"Zur Sache schweigen und Ruhe bewahren"
Die Finanzbehörden richten ihre Fahndungsschwerpunkte neu aus und setzen künftig verstärkt auf digitale Raster, um Steuerhinterzieher zu enttarnen. Rechtsanwältin Alexandra Kindshofer erklärt, was sich ändert.
von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
€uro am Sonntag: Stimmt es, dass die Steuerfahnder sich in den vergangenen Jahren bundesweit auf die Auswertung von angekauften Steuer-CDs konzentriert haben - und dafür Ermittlungen auf anderen Feldern vernachlässigten?
Alexandra Kindshofer: Die Steuerfahndung hat sich zwar sehr stark mit der Auswertung von Bankkundendaten der Steuer-CDs beschäftigt. Dies bedeutet aber nicht, dass andere Fahndungsfelder - zum Beispiel Taxigewerbe, Gastronomie und Immobilienmakler - nicht in ihrem Fokus waren. Auch die klassischen Fälle aus der Betriebsprüfung - Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer - waren und sind auf dem Radar der Finanzbehörden.
Gibt es bei der Steuerfahndung neue Schwerpunkte abseits der Steuer-CDs?
Aktuell sind das Ermittlungen wegen Schwarzarbeit und Geldwäsche, aber auch das klassische Umsatzsteuerkarussell, bei dem der Fiskus Betrügern nicht gezahlte Abgaben mehrfach erstatten musste. Aber auch neu angekaufte Daten-CDs dürften Fahnder nicht verschmähen - falls wieder welche im Angebot sind.
Steuerhinterzieher soll künftig verstärkt mittels digitaler Rasterfahndung enttarnt werden. Was steckt dahinter?
Das Programm "Risiko-Management-System Veranlagung 2.0" (RMS) ermöglicht es der Finanzverwaltung, sich von der Vollprüfung jedes Steuerfalls zu verabschieden. Findet die behördliche Software in Steuererklärungen keine Auffälligkeiten, können Steuerbescheide vollautomatisch erstellt werden.
Verändert sich dadurch auch etwas für die Sachbearbeiter in den Finanzämtern?
Die so gewonnene Zeit sollen Finanzbeamten nutzen, um Steuerbetrug in großem Stil auf die Spur zu kommen. Stößt RMS auf Verdachtsmomente, werden Sachbearbeiter die betreffenden Steuerfälle künftig besonders gründlich prüfen. Das kann im nächsten Schritt zu Kontrollmitteilungen oder auch direkt zu Ermittlungen der Steuerfahndung führen.
Kann man als steuerpflichtiger Bürger in diesen Fällen erkennen, dass einem die Steuerfahndung auf den Fersen ist?
In der Regel nicht. In "harmloseren" Fällen bemerken Steuerpflichtige die Ermittlungen erst, wenn ihnen die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens schriftlich bekannt gegeben wird. Andernfalls - nicht selten - erfahren sie davon, wenn Steuerfahnder einen Hausbesuch abstatten. Dieser kann nicht nur bei ihnen erfolgen, sondern gleichzeitig auch bei Angehörigen, die anderswo wohnen, bei deren Banken, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern.
Wie sollte man sich verhalten, wenn die Steuerfahnder an der Haustür klingeln?
Das Wichtigste ist, auch wenn es schwerfällt: Ruhe bewahren und keine Angaben zur Sache machen. Steuerpflichtige haben bei allen Durchsuchungsmaßnahmen auch das Recht, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Dieser kann den Durchsuchungsbeschluss auf Wirksamkeit, Richtigkeit und Ausmaß prüfen. Dies ist eine entscheidende Situation im Verfahren: Fachkundige Anwälte können verhindern, dass Fahnder zu viel mitnehmen. Zudem sind durch sie Zufallsfunde vermeidbar.
Ist eine strafbefreiende Selbstanzeige noch möglich, wenn schon ermittelt wird?
Diese Möglichkeit ist in der Regel ausgeschlossen, sobald die Finanzverwaltung Kenntnis von der Steuerstraftat erlangt oder die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekanntgegeben hat. Gleiches gilt, wenn die Tat bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Auch sind Selbstanzeigen nach Aufnahme von Prüfungs- oder Ermittlungstätigkeiten unwirksam.
Über Alexandra Kindshofer: Als Fachanwältin für Steuerrecht in München ist sie auf die Beratung und Verteidigung in steuerstrafrechtlichen Fragen spezialisiert.
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