„Sind reiche Immobilienkäufer verrückt geworden, Herr Völkers?“
Der Chef des Luxusimmobilienmaklers Engel & Völkers, Christian Völkers, über die rasanten Preissteigerungen bei Wohnungen und Häusern im oberen Preissegment.
€uro: Herr Völkers, Ihr Unternehmen präsentiert sich vor allem als Vermittler für
Luxusimmobilien. Deren Preise sind infolge der Finanz- und Schuldenkrise besonders stark gestiegen. Was haben die teuersten Objekte gekostet, die Engel & Völkers in diesem Jahr bislang vermittelt hat?
Christian Völkers: In Deutschland war es eine Ferienvilla auf Sylt für 13 Millionen Euro. Ein tolles Haus, herrlicher Blick! Das teuerste Objekt in Europa war ein Villengrundstück im Schweizer Skiort Gstaad. Dafür zahlte der Käufer mehr als 15 Millionen Euro. Fertige Häuser in Gstaad kosten übrigens inzwischen schon bis zu 25 Millionen Euro.
Das ist doch verrückt, oder?
Das sind die aktuellen Marktverhältnisse. Das Angebot an Wohnungen und Häusern in begehrten Regionen ist in den vergangenen ein, zwei Jahren extrem knapp geworden – die Nachfrage aber gestiegen. Und zwar von Interessenten aus der ganzen Welt. Das gilt insbesondere für exklusive Zweitwohnsitzmärkte, also vor allem für Ferienregionen. Mitunter reicht es schon, wenn da in einer bestimmten Lage eines der fünf schönsten Häuser auf den Markt kommt und drei, vier Leute es unbedingt haben wollen. Dann steigt der Preis rasant.
Einige Marktbeobachter sprechen inzwischen von einer Preisblase.
Vielleicht sind manche Käufer scheinbar verrückt. Aber in den vergangenen 50 Jahren haben sich selbst die teuersten Immobilien an Top-Standorten immer gelohnt, weil die Preise weiter gestiegen sind. Wir bei Engel & Völkers sehen keine -Signale für eine nachhaltige Umkehr dieses Trends.
Wo sind Wohnimmobilien in Deutschland zurzeit am teuersten?
In Kampen auf Sylt zahlen Käufer im Hobookenweg, im Heideweg, im Osterheideweg und im Wiesenweg zwischen 25000 und 35000 Euro pro Quadratmeter, im Hamburger Harvestehuder Weg und in der Großen Elbstraße bis zu 16000 Euro und in der Pienzenauerstraße im Münchner Herzogpark bis 10300 Euro pro Quadratmeter. In der Regel geht es da um exklusive Immobilien mit sehr schönem Blick. In Straßen wie der Hamburger Elbchaussee, wo man von einer Wohnung auf die Elbe und von einer anderen auf die Straße schaut, differieren die Preise um bis zu 100 Prozent. Nur wegen des Blicks!
Auch die Preise für normale Wohnimmobilien in guten Lagen deutscher Metropolen sind zuletzt reichlich geklettert. Sollten Normalverdiener trotzdem noch kaufen?
Hier ist das Angebot auch zurückgegangen und die Nachfrage gestiegen. Die Menschen glauben an die Sicherheit von Immobilien und sind aufgrund der Unsicherheiten rund um das Papiergeld – Stichwort Euro- und Dollarkrise – nun bereit, für diese Sicherheit mehr zu bezahlen. Wenn die Lage einer Immobilie stimmt, dürfte das auch weiterhin eine kluge Entscheidung sein. Unsere Vermittlungsdauer pro Wohneinheit in deutschen Ballungszentren hat sich übrigens im Schnitt von sechs auf drei Monate reduziert.
Wie viel kosten zurzeit die teuersten Wohnimmobilien in Europa außerhalb Deutschlands?
In Monte Carlo in Monaco sind dieses Jahr schon 148000 Euro pro Quadratmeter erzielt worden, in der Romazzino-Bucht auf Sardinien 100000 Euro und in London-Knightsbridge 76000 Euro pro Quadratmeter.
Wer zahlt solche verrückten Summen?
Menschen, die eine Top-Immobilie in exklusiver Lage haben wollen und für die der Kaufpreis nebensächlich ist. Dazu gehören zunehmend Inder und Chinesen. Die machen jetzt Kunden aus Russland Konkurrenz.
Wie läuft es ab, wenn sich ein reicher Chinese ein schickes Häuschen in Europa gönnen will?
Dann sind wir mitunter wie Reiseunternehmer unterwegs. Der Kunde kommt für eine Woche nach Europa, sieht sich zum Beispiel Mallorca an, fliegt dann weiter nach Sardinien, danach an die Côte d’Azur und reist – wenn noch Zeit ist – vielleicht nach Marbella und Griechenland, weil er gehört hat, dass es dort auch ganz hübsch sein soll.
Wir sprechen hier in Ihrer Finca auf Mallorca miteinander. Hat sich schon ein Chinese auf Reisen bei Ihnen gemeldet?
Kürzlich war ein chinesischer Kunde bei einem Freund von mir zu Besuch auf Mallorca. Mein Freund hat ihn zu mir geschickt, weil der Kunde unbedingt die tollste Villa auf der Insel kaufen wollte.
Wofür brauchte er „die tollste Villa auf Mallorca“?
In China entwickelt sich gerade eine Neureichenkultur. Da wird gern beim Geschäftsessen auf dem i-Pad gezeigt, was man so besitzt auf der Welt. Und Mallorca ist eben sehr in.
Haben Sie ihm Ihre Finca angeboten?
Sie ist 400 Jahre alt und steht auch nicht zur Disposition. Da müsste schon ein richtig guter Makler kommen (grinst).
Auf der nächsten Seite erfahren Sie, wann Christian Völkers noch selbst potenzielle Immobilienkäufer betreut, seine drei wichtigsten Verkäufertricks und wo Völkers sein Geld anlegt.
Wenn Ihre Makler Interessenten für Immobilien haben, die nicht zum Verkauf stehen – wie gehen die dann vor?
Das ist eine ihrer wichtigsten Aufgaben: einen Eigentümer, der nicht verkaufen will, vom Gegenteil zu überzeugen. Meist geht das nur über einen hohen Preis.
Warum sollte er über Engel & Völkers verkaufen? Makler gibt’s wie Sand am Meer.
Weil er bei uns von einem Maklernetz mit bislang 460 Wohnimmobilien-Shops und Gewerbebüros in 37 Ländern profitieren kann. Eine solche Reichweite haben nur wenige Unternehmen. Ein Vorteil für den Verkäufer ist, dass Immobilienkäufer aus dem Ausland häufig mehr Geld zu zahlen bereit sind als Einheimische. Und wir haben Kontakt zu solchen Leuten.
Vermitteln Sie noch selbst Immobilien?
Nein, schon seit 15 Jahren nicht mehr. Unsere Zielmärkte sind von Lizenznehmern besetzt. Ich kümmere mich vor allem um die Markenpositionierung.
Und wenn ein reicher Kunde Sie um persönliche Betreuung bittet, von Chef zu Chef sozusagen?
Das kommt tatsächlich manchmal vor. Es gibt sehr vermögende Kunden, die gehen nicht in einen Immobilienshop, um sich ein Haus auszusuchen. Für diese Klientel ist seit 2007 unser Private Office in London zuständig, das unabhängig vom Lizenzsystem agiert. Es ist mit rund 20 Top-Beratern besetzt, die sehr wohlhabende Kunden bei Bedarf durch die gesamte Welt von Engel & Völkers begleiten. Mit diesem Elite-Team arbeite ich gelegentlich zusammen.
Sie sagen, Zweitwohnsitze und Ferienimmobilien sind Lustkäufe. Haben Sie ein Beispiel, bei dem die Lust besonders deutlich wurde?
Wir hatten einmal einen russischen Kunden, der für eine bestimmte Lage in St. Moritz schwärmte. Die einzige zum Verkauf stehende Wohnung in dem entsprechenden Haus – Kostenpunkt immerhin 15 Millionen Euro – war ihm aber zu klein. Also ging er mit Angeboten auf die beiden Nachbarn los, die derart hoch waren, dass die Eigentümer schwach wurden. Insgesamt hat ihn seine Traumimmobilie 50 Millionen Euro gekostet – ohne Umbaukosten für die Etage! Solche Fälle sind aber die Highlights. Unser Tagesgeschäft besteht aus Objekten zu weit niedrigeren Preisen.
Sind auch Sie unter den Immobilienkäufern wegen der aktuellen Währungskrisen?
Privat besitze ich mein Haus in Hamburg und dieses hier auf Mallorca – seit vielen Jahren. Mehr Immobilien möchte ich nicht, weil ich glaube, dass ein Haus mit Leben erfüllt sein muss. Und dafür muss man vor Ort sein. Zum Glück sehen das viele unserer Kunden anders. Wir haben allerdings eine weitere Gesellschaft gegründet, an der ich beteiligt bin: die Engel & Völkers Development. Die hat zum Beispiel ein Fabrikgelände in Hamburg gekauft, auf dem wir jetzt Lofts bauen. Wir bauen in Hamburg auch energiesparende Holzhäuser. Alles Objekte mit Gewinnpotenzial.
Nach Luxus klingt das aber nicht. Orientiert sich Engel & Völkers nach unten?
Das sehen Sie falsch. Wir befassen uns ja nicht nur mit superteuren Immobilien, sondern wollen in den Regionen, in denen wir präsent sind, im oberen Preissegment der erste Ansprechpartner sein. In dieser Hinsicht ist Kassel für uns wie Monte Carlo.
Legen Sie Ihr privates Geld auch in Aktien, Anleihen oder Gold an?
Kaum. Außer meinen Anteilen an der Engel & Völkers AG halte ich privat noch Beteiligungen an Shops von besonders guten Lizenzpartnern. Ich kann mir auch vorstellen, dass die AG in nächster Zeit anfängt, einige Wohnimmobilienshops von Lizenznehmern abzukaufen.
Warum?
In den 90er-Jahren schrieb ich eine sogenannte Unternehmensfibel, in der ich Hunderte Standards formulierte, wie ein Makler von Engel & Völkers arbeiten sollte. Unsere Lizenznehmer müssen aber nicht alle Punkte daraus realisieren – nur die zum Markenauftritt sind Pflicht. Allerdings würden wir unser Potenzial besser ausschöpfen, wenn die Fibel von manchen Shops besser umgesetzt würde.
An welche Shops denken Sie?
Das verrate ich nicht.
Sind Immobilien in aufstrebenden Schwellenländern wie China und Brasilien etwas für deutsche Privatanleger?
In so weit entfernte und komplizierte Märkte sollten sich nur Profis wagen, die auch Verluste verkraften können. Privatanlegern rate ich ausschließlich zu etablierten Regionen, die sie gut einschätzen können. Es ist besser, eine Immobilie in der Nähe mit weniger Rendite zu haben, bei der man aber weiß, dass es auch in 15 Jahren noch gute Mieter dafür gibt.
Verraten Sie uns noch Ihre drei besten Verkäufertricks?
...(überlegt lächelnd) Na gut: geschickt die Motive des Kaufinteressenten abfragen, mit ihm auf Augenhöhe kommunizieren und klar die Abschlussfrage stellen: „Wollen Sie diese Immobilie kaufen?“ Diesen Satz vermeiden Immobilienvermittler oft, weil sie sich vor einem
Nein fürchten. Aber nur wenn der Vermittler dieses Wörtchen zu hören bekommt, kann
er „Warum nicht?“ fragen und mit dem Kunden weiterarbeiten.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Mario Müller-Dofel.
Christian Völkers, geboren am 20. Oktober 1955, studierte von 1975 bis 1981 in seiner Geburtsstadt Hamburg Betriebswirtschaftslehre. Parallel, ab 1977, betrieb er mit Dirk Engel das Immobilienbüro Engel & Cie. Nach Engels Tod im Jahr 1986 übernahm Völkers die Firma allein. Er führte das Franchisesystem im Jahr 1998 ein, was eine weltweite Expansion auf heute 460 Büros ermöglichte. Seit 1999 firmiert die Gesellschaft als Engel & Völkers AG, mit Christian Völkers als Vorstandschef. Der 55-jährige Hobby-Polospieler ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Familie lebt in Hamburg und auf Mallorca. Weltweite Expansion Engel & Völkers wurde 1977 gegründet. Der Hauptsitz ist Hamburg. 1998 wurde das -Franchisesystem eingeführt. Das heißt, die Engel & Völkers AG vergibt Lizenzen für Wohnimmobilien-Shops und Gewerbebüros, stellt Dienstleistungen wie IT-Systeme und Weiterbildungsmöglichkeiten zur Verfügung und kümmert sich um die Markenpflege. Zudem bezahlen die Lizenznehmer, also die selbstständigen Makler vor Ort, zehn Prozent ihrer Vermittlercourtage an die AG. Mittlerweile hat Engel & Völkers mehr als 460 Büros mit 3700 Mitarbeitern in 37 Ländern und vermittelt auch Jachten. Der Markenumsatz war 2009 wegen der Finanzkrise auf 137 Millionen Euro gefallen, 2010 stieg er auf den Rekordwert von 173 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2011 kletterte er im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16 Prozent auf 92 Millionen Euro. Der Markenumsatz ist die Summe der Courtagen aller unter der Marke Engel & Völkers vermittelten Immobilien. Im ersten Halbjahr 2011 wurden Immobilien im Wert von 2,5 Milliarden Euro vermittelt.