Kritik bei Neuemissionen

Mittelstandsanleihen: Anleger in Geiselhaft

14.11.12 20:00 Uhr

Privatanleger erhalten bei Neuemissionen oft nur wirtschaftlich unsinnige Minizuteilungen. Das ist ärgerlich. Aus Kostengründen müssen viele die Papiere halten.

von Marc Hofmann, Euro am Sonntag

Die jüngsten Emissionen von Mittelstandsanleihen haben viele Privatanleger erzürnt. In einschlägigen Internetforen machen sie ihrem Ärger Luft: „In meinem Orderbuch standen heute Morgen noch 10.000 Euro drin, jetzt stehen da nur noch 1000. Ich könnte kotzen“, schreibt etwa der Nutzer „SkyWalker“. Und ein anderer Anleger mit dem Pseudo­nym „ceekay74“ fügt hinzu: „Tolle Idee, um an Buy-&-Hold-Anleger zu kommen. Das grenzt an Nötigung.“

Im konkreten Fall, der nur einer von vielen ist, beziehen sich die Kommentare auf den Bond des Schnapsbrenners Berentzen. Dessen Anleihe stand im Oktober an der Frankfurter Börse zur Zeichnung. Erwartungsgemäß war das Interesse an dem 6,5-Prozenter groß. Binnen einer Stunde überstiegen die Kaufaufträge das angebotene Volumen von 50 Millionen Euro. Für das Unternehmen ein schöner Erfolg.

Unrentabel für Privatanleger
Weniger erfreulich verlief die Emission dagegen für Privatanleger. Obwohl aufgrund der Überzeichnung klar war, dass nicht jeder in voller Höhe zum Zuge kommen würde, erlebten viele eine böse Überraschung: Statt ihrer georderten Stückzahlen von 10.000 oder 15.000 Euro erhielt jeder einheitlich 1000 Euro.

„Die Idee war, das Papier einem möglichst breiten Publikum anzubieten“, begründete das Unternehmen seine Vergabepolitik. Doch so mancher Anleger hätte sicher gern auf das Almosen verzichtet. Denn ungeachtet der geringen Summe verrechnen Banken und Sparkassen eine Mindestgebühr für Wertpapierorders. Diese liegt bei Filialbanken im Schnitt bei 30 Euro.

Wer mit dem Anleihebruchstück nichts anzufangen wusste, stand daher vor der Wahl, ob er verkaufen oder aufstocken sollte. Beide Optionen waren wenig reizvoll. Denn für einen Verkaufsauftrag mit Kurslimit fallen bei vielen Instituten abermals bis zu 36 Euro an Gebühren an. Unterm Strich hätte sich die Kostenquote damit auf 6,6 Prozent summiert. Mehr, als die Anleihe in einem Jahr an Zinsen abgeworfen hätte.

Die Option, den Bond durch einen Nachkauf über die Börse aufzustocken, hatte ebenfalls ihre Tücken. Einerseits wären auch hier Gebühren angefallen, andererseits war das Kursniveau nun höher als bei der Zeichnung. Die erzielbare Rendite war daher für manche Anleger nicht mehr attraktiv.

Mehr oder weniger unfreiwillig wurden etliche Zeichner des Bonds auf diese Weise zu Buy-and-Hold-­Anlegern. Sprich, sie behielten ihr 1000-Euro-Bruchstück im Depot, um weitere Kosten zu vermeiden.

Minizuteilungen häufen sich
Andere Emissionen zeigen, dass Berentzen kein Einzelfall ist. So erhielten Anleger, die den Bond des Hemdenherstellers Eterna zeichneten, ebenfalls nur eine wirtschaftlich unsinnige Kleinmenge von 2000 Euro. Beim Lkw-Zulieferer SAF-Holland waren es 3000 Euro und bei der Karlsberg-Brauerei 4000 Euro.

Obwohl die Tücken der Minizuteilungen bekannt sind, ist das Vergabe­verfahren vonseiten des Gesetz­gebers legitim. Gemäß den EU-Richtlinien für Finanzmarktinstrumente (MiFID) liegt die Entscheidung über die Zuteilung eines Wertpapiers beim Emittenten. Sowohl das Bundesfinanzministerium als auch die Aufseher der Bafin zucken deshalb mit den Schultern. Für Privatanleger stellt sich jedoch die Frage, ob sich die Zeichnung von Mittelstands­anleihen überhaupt noch lohnt.

Zweifel an Chancengleichheit
In ihrem Frust beklagen sich enttäuschte Privatanleger zudem über die Bevorzugung der Profis. So können etwa institutionelle Investoren wie Banken und Vermögensverwalter die Anleihen zum Teil bereits Tage vor dem Zeichnungsstart ordern. Sie tun dies direkt bei der emissionsbegleitenden Bank und müssen nicht über die Zeichnungsbox der Börse gehen. Dieser Vorsprung verschafft ihnen mehr Zeit für die Analyse der Bonds.

Ist die Anleihe dann überlaufen, erhalten zwar auch die Profis nicht ihre volle Bestellmenge, doch sie können ihre Zuteilung zumindest vernünftig verteilen. Als Beispiel: Ordert ein Vermögensverwalter 50 000 Euro und erhält nur 10.000, so wird er in der Regel an zwei Kunden jeweils 5000 Euro liefern statt an zehn 1000 Euro.

Ein anderer Punkt, der bei An­legern heiß diskutiert wird, ist zudem die Geschwindigkeit, mit der manche Anleihen vergriffen sind. Hier gibt ein Blick auf die Modalitäten der Börsen Aufschluss: Je nach Börsenplatz gibt es fixe Quoten, wie viel Prozent eines Bonds an Privatanleger gehen.

Im Entry Standard der Börse Frankfurt sind das zum Beispiel gerade einmal zehn Prozent des An­leihevolumens. 90 Prozent gehen von vornherein an institutionelle Anleger. Fairer ist da schon das Modell der Börse Stuttgart: Hier sind immerhin 50 Prozent des Volumens für Privatanleger reserviert. Was davon nicht verkauft wird, geht später an Großanleger.

Zumindest im Kleinen reagieren die Börsen inzwischen auf die Kritik. So erwägt etwa Frankfurt, die Zuteilungsquote an Private auf 20 Prozent zu erhöhen und den Verteilungs­modus für den Fall einer Überzeichnung bereits vor der Emission bekannt zu geben. So könnte sich jeder potenzielle Anleger entscheiden, ob er mitbieten will oder nicht.

Dass es besser geht, zeigt die jüngste Emission des Modeherstellers Laurèl. Statt einer Verteilung mit der Gießkanne wurde ein Losverfahren mit einer vernünftigen Mindestzuteilung eingesetzt. Jeder Anleger, der das Losglück hatte, erhielt eine Zuteilung von 5000 Euro.

Generell kann aber auch jeder ­Anleger selbst seine Situation verbessern. Zum einen kann er sich an Börsenplätze wie Stuttgart halten, die Privatanlegern grundsätzlich eine höhere Quote garantieren. Zum anderen ist es ratsam, für die Zeichnung immer einen Discountbroker wie beispielsweise Cortal Consors zu wählen. Denn hier liegen die Mindestordergebühren im Schnitt nur bei fünf Euro.