Roland Klaus-Kolumne Roland Klaus

Rückabwicklung einer Lebensversicherung: Mit dem Widerruf viel Geld sparen

16.05.17 11:02 Uhr

Rückabwicklung einer Lebensversicherung: Mit dem Widerruf viel Geld sparen | finanzen.net

Mit dem Widerspruch bzw. Widerruf einer Renten- oder Lebensversicherung können sich Versicherte von ihrer Police lösen, ohne große Einbußen in Kauf zu nehmen. Dieses Vorgehen bringt zumeist massive Vorteile im Vergleich zu einer Kündigung.

Voraussetzung sind falsche Widerspruchsinformationen im Vertrag sowie ein bisschen Hartnäckigkeit. Die Interessengemeinschaft Widerruf (http://www.widerruf.info) hilft bei der Umsetzung.

Wer eine Lebensversicherung kündigt und sich dabei mit dem Rückkaufswert zufrieden gibt, den ihm die Versicherung bietet, verschenkt in vielen Fällen eine ganze Menge Geld. Wesentlich lukrativer ist ein Widerspruch der Lebensversicherung, der eine Rückabwicklung des Vertrags nach sich zieht. Voraussetzung dafür sind Fehler in der Widerspruchsinformation des Versicherungsvertrags. Nach Schätzungen der Interessengemeinschaft Widerruf sind mehr als die Hälfte aller Versicherungsverträge, die zwischen 1994 und 2007 abgeschlossen wurden, von solchen Fehlern betroffen. Der Widerspruch kommt auch für jene in Frage, die eine Lebens- oder Rentenversicherung bereits gekündigt haben, und den Rückkaufswert von der Versicherung kassiert haben.

Schauen wir uns einmal anhand eines konkreten Beispiels an, welche Nachbesserung durch den Widerspruch einer Lebensversicherung erzielt werden kann:

Ein Nutzer der IG Widerruf hatte im Juli 1998 eine kapitalgedeckte Lebensversicherung abgeschlossen. Sein monatlicher Beitrag betrug anfänglich 200 D-Mark, also etwa 102 Euro. Die Versicherung war mit einer sogenannten Dynamik ausgestattet, die den Beitrag jährlich um sechs Prozent steigen ließ. Im Juli 2013, also 15 Jahre nach Abschluss, wurde die Versicherung gekündigt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kunde rund 28.500 Euro an Beiträgen eingezahlt.

Die Versicherung errechnete jedoch nur einen Rückkaufswert von 24.500 Euro - deutlich weniger als die Summe der Einzahlungen. Grund: Zum einen hatten sich die Kapitalanlagen der Versicherung nur mittelprächtig entwickelt, obwohl die Aktien- und Rentenmärkte im gleichen Zeitraum deutlich zugelegt hatten. Zum anderen sind Lebensversicherungen mit hohen Vertriebs- und Verwaltungskosten belastet, die aus den Beiträgen der Versicherten bezahlt werden. Insofern ist es nicht ungewöhnlich, dass bei der Kündigung einer Lebensversicherung nach 15 Jahren der Rückkaufswert noch nicht einmal die Summe der eingezahlten Beiträge erreicht.

Der Versicherte hat nun zwei Möglichkeiten: Entweder er nimmt das Rückkaufangebot der Versicherung an und beendet die Sache an dieser Stelle. Dann kassiert er 24.500 Euro und nimmt einen Verlust von 4.000 Euro (sowie 15 Jahre ohne Rendite) in Kauf. Oder er widerruft seine Lebensversicherung mit Hilfe eines Anwalts und verlangt eine Rückabwicklung seiner Police. Dies kann er entweder tun, wenn die Versicherung noch läuft. Er kann es aber auch tun, wenn die Versicherung bereits gekündigt und der Rückkaufswert schon ausgezahlt wurde. Der Versicherte hat bei einer Rückabwicklung Anspruch auf die Rückzahlung seiner eingezahlten Beiträge, zuzüglich einer Verzinsung.

Im konkreten Beispiel sieht die Rechnung so aus: Dem Versicherten stehen seine Einzahlungen in Höhe von 28.500 Euro zu. Dazu kommt eine Verzinsung in Höhe jener Rendite, die die Versicherung erzielt hat, indem sie mit dem Geld des Kunden gearbeitet hat. In aller Regel wird dazu die Nettoverzinsung auf die Kapitaleinlagen der jeweiligen Versicherungsgesellschaft herangezogen, die zumeist zwischen vier und fünf Prozent schwankt. In unserem Fall wies die Versicherung eine durchschnittliche Nettoverzinsung ihrer Kapitalanlagen von 4,3 Prozent p.a. aus. Rechnet man dies über 15 Jahre, so werden aus den 28.500 Euro, die der Kunde Monat für Monat eingezahlt hat, immerhin 38.000 Euro.

Diese 38.000 Euro sind also die Forderung des Kunden bei einer Rückabwicklung der Versicherung. Diese Summe ist um 13.500 Euro höher als der von der Versicherung gebotene Rückkaufswert von 24.500 Euro. In der Regel nehmen die Gerichte von dieser Summe noch einen kleinen Abschlag vor, weil die Versicherung ja schließlich in den 15 Jahren Laufzeit einen Schutz für den Todesfall geboten hat. Doch dieser Abschlag ändert nichts an dem deutlich überlegenen Ergebnis einer Rückabwicklung.

Wie ist nun die sinnvollste Vorgehensweise um zu prüfen, ob eine Rückabwicklung für Sie in Frage kommt?

1. Lassen Sie ihren Versicherungsvertrag auf eine fehlerhafte Widerspruchsinformation prüfen, z.B. kostenlos bei der IG Widerruf unter www.widerruf.info/lebensversicherung. Ist der Vertrag korrekt, besteht keine Möglichkeit, aktiv zu werden. Werden Fehler festgestellt, geht es weiter bei Punkt 2.

2. Haben Sie noch keine Rechtsschutzversicherung (RSV), dann können Sie jetzt einen solchen Vertrag abschließen. Benötigt wird eine Absicherung für Vertragsrecht. Diese ist in der Regel im Modul "Privat-Rechtsschutz" enthalten ist. Doch Vorsicht: Viele Versicherungen haben dieses Vorgehen mittlerweile ausgeschlossen. Im Rahmen der Prüfung erfahren Sie, welche RSV für Sie noch in Frage kommt.

3. Als nächstes erklären Sie gegenüber Ihrer Lebensversicherung den Widerspruch gegen die Lebensversicherung. Dazu können Sie beispielsweise das Musterschreiben der IG Widerruf verwenden.

4. In der Regel wird die Versicherung diese Forderung zurückweisen und Ihnen erklären, dass keine Grundlage für den Widerspruch besteht. Lassen Sie sich davon aber nicht abschrecken!

5. Nun sollten Sie einen Fachanwalt mit der Durchführung des Widerspruchs beauftragen, beispielsweise einen Kooperationsanwalt der IG Widerruf. Er wird bei ihrer Rechtsschutzversicherung Deckung beauftragen, so dass Ihnen keine Kosten entstehen (mit Ausnahme einer möglichen Selbstbeteiligung). Dann wird er die nötigen rechtlichen Schritte gegen ihre Lebensversicherung vornehmen.

In der Regel wird eine Klage gegen die Lebensversicherung nötig sein. Die Chancen, einen solchen Prozess zu gewinnen oder zumindest einen lukrativen Vergleich zu erzielen, sind jedoch sehr gut. Durch die abgeschlossene Rechtsschutzversicherung ist Ihr Kostenrisiko zudem minimal.

Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch "Wirtschaftliche Selbstverteidigung". Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info

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