hat die Förderbremse den Ölpreis schon bei der Ankündigung im Spätherbst vergangenen Jahres zunächst ansteigen lassen und dann vorläufig auf einem Niveau oberhalb von 55 Dollar für die Nordseesorte Brent stabilisiert. Mittlerweile aber sind die Zweifel an einem nachhaltigen Erfolg der OPEC-Maßnahmen wieder deutlich gewachsen und die Notierungen für Brent und die US-Leichtölsorte WTI entsprechend gesunken. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Zum einen sind die Lager in den USA und OECD-weit heute noch besser gefüllt als zu Jahresbeginn - derzeit verharren die Bestände nahe ihrem Rekordniveau. Zum anderen hat die Stabilisierung des Ölpreises die Fracking Industrie in den USA zurück auf den Plan gerufen. Die Schieferöl-Förderer nehmen immer mehr ihrer Anlagen wieder in Betrieb, aktuell fördern sie den Rohstoff an doppelt so vielen Ölbohrplattformen wie noch vor Jahresfrist. Damit konterkarieren sie die OPEC-Bemühungen. Hinzu kommt die Sorge, dass auch andere Nicht-Mitglieder und selbst einige OPEC-Staaten die Förder-Vereinbarungen umgehen könnten.
Damit scheinen die antagonistischen Reaktionen den Ölpreis kurz- bis mittelfristig in die Zange zu nehmen: Ein Anziehen der Notierungen führt zu einer Angebotsausweitung, welche die Preise tendenziell wieder fallen lässt. Bevor der Preis zu weit fällt, kann die OPEC neuerlich aktiv werden. So sorgte gerade erst die Ankündigung, die Drosselung möglicherweise bis zum Jahresende beibehalten zu wollen, für kurzfristig wieder ansteigenden Notierungen. Als sicher gilt dabei, dass eine endgültige Entscheidung beim nächsten Treffen der OPEC Ende Mai den Ölpreis neuerlich kurzfristig steigen ließe. Mit einem nachhaltigen Anstieg rechnet indessen angesichts der zurückgegangenen Preissetzungsmacht der Organisation kaum jemand. Darauf deutet auch die derzeit sehr flach verlaufende Futures-Kurve hin: Kontrakte mit Fälligkeit im Juni 2018 kosten derzeit kaum mehr als solche, die im Juni dieses Jahres auslaufen, und auch für Lieferungen im kommenden Jahrzehnt werden derzeit kaum mehr als 50 Dollar für das Barrel WTI verlangt. Ein derartiger Verlauf der Futures-Kurve deutet auch auf einen aktuellen Angebotsüberhang hin, da die Produzenten und Lageristen ihr Öl lieber heute als morgen an den Mann bringen.
Die Gemengelage lässt höhere Preisschwankungen nicht unwahrscheinlich erscheinen. Vor allem kurzfristig orientierten Tradern können sich Chancen bieten, sobald der Preis in die eine oder andere Richtung ausbricht. Dabei haben sie die Wahl zwischen unterschiedlichen Hebelprodukten. Per Mini-Future oder Turbo lässt sich je nach aktueller Ausgangslage sowohl auf steigende, als auch auf fallende Rohölpreise setzen. Beide Varianten ermöglichen Anlegern über die Hebelwirkung, auch von kleinen Kursbewegungen stark zu profitieren. Dabei lassen sich Höhe des Hebels und Risiko über den Basispreis des jeweiligen Papiers individuell justieren. Während klassische Turbos dabei eine - in aller Regel kurze - festgelegte Laufzeit aufweisen, laufen Mini-Futures prinzipiell unbegrenzt. Wie auch bei Turbos endet die Laufzeit allerdings vorzeitig, wenn der Ölpreis eine zuvor festgelegte Schwelle unter- beziehungsweise überschreitet. Während Turbos in diesem Fall nahezu wertlos verfallen, sorgt bei Mini-Futures eine vorgelagerte Stop-Loss-Schwelle dafür, dass in der Regel zumindest ein Restwert erhalten bleibt.
Bei klar definierter Marktmeinung und festgelegtem Zeithorizont sind die Papiere dabei sehr einfach zu handhabende Instrumente mit gut kalkulierbaren Konditionen. Wer an einen kurz- bis mittelfristigen Erfolg der OPEC-Anstrengungen glaubt, kann mit geringem Kapitaleinsatz einen Anstieg des Ölpreises absolut gerechnet nahezu eins zu eins nachzuvollziehen. Turbo Bears und die Short-Versionen von Mini-Futures erlauben, nach einem möglichen Anstieg des Ölpreises gehebelt von Korrekturen zu profitieren.
Dirk Heß, Finanzexperte der Citigroup, schreibt zu aktuellen Markt- und Derivate-Themen. Als Co-Head EMEA Warrant Sales & Distribution bei der Citi besitzt er langjährige Expertise in allen Fragen rund um Börse und Investments. In seinem regelmäßigen Kommentar gibt Dirk Heß fundiertes Fachwissen weiter. Die Citigroup ist seit dem Jahr 1989 als Emittent von strukturierten Produkten permanent am deutschen Markt vertreten und feierte 2014 ihr 25-jähriges Jubiläum.
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